Online-Nachricht - Donnerstag, 15.08.2024

Arbeitsrecht | Tarifvertrag darf Inflationsausgleich während der Elternzeit ausschließen (LAG)

Tarifvertragsparteien ist es gestattet, den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen. Mit der Regelung ist keine mittelbare Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen verbunden (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil v. 14.8.2024 – 14 SLa 303/24; Revision zugelassen).

Hintergrund: Nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) erhalten Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, eine einmalige Sonderzahlung mit dem Entgelt für den Monat Juni 2023 (Inflationsausgleich 2023), wenn ihr Arbeitsverhältnis am 1.5.2023 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1.1.2023 und dem 31.5.2023 Anspruch auf Entgelt bestanden hat. Nach § 3 Abs. 1 TV Inflationsausgleich erhalten Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 (Bezugsmonate) monatliche Sonderzahlungen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Entgelt des jeweiligen Bezugsmonats. Der Anspruch auf den monatlichen Inflationsausgleich besteht jeweils nur, wenn in dem Bezugsmonat ein Arbeitsverhältnis besteht und an mindestens einem Tag im Bezugsmonat Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

Sachverhalt: Die Klägerin ist bei einer Kommune im Technischen Dienst beschäftigt. Sie befand sich vom 14.6.2022 bis zum 13.4.2024 in Elternzeit. Ab dem 14.12.2023 bis zum Ende der Elternzeit arbeitete sie mit 24 Wochenstunden in Teilzeit (Vollzeit = 39 Wochenstunden).

Der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendende Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) sah im Juni 2023 einen Inflationsausgleich von einmalig 1.240 € und in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 von monatlich 220 € vor. Die Kommune zahlte der Klägerin diesen Inflationsausgleich nur für die Monate Januar und Februar 2024 in Höhe von 135 € (24/39 von 220 €).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die tariflichen Voraussetzungen in §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 TV Inflationsausgleich, wonach an mindestens einem Tag ein Anspruch auf Entgelt bestanden haben muss, sie als Arbeitnehmerin in Elternzeit unzulässig wegen des Geschlechts diskriminiere. Es liege eine mittelbare Diskriminierung vor, weil Mütter länger in Elternzeit gingen als Väter. Diese Ungleichbehandlung sei mit dem Zweck des Inflationsausgleichs nicht vereinbar. Vielmehr sei sie in Elternzeit in besonderem Maße von den steigenden Preisen betroffen. Dem tritt die Arbeitgeberin entgegen und verweist u.a. auf die Tarifautonomie.

Das LAG wies – anders als die Vorinstanz – den Antrag der Klägerin auf Zahlung des vollen Inflationsausgleichs zurück:

  • Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist wirksam.

  • Die Tarifvertragsparteien dürfen den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen.

  • Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit - ausgenommen die Teilzeittätigkeit - ruht, erfüllt die Klägerin diese Voraussetzung nicht. Sie hat keinen Entgeltanspruch.

  • Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt und stellt keine mittelbare Diskriminierung dar, weil der tarifliche Inflationsausgleich auch einen Vergütungszweck verfolgt. Er ist arbeitsleistungsbezogen ausgestaltet. Fehlt es daran völlig, weil nicht an einem Tag ein Entgeltanspruch besteht, besteht kein Anspruch.

  • Soweit Beschäftigte, die Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld beziehen, einen Inflationsausgleich erhalten, erfolgt dies aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten. Für diese durften die Tarifvertragsparteien andere Regelungen vorsehen als für Beschäftigte in Elternzeit. Die Inanspruchnahme einer Elternzeit ist im Regelfall planbar, die eigene oder die Erkrankung des Kindes tritt dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auf.

Anmerkung:

Die Kammer hat der Klägerin lediglich aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit für den Monat Dezember 2023 einen Inflationsausgleich von 220 € zugesprochen. Sie hatte in diesem Monat an einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt. Für die Höhe der Inflationsausgleichsprämie ist die am ersten Tag des Bezugsmonats vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich. Diese war am 01.12.2023 noch fiktiv 100 %. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 8.000 € wegen unzulässiger Geschlechtsdiskriminierung (§ 15 Abs. 2 AGG) hatte keinen Erfolg, weil die Kommune die Klägerin nicht wegen des Geschlechts diskriminiert hat.

Das LAG hat die Revision zugelassen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Pressemitteilung v. 14.8.2024 (il)

Fundstelle(n):
DAAAJ-73191