Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 8 KLs 5027 Js 3889/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 2. der Urteilsgründe) und in einem Fall in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln (Fall II. 5. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Hiergegen wendet sich die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch bedarf der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung.
3a) In den Fällen II. 1., 3. und 4. der Urteilsgründe bezog sich das als dauerhafte Einnahmequelle dienende Handeltreiben allein auf erhebliche Mengen an Marihuana bzw. Haschisch. Damit ist der Schuldspruch insoweit an das am in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom anzupassen (§ 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Nr. 4, 5 KCanG; Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 153/24 Rn. 3 f.; Beschluss vom – 1 StR 106/24 Rn. 4 f.). Obgleich der Angeklagte jeweils mit Cannabis in nicht geringer Menge handelte (vgl. zum Grenzwert von 7,5 g THC Rn. 10; Beschluss vom – 6 StR 164/24 Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.; Beschluss vom – 1 StR 106/24 Rn. 7 ff.), stellt dies lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), das im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (vgl. Rn. 2; Beschluss vom – 6 StR 116/24 Rn. 3).
4b) Im Fall II. 5. der Urteilsgründe ist das Tatgeschehen weiterhin als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu würdigen, soweit der Angeklagte sowohl zum Weiterverkauf (121 g Amphetamin und 100 g Kokain) als auch zum Eigenkonsum (1,5 Tabletten Ecstasy und eine Konsumeinheit Amphetamin) bestimmte Betäubungsmittel in seinem Besitz hatte. Mit dem Inkrafttreten des KCanG stehen diese tateinheitlich begangenen Verstöße gegen das BtMG in weiterer Idealkonkurrenz zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, weil der Angeklagte nach den Feststellungen zugleich eine zum Weiterverkauf bestimmte Menge von 320 g Marihuana verwahrte (vgl. Rn. 6). Unberücksichtigt hatte hingegen der Besitz von 3,34 g eines Tabak-Marihuana-Gemischs zum Eigenkonsum zu bleiben, da dies gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) KCanG nicht mehr strafbar ist (vgl. Rn. 2).
5c) Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 i.V.m. § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
62. Die im Zusammenhang mit dem Handeltreiben mit Cannabis verhängten Einzelstrafen können keinen Bestand haben. Deren Aufhebung ist in den Fällen II. 1., 3. und 4. der Urteilsgründe schon deswegen unumgänglich, weil die Strafrahmenobergrenze nunmehr auf fünf Jahre Freiheitsstrafe bei den hier jeweils zugleich verwirklichten Regelbeispielen der Gewerbsmäßigkeit (§ 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 KCanG) und des Überschreitens der Schwelle zur nicht geringen Menge (§ 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 4 KCanG) begrenzt ist (vgl. mwN). Zwar ist im Fall II. 5. der Urteilsgründe aufgrund des tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG weiterhin anzuwenden (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB). Der Senat kann aber nicht ausschließen, dass sich die in § 34 KCanG zum Ausdruck kommende mildere Bewertung des Umgangs mit Cannabis in einer niedrigeren Strafe niedergeschlagen hätte (vgl. Rn. 4).
7Die Aufhebung der vier Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die jeweils zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass dem Umstand, Cannabis sei eine „weiche Droge“, aus gesetzessystematischen Gründen keine strafmildernde Wirkung mehr beigemessen werden darf, weil das KCanG Regelungen allein zu dieser Droge enthält (vgl. ‒ 6 StR 174/24 Rn. 5).
83. Der Einziehungsausspruch kann gleichfalls nicht bestehen bleiben.
9a) Die Strafkammer hat gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 36.000 € als Gesamtschuldner mit dem gesondert Verfolgten R. und zudem in Höhe von 2.700 € (als Alleinschuldner) angeordnet. Dabei hat sie sich – insoweit rechtsfehlerfrei – an den von dem Angeklagten durch seine Drogengeschäfte erzielten Erlösen orientiert. Ausweislich der Feststellungen hatte der Angeklagte im April 2020 Kaufgeld in Höhe von 36.000 € vereinnahmt. Weitere 2.700 € hatte er in nicht rechtsverjährter Zeit vor dem erhalten. An diesem Tag wurde in der Wohnung des Angeklagten Bargeld in Höhe von 13.860 € sichergestellt, auf dessen Rückgabe er wirksam verzichtete. Diesen Betrag hat die Strafkammer nicht in Abzug gebracht und weiter ausgeführt, dass von einer erweiterten Einziehung gemäß § 73a StGB mit Blick auf die Verzichtserklärung abgesehen werde.
