BGH Urteil v. - X ZR 64/22

Instanzenzug: Az: 2 Ni 37/20 (EP) Urteil

Tatbestand

1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 087 629 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom angemeldet worden ist und ein Verfahren und Vorrichtungen zur Übertragung von Daten in einem Telekommunikationssystem betrifft.

2Patentanspruch 1, auf den acht weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

A method comprising

scheduling of data transmissions for transmission within a telecommunications system; and scheduling of re-transmission data independently of the scheduling of data transmission, characterized in that the re-transmission data is transmitted with a shorter transmission interval than the data transmissions; and in that the scheduling is such that data transmissions are transmitted on a first cycle time while the re-transmission data is transmitted on a second cycle time, the second cycle time being shorter than the first cycle time.

3Die Klägerinnen greifen das Patent im Umfang der Ansprüche 1, 2, 4 und 6 bis 9 an. Sie haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, zudem gehe der Gegenstand des Schutzrechts über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise in 20 geänderten Fassungen verteidigt.

4Das Patentgericht hat das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihre Anträge erster Instanz mit Ausnahme der früheren Hilfsanträge 2, 4, 4'neu, 4''E und 4''F in geänderter Reihenfolge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

5Die Berufung ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

6I. Das Streitpatent betrifft die Übertragung von Daten in einem Telekommunikationssystem.

71. In einem solchen System, das die Streitpatentschrift am Beispiel von UMTS erläutert, stehen Nutzerendgeräte (user equipment, UE), etwa Mobiltelefone, über eine Funkschnittstelle mit einem Funkzugangsnetzwerk in Verbindung. Das Funkzugangsnetzwerk umfasst eine Basisstation. Über die Funkschnittstelle werden Daten von der Basisstation an die Mobilstation und in die Gegenrichtung übertragen. Die Streitpatentschrift legt als bekannt zugrunde, dass bei Fehlern, die bei der Übertragung von Daten auftreten, die betreffenden Daten auf eine entsprechende automatisierte Aufforderung hin erneut übertragen werden.

8Die Übertragung von Daten kann nach der Beschreibung zwischen verschiedenen Elementen eines Telekommunikationssystems unter Verwendung unterschiedlicher Protokolle erfolgen. Werde dieselbe Planungsweise (scheduling procedure) für das erste Senden von Daten, für die Übermittlung einer automatischen Anforderung einer wiederholten Übertragung im Falle eines Fehlers und für die wiederholte Übertragung der Daten verwendet, könne dies zu Verzögerungen bei der Übertragung der Daten, aber auch zu einem zu hohen Energieverbrauch führen.

92. Vor diesem Hintergrund hat das Patentgericht das technische Problem zutreffend dahin beschrieben, die Übertragung von Daten innerhalb eines Telekommunikationssystems zu verbessern.

103. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

124. Der Anspruch bedarf näherer Erläuterung:

13a) In den Merkmalen 1 und 2 wird zwischen Datenübertragungen (data transmissions) und wiederholter Datenübertragung (re-transmission data) unterschieden.

14aa) Die Datenübertragung betrifft allgemein die erstmalige Übermittlung von Daten. Weitere Vorgaben hinsichtlich der Art der Daten sind Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen; es kann sich danach sowohl um Nutzdaten wie um Steuerdaten handeln.

15bb) Mit einer wiederholten Datenübertragung ist demgegenüber die Übermittlung von Daten gemeint, die zuvor bereits übermittelt worden sind, die jedoch, insbesondere weil die Übertragung nicht fehlerfrei erfolgte, erneut übermittelt werden.

16Wie sich aus der zur Auslegung von Patentanspruch 1 heranzuziehenden Beschreibung (Abs. 11) und Anspruch 2 ergibt, kann hierzu auch die Anforderung einer neuerlichen Übertragung zählen, die in dem Telekommunikationssystem von einem Empfänger an einen Sender übermittelt wird.

17cc) Der Anspruch unterscheidet damit zwischen Daten, die erstmals übertragen werden und Daten, die wiederholt übertragen werden. Ihm kann jedoch nicht entnommen werden, dass sämtliche Daten, die in dem Kommunikationssystem übertragen werden, entsprechend behandelt werden. Er schließt damit nicht aus, dass das beanspruchte Verfahren nur auf bestimmte, insbesondere zeitkritische Daten angewendet wird.

18b) Die zeitliche Planung der wiederholten Datenübertragung im erläuterten Sinn erfolgt nach Merkmal 2 unabhängig von der zeitlichen Planung der Datenübertragung.

19In der Beschreibung wird dies dahin erläutert, dass für die wiederholte Datenübertragung andere Übertragungsintervalle genutzt werden können als diejenigen, die für die Datenübertragung vorgesehen sind (Abs. 35). Dies bedeutet zudem, dass die Planung für die wiederholte Datenübertragung nicht die Planung für die Datenübertragung beeinflusst.

20Merkmal 2 fordert dagegen nicht, dass eine wechselseitige Beeinflussung von Datenübertragung und wiederholter Datenübertragung in jeder denkbaren Übertragungssituation vollständig ausgeschlossen ist. Wie etwa verfahren wird, wenn die wiederholte Datenübertragung so oft misslingt, dass nach dem längeren Übertragungsintervall eine weitere Übertragung neuer Daten ansteht, lässt das Streitpatent offen. Aus der Angabe in der Beschreibung, dass das längere Übertragungsintervall während des gesamten Verfahrens unverändert bleibt, lässt sich nichts abweichendes herleiten. Auch hier geht das Streitpatent lediglich von der allgemeinen Regel aus, dass das kürzere Übertragungsintervall nicht mehr gilt, sobald die Daten korrekt empfangen wurden (Abs. 39). Besondere Vorgaben für ein mehrfaches Misslingen der wiederholten Datenübertragung sind dem nicht zu entnehmen.

21c) Sowohl die Planung der Datenübertragung wie die Planung der wiederholten Datenübertragung erfolgt in einem Telekommunikationssystem. Für die wiederholte Datenübertragung wird dies in Merkmal 2 nicht ausdrücklich gesagt. Es ergibt sich aber daraus, dass es um die wiederholte Übertragung von Daten geht, die bereits zuvor übertragen wurden, was nur innerhalb desselben Telekommunikationssystems sinnvoll ist. Bestätigt wird dieses Verständnis durch die Beschreibung, derzufolge die Planung beider Übertragungsarten in einem Telekommunikationssystem - wenn auch im erläuterten Sinne unabhängig voneinander - erfolgt (Abs. 9).

22d) Für die wiederholte Datenübertragung ist nach Merkmal 3 ein kürzeres Übertragungsintervall (transmission interval) vorgesehen als für die Datenübertragung.

23Ein Übertragungsintervall ist eine Zeitspanne, in der eine Übertragung von Daten, auch nur zeitweise, stattfinden kann.

24Vorgaben zum Verhältnis von Übertragungsintervall und Rahmen zur Datenübertragung macht Patentanspruch 1 nicht. Danach kann ein Rahmen mit einem Übertragungsintervall zusammenfallen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich ein Übertragungsintervall über mehrere Rahmen erstreckt und die zwischen Beginn und Ende des Übertragungsintervalls liegenden Rahmen eine Zeitspanne darstellen, in der eine für das Übertragungsintervall relevante Übertragung von Daten nicht stattfindet. Einheitliche Rahmenlängen stehen damit der Bildung eines kürzeren Übertragungsintervalls für die wiederholte Datenübertragung nicht zwingend entgegen.

25e) Nach Merkmal 4 erfolgt die Planung in der Weise, dass die Datenübertragung in einer ersten Zykluszeit (cycle time) erfolgt, während die wiederholte Datenübertragung in einer zweiten Zykluszeit stattfindet. Merkmal 5 gibt vor, dass die zweite Zykluszeit kürzer ist als die erste.

26Die Begriffe Zykluszeit (cycle time) und Übertragungsperiode (transmission period) werden in der Beschreibung, etwa in Abs. 17, mit gleicher Bedeutung verwendet.

27Das Streitpatent erläutert den beanspruchten Gegenstand an einem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3, die nachstehend in der vom Patentgericht kolorierten Fassung wiedergegeben ist.

28Auf der von links nach rechts verlaufenden Zeitachse ist zunächst ein erstes Übertragungsintervall mit einer Länge von 20 ms (gelb) zu sehen. In der Beschreibung wird dieses Intervall als normales DRX-Intervall (normal DRX, Abs. 35) oder als reguläres DRX-Intervall (regular DRX, Figur 4) bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Intervall, in dem Daten diskontinuierlich empfangen werden. Nach Figur 3 werden in diesem Intervall keine Daten übertragen.

29Unmittelbar im Anschluss folgt ein zweites normales DRX-Intervall, in dem wiederum keine Daten übertragen werden. Dies verdeutlicht ein Übertragungsintervall von 20 ms Dauer und eine Zykluszeit von 20 ms.

30In diesem Ausführungsbeispiel stimmen mithin Übertragungsintervall und Zykluszeit überein, weil die Übertragungsintervalle unmittelbar aufeinander folgen. Patentanspruch 1 ist hierauf jedoch nicht begrenzt, sondern umfasst auch den Fall, dass ein Übertragungsintervall in längeren Zyklen wiederholt wird.

31Zu Beginn des dritten normalen DRX-Intervalls werden (neue) Daten (rot) übertragen. Da jedoch ein Fehler auftritt, erfolgt eine automatische Anforderung zur wiederholten Datenübertragung, im Ausführungsbeispiel im HARQ-Modus (hybrid automatic request repeat mode, Abs. 18). Diese Anforderung führt dazu, dass die zunächst übermittelten Daten erneut übermittelt werden (blau). Dies wird in der Beschreibung auch als HARQ-retransmission bezeichnet. Hierfür wird jedoch ein anderes, kürzeres DRX-Intervall von 4 ms (grün) genutzt. Dieses kürzere Intervall wird in der Beschreibung als HARQ retransmission interval (Abs. 19), HARQ re-transmission DRX (Figur 3) oder HARQ DRX (Abs. 40, Abs. 47) bezeichnet. Entsprechende HARQ re-transmission Intervalle folgen unmittelbar aufeinander, so dass die Zykluszeit für die wiederholte Datenübertragung 4 ms beträgt.