10b) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Dem erkennenden Gericht steht es zwar frei, in den Fällen der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB mit Rücksicht auf die Verzichtserklärung des Angeklagten von einer Entscheidung über die Einziehung abzusehen (vgl. Rn. 6). Allerdings ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass das aufgefundene Bargeld überhaupt aus anderen rechtswidrigen Taten herrührt. Sofern aus den Ausführungen der Strafkammer zur Begründung ihrer Einziehungsentscheidung unter Hinweis auf die vorerwähnte Entscheidung abzuleiten sein sollte, dass sie zu der sicheren Überzeugung gelangt ist, es handele sich insoweit um Taterträge aus anderen rechtswidrigen Taten, fehlt es an einem erforderlichen Beleg für diese Annahme. Es liegt wegen der in Betracht zu ziehenden zeitlichen Nähe zwischen dem Verkauf von Cannabis im Fall II. 4. der Urteilsgründe und dem Auffinden des Bargeldes auch nicht fern, dass darin zumindest der aus dieser Tat erlangte Verkaufserlös in Höhe von 2.700 € enthalten ist.
11c) Der Senat hebt die Einziehungsanordnung insgesamt auf, weil die Strafkammer zwei Teilbeträge unterschieden hat, für die der Angeklagte zum einen mit einem weiteren Schuldner und zum anderen allein haftet. Damit scheidet ein pauschaler Abzug in Höhe des sichergestellten Bargeldes von dem gesamten Einziehungsbetrag aus. Die bisher getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzungen sind möglich, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.
12d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
13aa) Sollte es sich bei dem sichergestellten Bargeld um legal erworbenes Geld handeln, wäre der staatliche Zahlungsanspruch nach § 73c StGB durch den wirksamen Verzicht des Angeklagten insoweit erloschen (vgl. Rn. 3). Handelt es sich dagegen um erzielte Erlöse aus dem abgeurteilten Handel mit Betäubungsmitteln und Cannabis, unterläge das sichergestellte Geld der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB, sofern es weiterhin gegenständlich und gesondert – etwa als Asservat der Justiz – vorhanden wäre. Anderenfalls – nach zwischenzeitlicher Einzahlung auf ein Konto der Justizkasse – bliebe nur noch Raum für die Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB oder die Einziehung des Auszahlungsanspruchs gegen die Staatskasse gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB (vgl. Rn. 7 mwN). In beiden Konstellationen würde sich mit Blick auf die Verzichtserklärung die vorliegend angeordnete Vermögensabschöpfung nach § 73c StGB in entsprechender Höhe verringern (vgl. Rn. 4). Lässt sich die Herkunft des Geldes aus anderen rechtswidrigen Taten nicht aufklären und bleibt danach die Möglichkeit bestehen, dass der Geldbetrag aus den abgeurteilten Taten stammt oder legal erworben wurde, ist eine Anrechnung vorzunehmen, weil anderenfalls eine doppelte Abschöpfung nicht ausgeschlossen werden könnte (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 3 StR 219/20 Rn. 8).
14bb) Hätte das neue Tatgericht danach den sichergestellten Geldbetrag ganz oder zumindest teilweise zu berücksichtigen, wäre bei der Anrechnung auf die zwei Teilbeträge zu bedenken, dass sich die gesamtschuldnerische Haftung für den Angeklagten als günstiger erweist (vgl. Rn. 13; Beschluss vom – 3 StR 308/20 Rn. 3), weil insoweit auch der Tatbeteiligte R. als weiterer Schuldner zur gesamten Leistung im Außenverhältnis verpflichtet ist und eine doppelte Abschöpfung ausscheidet.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:030724B4STR93.24.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-73639