32Der Zyklus des normalen DRX-Intervalls bleibt hiervon unberührt. In Figur 3 kommt dies darin zum Ausdruck, dass auch zu Beginn des vierten und des fünften längeren Intervalls (neue) Daten (rot) übertragen werden (Abs. 39). Die Planung der wiederholten Datenübertragung ist damit unabhängig von der Planung der Datenübertragung.

33Wie der denkbare Fall behandelt wird, dass die wiederholte Übertragung so oft fehlschlägt, dass ein weiteres normales DRX-Intervall beginnt, ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Die Lösung hiermit verbundener, zusätzlicher Probleme - wie etwa der Einfluss auf die zweite Zykluszeit - ist nicht Gegenstand der technischen Lehre des Streitpatents.

34f) Wird für die wiederholte Datenübertragung ein kürzeres Übertragungsintervall und eine kürzere Zykluszeit vorgesehen als für die Datenübertragung, bedeutet dies, dass beim Auftreten eines Fehlers bei der Datenübertragung die Anforderung einer neuerlichen Übertragung der betroffenen Daten und die wiederholte Datenübertragung selbst schneller erfolgen, als dies für die regelmäßige Datenübertragung vorgesehen ist. Dadurch können unangemessene Verzögerungen vermieden werden, allerdings geht damit ein erhöhter Energiebedarf einher. Dieser erhöhte Energiebedarf bleibt nach der Lehre des Streitpatents auf die wiederholte Datenübertragung beschränkt. Für die Datenübertragung können das längere Übertragungsintervall und die längere Zykluszeit beibehalten werden, für die weniger Energie benötigt wird.

35Nach der Lehre des Streitpatents ist diese Differenzierung zwischen der Datenübertragung und der wiederholten Datenübertragung vorteilhaft. Sähe man für beide Übertragungsarten einheitlich das für die Datenübertragung übliche Übertragungsintervall und die übliche Zykluszeit vor, könnte dies zu einer unerwünschten Verzögerung beim Auftreten von Fehlern führen. Wählte man dagegen einheitlich ein kürzeres Übertragungsintervall und eine kürzere Zykluszeit, führte dies zu unerwünscht hohem Energieverbrauch (Abs. 12 bis 15, Abs. 34, Abs. 41).

36g) Die technische Lehre des Streitpatents wird in der Beschreibung auch anhand eines Vergleichs gemäß der nachstehenden Figur 4 erläutert.

37aa) Dort ist oben zu sehen, wie die Planung und Durchführung der Datenübertragung herkömmlich erfolgt. Die Basisstation (eNB) weist dem Nutzerendgerät mit einer Zuweisungstabelle (Allocation Table, AT) Ressourcen für die Übertragung uplink und downlink zu. Daran schließt sich die Datenübertragung von der Basisstation zum Endgerät (downlink) an. Das Endgerät stellt einen Fehler beim Empfang fest und reagiert mit einem NACK-Signal (non-acknowledgement oder negative acknowledgement). Da ein einheitliches Übertragungsintervall von 20 ms verwendet wird, kann die wiederholte Datenübertragung erst im nächsten Übertragungsintervall erfolgen.

38bb) Dem ist unten ein Ausführungsbeispiel für die beanspruchte Lehre gegenübergestellt. Danach löst das NACK-Signal nach Ablauf eines HARQ-Timers die Zuweisung von Ressourcen (HARQ-AT) und die Planung der wiederholten Datenübertragung (Scheduling of HARQ-re-transmission) aus. Die wiederholte Datenübertragung kann damit zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen und ist, wie das ACK-Signal anzeigt, abgeschlossen, bevor das nächste normale DRX-Intervall beginnt. Mit der wiederholten Datenübertragung muss hier nicht bis zum nächsten normalen DRX-Intervall gewartet werden. Die Planung der wiederholten Datenübertragung erfolgt danach im erläuterten Sinne unabhängig von der Planung der Datenübertragung.

39h) Merkmal 4 gibt nicht vor, dass sich die wiederholte Datenübertragung zeitlich mit der Übertragung "neuer" Daten überschneidet.

40Anders als die Berufung meint, kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Planung der Datenübertragung und der wiederholten Datenübertragung zeitlich parallel verläuft, sondern auf die Übertragung von Daten. Denn der Anspruch spricht lediglich davon, dass die Datenübertragung in einer ersten, längeren Zykluszeit erfolgt, während die wiederholte Datenübertragung in einer zweiten, kürzeren Zykluszeit erfolgt.

41Unabhängig davon bringt das Wort "während" ("while") hier keinen zeitlichen Gleichlauf zum Ausdruck, sondern wird adversativ gebraucht, weist also auf einen Unterschied hin.

42Für ein Verständnis des Patentanspruchs dahin, dass die Datenübertragung und die wiederholte Datenübertragung zeitlich parallel verlaufen müssen, bietet die Beschreibung keine Anhaltspunkte. Sie gibt keine Hinweise darauf, dass die Planung einer zeitlichen Parallelität der Datenübertragung und der wiederholten Übertragung gefordert oder auch nur zweckmäßig sei. Gegen ein Verständnis des Merkmals in diesem Sinne spricht, worauf das Patentgericht zutreffend hingewiesen hat, dass danach die beiden Ausführungsbeispiele gemäß Figuren 3 und 4 nicht unter den Anspruch fielen. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents erfasst würde, nur in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten ausscheiden, oder wenn sich dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen (, GRUR 2015, 159 - Zugriffsrechte).

43Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Absatz 40 der Beschreibung. Die dort angesprochene Möglichkeit, dass das normale DRX-Intervall und das DRX-for-HARQ-Intervall gleich lang sind, fällt nach der insoweit eindeutigen Vorgabe in Merkmal 3 nicht unter den Anspruch.

44Dies schließt nicht aus, dass die kürzeren Intervalle für eine wiederholte Datenübertragung in einem normalen DRX-Intervall liegen. Wie die oben wiedergegebene Figur 3 verdeutlicht, kann so die Phase dieses Intervalls, in dem keine (neuen) Daten übertragen werden, für die wiederholte Datenübertragung genutzt werden.

45Anders als die Berufung meint, ergibt sich auch aus Merkmal 3, wonach die Planung von Datenübertragung und wiederholter Datenübertragung voneinander unabhängig erfolgt, keine andere Beurteilung. Wie oben bereits ausgeführt wurde, genügt es für eine unabhängige Planung, dass das System bei der Planung der wiederholten Datenübertragung nicht auf eine Übertragung in dem für eine Übertragung neuer Daten vorgesehenen, längeren Intervall beschränkt ist. Eine solche Planung wird anhand von Ausführungsbeispielen 3 und 4 verdeutlicht, die zwar eine Überlappung des normalen DRX-Intervalls und des kürzeren DRX-Intervalls für die wiederholte Datenübertragung vorsehen, jedoch keine zeitliche Überschneidung von Datenübertragung und wiederholter Datenübertragung.

46II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit im Berufungsrechtszug noch von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

47Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch die US-amerikanische Patentanmeldung 2006/0195576 (BP7) vorweggenommen. Dort sei zur Erläuterung der Figur 3b beschrieben, dass das Kommunikationssystem mit zwei Zuordnungsregeln (first allocation rule, second allocation rule) arbeite, wobei das nach der ersten Zuordnungsregel vorgesehene Übertragungsintervall länger sei als das nach der zweiten Zuordnungsregel. Ferner sei nach der ersten Zuordnungsregel eine Zykluszeit von acht Rahmen vorgesehen, nach der zweiten Zuordnungsregel eine Zykluszeit von einem Rahmen. Hierfür nenne die Beschreibung zwei Anwendungsfälle. Für den zweiten Anwendungsfall sei vorgesehen, dass bei einer fehlerhaften Datenübertragung die zweite Zuordnungsregel greife, so dass die wiederholte Datenübertragung in kürzeren Intervallen erfolge, bis eine korrekte Übertragung der Daten quittiert werde.

48Auch das europäische Patent 1 198 096 (QE-D2) nehme den Gegenstand von Patentanspruch 1 vorweg.

49In der Fassung der Hilfsanträge habe der Gegenstand von Patentanspruch 1 ebenfalls keinen Bestand. In der Fassung nach Hilfsantrag 2' sehe der Patentanspruch ergänzend vor (Merkmal 8.1'), dass ein Endgerät während des Laufs eines HARQ-Timers wisse, wann eine Zuordnungstabelle für die Planung der wiederholten Datenübertragung übermittelt werde. Eine Übertragung einer Zuordnungstabelle zu Beginn eines Rahmens sei bereits in BP7 offenbart. Der Fachmann habe Anlass, einen Timer einzusetzen und diesen mit dem fehlgeschlagenen Datenempfang oder dem NACK-Signal zu starten.

50III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug stand.

511. Mit zutreffender Begründung hat das Patentgericht angenommen, dass BP7 den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung vorwegnimmt.

52a) BP7 befasst sich mit der Übertragung von Daten in einem Kommunikationssystem, insbesondere mit diskontinuierlicher Datenübertragung. BP7 führt dazu aus, wenn ein Nutzerendgerät kontinuierlich Allokationsinformationen überwachen müsse, sei der Energieverbrauch hoch (Abs. 9 f.), und unterbreitet Vorschläge für die Allokationsinformation und Ressourcenzuweisung bei diskontinuierlicher Datenübertragung.

53Die Allokationsinformationen werden oft als Allokationstabellen bezeichnet. Eine Kommunikationsvorrichtung, etwa ein Endgerät, kann durch Überwachung der Allokationsinformation erkennen, ob und welche Ressourcen ihm zugeteilt werden. Informationen werden durch Sätze von Reihen von Übertragungsressourcen übertragen, etwa Rahmen (frame), Zusammensetzungen von Rahmen (superframe), Sätze von Schlitzen usw. Die Zuweisung von Übertragungsressourcen innerhalb eines Satzes von Übertragungsressourcen wird durch diesem zugeordnete Zuweisungsinformationen definiert (Abs. 75).

54Die Allokationsinformation enthält Informationen zur Identifizierung der Endgeräte, denen Übertragungsressourcen zugewiesen werden. Durch Überwachung der Allokationsinformationen kann das Endgerät daher erkennen, ob ihm Ressourcen zugewiesen werden (Abs. 75).

55BP7 beschreibt weiter, dass für ein Endgerät, das Daten diskontinuierlich sendet und empfängt, eine oder mehrere Zuordnungsregeln (allocation rules) vorgesehen werden können. Eine solche Zuordnungsregel definiert typischerweise eine Folge von Sätzen von Übertragungsressourcen, die zugewiesene Übertragungsressourcen für dieses Endgerät enthalten können. In diesem Fall muss das Endgerät nicht alle Allokationsinformationen decodieren, sondern nur diejenigen, die nach der Zuordnungsregel die Zuweisung von Übertragungsressourcen enthalten können, was die Einsparung von Energie ermöglicht (Abs. 80 f.).

56Anhand der nachstehend wiedergegebenen Figur 3b beschreibt BP7 zwei Beispiele für die Verwendung zweier Zuordnungsregeln.

57Dabei ist vorgesehen, dass die erste Zuordnungsregel (rule#1) eine längere Periode hat. So kann beispielsweise zur Übertragung von Sprachdaten eine erste periodische Zuordnungsregel vorgesehen sein. Bei der Übertragung von Sprachdaten ist damit zu rechnen, dass in regelmäßigen Abständen ein Paket mit Sprachdaten ausgegeben wird. Dementsprechend sollen die Pakete periodisch übertragen werden.

58Das Kommunikationssystem weist dem Endgerät Übertragungsressourcen gemäß einer entsprechenden Zuordnungsregel zu. Die erste Zuordnungsregel legt im Beispiel fest, dass in jedem achten Rahmen Ressourcen zugewiesen werden, hier also in Rahmen 311, 319, 327 usw.

59Steht im Rahmen 311 ein Sprachpaket noch nicht zur Verfügung, ist es nach BP7 typischerweise nicht möglich, mit der Übertragung der Daten bis zu dem Zeitpunkt zuzuwarten, in welchem nach der ersten Zuordnungsregel erneut Übertragungsressourcen bereit stehen, hier also bis Rahmen 319. Für diesen Fall ist eine zweite, kurzfristige Zuordnungsregel (rule#2) definiert, die ebenfalls periodisch sein kann. Im Beispiel nach Figur 3b legt diese zweite Zuordnungsregel fest, dass das Endgerät die Allokationsinformationen jedes nachfolgenden Rahmens überwacht. Stellt es daraufhin fest, dass im Rahmen 313 Übertragungsressourcen zugewiesen sind, werden die Sprachdaten übertragen. Sodann kehrt das System zur ersten Zuordnungsregel zurück (Abs. 95).

60Wenn die nach der ersten Zuordnungsregel relevanten Rahmen Sprachdaten enthalten und ihnen Übertragungsressourcen zugewiesen werden, wie dies in Figur 3b für die Rahmen 319 und 327 angedeutet und am Ende von Absatz 95 beschrieben ist, besteht kein Grund für einen Wechsel von der ersten zur zweiten Zuordnungsregel.

61Die Zuordnungsregeln können, wie Absatz 96 vermerkt, unabhängig voneinander sein.

62Im Anschluss erläutert BP7 einen zweiten Anwendungsfall für die Verwendung zweier Zuordnungsregeln, von denen eine eine längere Periode und die andere eine kürzere Periode vorsieht, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung kommt, wenn eine wiederholte Datenübertragung erforderlich ist, weil bestimmte Daten nicht oder nicht korrekt empfangen wurden (Abs. 97). Für diesen Fall soll in dem Kommunikationssystem die erneute (wiederholte) Übertragung der betroffenen Daten gemäß einer zweiten Zuordnungsregel erfolgen, bis ein ACK-Signal empfangen wird, das den korrekten Empfang bestätigt. Daraufhin findet wieder die erste Zuordnungsregel Anwendung. Auch hier überwacht das Endgerät die Allokationsinformation gemäß dieser zweiten Zuordnungsregel und überträgt mittels der ihm zugewiesenen Übertragungsressourcen die Daten erneut.

63b) Dieser zweite Anwendungsfall nimmt, wie das Patentgericht zutreffend entschieden hat, den Gegenstand von Patentanspruch 1 vorweg.

64aa) Die erste und zweite Zuordnungsregel erlauben in Übereinstimmung mit Merkmal 2 eine unabhängige Planung der Datenübertragung und der wiederholten Datenübertragung. Dass die (zweite) Kurzzeitregel während des Zeitraums zwischen zwei Übertragungen gemäß der (ersten) Langzeitregel angewendet wird, gewährleistet diese Unabhängigkeit und steht ihr, anders als die Berufung meint, nicht entgegen.

65Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht wird die Unabhängigkeit der Planung auch nicht dadurch aufgehoben, dass vom Kommunikationssystem Informationen entsprechend der Kurzzeitregel übertragen werden, bis eine positive Empfangsbestätigung vom Endgerät (101) empfangen wird (Abs. 97). Dem ist nicht zu entnehmen, dass die Anwendung der ersten Zuordnungsregel vorübergehend oder gar auf Dauer aufgegeben oder abgeändert wird. Aus der Beschreibung ergibt sich lediglich, dass das Endgerät im Anschluss an die Anwendung der zweiten Zuordnungsregel wieder zur Anwendung der ersten Zuordnungsregel zurückkehrt (vgl. Abs. 95). Dies verweist darauf, dass das Endgerät gemäß der ersten Zuordnungsregel die Allokationsinformation des achten Rahmens überwacht, weil nach dieser Regel eine Zuweisung von Übertragungsressourcen für diesen Rahmen zu erwarten ist.

66bb) Entgegen der Auffassung der Berufung ist ferner Merkmal 3 offenbart.

67In dem geschilderten Anwendungsfall ist vorgesehen, dass dem Endgerät nach der ersten Zuordnungsregel nur für jeden achten Rahmen Ressourcen zur Übertragung von Sprachdaten zugewiesen werden. Damit erstreckt sich das erste Übertragungsintervall über acht Rahmen.

68Der Einwand der Berufung, das Übertragungsintervall entspreche einem einzelnen Rahmen, greift nicht durch. Wie oben bereits ausgeführt wurde, handelt es sich bei einem Übertragungsintervall im Sinne von Merkmal 3 um eine Zeitspanne, in der eine Übertragung von Daten, auch nur zeitweise, stattfinden kann. Wenn die genannte Zuordnungsregel vorsieht, dass dem Endgerät nur alle acht Rahmen Ressourcen für die Übertragung von Sprachpaketen zugewiesen werden, erstreckt sich das Übertragungsintervall mithin über acht Rahmen.

69Anders als die Berufung unter Hinweis auf Absatz 86 meint, steht dieser Betrachtung nicht der Umstand entgegen, dass die jeweiligen Rahmen Allokationsinformationen bzw. Steuerinformationen für die in dem Rahmen zugewiesenen Übertragungsressourcen vorsehen. Dies ändert nichts daran, dass die überbrückten Rahmen für die Datenübertragung nach der ersten Zuordnungsregel keine Rolle spielen.

70Für die wiederholte Datenübertragung ist ein kürzeres Übertragungsintervall vorgesehen. Im Fall einer fehlerhaften Datenübermittlung greift danach eine zweite Zuordnungsregel, derzufolge dem Endgerät für jeden Rahmen Übertragungsressourcen zugewiesen werden, die eine wiederholte Datenübertragung ermöglichen.

71Dem steht nicht der Einwand entgegen, Figur 3b befasse sich nur mit der Sendesituation, nämlich dem Problem, dass Sprachdaten noch nicht fertig kodiert sind, wenn der Rahmen 311 gesendet wird. Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ergibt sich aus Absatz 97 der BP7 hinreichend deutlich, dass sich auch das zweite Beispiel zur wiederholten Datenübertragung auf die in Figur 3b allgemein gezeigte erste und zweite Regel bezieht.

72cc) Auch Merkmale 4 und 5 sind offenbart.

73Nach dem Anwendungsbeispiel ist im Normalfall nach der ersten Zuordnungsregel eine Übertragung von Daten regelmäßig (periodisch) für jeden achten Rahmen vorgesehen. Dagegen erfolgt die wiederholte Übertragung von Daten nach der zweiten Zuordnungsregel in jedem aufeinanderfolgenden Rahmen, bis ein ACK-Signal übermittelt wird. Anschließend wird wieder die erste Zuordnungsregel angewendet.

74Sowohl für die Übertragung von Sprachpaketen wie für die wiederholte Übertragung solcher Pakete ist eine sich regelmäßig wiederholende und damit periodische oder zyklische Übertragung vorgesehen, wobei die Zykluszeit für die wiederholte Datenübertragung kürzer ist.

75Welche Regel für den Fall Geltung beansprucht, dass die wiederholte Übertragung von Daten trotz der Anwendung der zweiten Zuordnungsregel nicht gelingt, bis sieben Rahmen verstrichen sind, also nach der ersten Zuordnungsregel wieder die Zuweisung von Übertragungsressourcen für (neue) Daten vorgesehen ist, ist BP7 nicht zu entnehmen. Dies stellt jedoch die Vorwegnahme der Merkmale 3 bis 5 durch BP7 nicht in Frage, da dieser Fall, wie oben aufgezeigt wurde, auch vom Streitpatent nicht behandelt wird.

76Der Beschreibung von BP7 (Abs. 95, 97) ist danach auch nicht zu entnehmen, dass die erste Zuordnungsregel "ausgesetzt" wird, solange die zweite Zuordnungsregel greift.

77Wie oben bereits erläutert wurde, setzt Merkmal 4, anders als die Berufung meint, schließlich nicht voraus, dass die Datenübertragung und die wiederholte Datenübertragung zeitgleich stattfinden.

782. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 5 durch BP7 vorweggenommen ist.

79a) Nach Hilfsantrag 5 ist Patentanspruch 1 wie folgt gefasst (Änderungen hervorgehoben):

81b) Entgegen der Auffassung der Berufung offenbart BP7 auch die hinzugekommenen Merkmale 10 und 11.

82aa) Die wiederholte Übertragung von Daten erfolgt nach der Beschreibung der BP7 (Abs. 97) solange, bis ein positives Acknowledgment-Signal empfangen wird. Da ein solches Signal übermittelt wird, wenn die Datenübertragung erfolgreich war, ist BP7 zu entnehmen, dass die Anwendung der zweiten Zuordnungsregel in diesem Fall endet und das System zur ersten Zuordnungsregel zurückkehrt.

83Damit ist Merkmal 10 offenbart.

84bb) Auch Merkmal 11 ist vorweggenommen.

85Aus BP7 ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die erste Zuordnungsregel, die dem Übertragungsintervall für die Datenübertragung entspricht, bei Anwendung der zweiten Zuordnungsregel aufgehoben oder verändert wird.

86Die Beispiele sehen vielmehr vor, dass die zweite Zuordnungsregel nur in besonderen Situationen und nur vorübergehend eingreift, das System jedoch nach Bewältigung dieser Situation wieder zur ersten Zuordnungsregel zurückkehrt.

87Wie bereits ausgeführt wurde, ist BP7 nicht zu entnehmen, welche Regel für den Fall Geltung beansprucht, dass die wiederholte Übertragung von Daten trotz der Anwendung der zweiten Zuordnungsregel nicht gelingt, bis sieben Rahmen verstrichen sind, also nach der ersten Zuordnungsregel wieder die Zuweisung von Übertragungsressourcen für ein Sprachpaket vorgesehen ist. Dies stellt jedoch die Vorwegnahme von Merkmal 11 durch BP7 nicht in Frage, zumal auch das Streitpatent nicht erläutert, wie dieser Fall zu behandeln ist.

883. Zutreffend und von der Berufung nicht angegriffen hat das Patentgericht angenommen, dass auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 nicht patentfähig ist. Eine Erörterung der Hilfsanträge 3 und 6 ist entbehrlich, da die zusätzlichen Merkmale dieser beschränkten Fassungen nach dem eigenen Vorbringen der Berufung nicht zur Abgrenzung gegenüber BP7 geeignet sind. Diese Einschätzung teilt der Senat.

894. Soweit sich die Berufung gegen die Entscheidung des Patentgerichts wendet, dass Patentanspruch 1 auch in der Fassung nach Hilfsantrag 2' keinen Bestand hat, bleibt sie ebenfalls erfolglos.

90a) Nach Hilfsantrag 2' ist Patentanspruch 1 wie folgt gefasst (Änderungen hervorgehoben):

92b) Die Verteidigung des Streitpatents in dieser beschränkten Fassung ist zulässig.

93Die Auffassung der Klägerinnen, Merkmal 8.1' sei nicht ursprungsoffenbart, trifft nicht zu. Die Anmeldung enthält bereits eine mit der Figur 4 des Streitpatents vollständig übereinstimmende Figur, aus der sich die Verwendung eines HARQ-Timers ergibt.

94c) Der so beschriebene Gegenstand ist neu.

95aa) Nach Merkmal 6 erfolgt die Datenübertragung im diskontinuierlichen Modus.

96Dieses Merkmal ist, wie das Patentgericht zutreffend entschieden hat, in BP7 offenbart.

97bb) Merkmal 7 legt fest, dass die wiederholte Datenübertragung im HARQ-Modus erfolgt, bei dem es sich ebenfalls um einen diskontinuierlichen Modus handeln kann.

98Dem Streitpatent ist insoweit in Einklang mit den Merkmalen 3 bis 5 zu entnehmen, dass nach Feststellung eines Fehlers beim Datenempfang und Sendung eines entsprechenden NACK-Signals eine verglichen mit der (normalen) Datenübertragung im DRX-Modus kürzere DRX-Schleife für die wiederholte Datenübertragung aktiviert werden kann (Abs. 39). Zum Grad der Verkürzung und Bereitschaft zur Überwachung der Allokationsinformationen macht das Streitpatent dabei ebenso wenig beschränkende Vorgaben wie zum Verhältnis zu den für die Übertragung vorgesehenen Rahmen. Eine Verkürzung, die die Überwachung der Allokationsinformationen in jedem Rahmen zur Folge hat, wird danach von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2‘ nicht ausgeschlossen.

99Merkmal 7 ist in BP7 vorweggenommen. In Absatz 147 der Beschreibung ist der HARQ-Modus als ein mögliches Format für die wiederholte Datenübertragung genannt. Hierbei kann, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, der DRX-Modus angewendet werden (Abs. 80: … at least one allocation rule is defined for a communications device that wishes to ... receive information in a discontinuous manner). Dass in dem in Figur 3b gezeigten Ausführungsbeispiel nach der Kurzzeitregel jeder Rahmen überwacht wird, stellt bei zutreffendem Anspruchsverständnis auch im DRX-Modus eine noch anspruchsgemäße Variante dar.

100cc) Dagegen ist Merkmal 8' durch BP7 nicht vollständig offenbart.

101(1) Merkmal 8' knüpft an die Darstellung in Figur 4 der Streitpatentschrift an. Danach wird nach der Übermittlung eines NACK-Signals vom Nutzer-endgerät an die Basisstation ein Timer (HARQ-Timer) in Lauf gesetzt. Erst nach dessen Ablauf wird dem Endgerät von der Basisstation die Allokationstabelle für die wiederholte Datenübermittlung (HARQ AT) übermittelt und die wiederholte Datenübertragung mit einem kürzeren Übertragungsintervall geplant (Scheduling of HARQ-transmission). In dem in Figur 4 wiedergegebenen Beispiel ist die wiederholte Datenübertragung erfolgreich und wird mit einem ACK-Signal quittiert.

102Wie sich aus der Gegenüberstellung mit dem oberen Teil der Figur 4 ergibt, die den Ablauf nach dem Stand der Technik zeigt, wäre bei einem einheitlichen Übertragungsintervall von 20 ms erst nach dem Ablauf des ersten Intervalls mit einer weiteren Allokationstabelle zu rechnen. Die untere Figur verdeutlicht, dass nach der Lehre des Streitpatents beim Auftreten eines Fehlers, quittiert durch ein NACK-Signal, die wiederholte Datenübertragung mit einem zweiten, kürzeren Übertragungsintervall und in einer zweiten, kürzeren Zykluszeit geplant wird. Der in Figur 4 gezeigte HARQ-Timer läuft für einen Zeitraum, der benötigt wird, um diese Planung vorzubereiten. Nach dem Ablauf des Timers wird die nunmehr erforderliche Datenübermittlung geplant, wofür der Begriff "HARQ-AT" steht.

103Danach ist Merkmal 8.1' dahin zu verstehen, dass das Nutzerendgerät aufgrund des Einsatzes eines HARQ-Timers darüber informiert ist, dass mit der durch das Auftreten eines Übertragungsfehlers veranlassten Allokationstabelle zwar nicht erst zu Beginn des nächsten normalen DRX-Intervalls, sondern schon früher, jedoch erst nach Ablauf des HARQ-Timers zu rechnen ist.

104Anders als die Berufung meint, ist Merkmal 8.1' dagegen nicht zu entnehmen, dass das Endgerät nicht in jedem Übertragungsintervall zu einem bestimmten Zeitpunkt "aufwacht" und prüft, ob Allokationsinformationen vorliegen. Ebenso wenig lässt sich aus Merkmal 8.1' herleiten, dass mit der Verwendung eines HARQ-Timers eine Verringerung des Signalisierungsaufwandes verbunden sein muss. Wenn die wiederholte Datenübertragung im diskontinuierlichen Modus erfolgt (Merkmal 7), bedeutet dies, dass es in jedem Übertragungsintervall einen Zeitpunkt gibt, zu dem das Gerät prüft, ob ihm Ressourcen zugewiesen werden, und dann gegebenenfalls sendet oder empfängt. Die Zuweisung von Allokationstabellen erfolgt im diskontinuierlichen Modus in "Auszeiten", typischerweise am Anfang des Übertragungsintervalls, wie dies beispielhaft sowohl in Figuren 3 und 4 des Streitpatents wie auch in Figur 3b und Figur 5a der BP7 dargestellt ist.

105Aus den von der Berufung herangezogenen Passagen der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 34, Abs. 41) ergibt sich nichts anderes. An diesen Stellen erläutert das Streitpatent lediglich, warum es sich von einer einheitlichen Länge des Übertragungsintervalls abkehrt und statt dessen zwei Übertragungsintervalle unterschiedlicher Länge vorschlägt. In diesem Zusammenhang wird eine Verkürzung des Intervalls, die gleichermaßen für die Datenübertragung und die wiederholte Datenübertragung greift, als ineffektiv abgelehnt.

106(2) BP7 beschreibt bereits, dass das Endgerät die Allokationsinformationen im Telekommunikationssystem nicht kontinuierlich überwachen muss.

107Eine solche kontinuierliche Überwachung wird in BP7 als nachteilig, weil energieaufwendig beschrieben (Abs. 9).

108Demgegenüber schlägt BP7 die Definition einer Zuordnungsregel und die Zuweisung von Ressourcen entsprechend dieser Regel vor. Bei einem solchen Vorgehen "weiß" das Endgerät, wann der nächste Zeitpunkt gekommen ist, zu dem es möglicherweise Informationen empfangen oder senden kann. Daher braucht es die Allokationsinformation nicht ständig zu überwachen, um herauszufinden, wann ihm das nächste Mal Übertragungsressourcen zugewiesen werden (Abs. 81).

109Wie bereits ausgeführt wurde, ist im zweiten zu Figur 3b erläuterten Anwendungsfall vorgesehen, dass bei Auftreten eines Fehlers eine zweite Zuordnungsregel greift und das Endgerät daraufhin die Überwachung auf Allokationsinformationen entsprechend dieser zweiten Zuordnungsregel in jedem nachfolgenden Rahmen vornimmt und die ihm zugewiesenen Ressourcen für eine wiederholte Datenübertragung nutzt (Abs. 97).

110(3) Dagegen ist die Verwendung eines HARQ-Timers in BP7 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Ob und auf welche Weise das Endgerät erfährt, zu welchem Zeitpunkt das kürzere Übertragungsintervall erstmals verwendet wird und ab wann es dafür auf die Übermittlung einer Allokationsinformation achten muss, ist BP7 nicht zu entnehmen.

111d) Das Patentgericht hat zutreffend entschieden, dass die Verwendung eines HARQ-Timers eine erfinderische Tätigkeit nicht begründet.

112Nach BP7 kann es sich bei der Regel, nach der das Nutzerendgerät gemäß der (zweiten) Kurzzeitregel die Allokationstabelle abhört, um eine periodische Regel handeln (Abs. 95). Die Periode kann dabei als eine Zeitspanne definiert werden (Abs. 86: time period). Diese Zeitspanne umfasst die Zeit zwischen der Mitteilung der fehlgeschlagenen Datenübertragung (NACK) und der anschließenden Übertragung der Allokationstabelle.

113Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass, Überlegungen anzustellen, mit welchen Mitteln er sicherstellen kann, dass die als Zeitspanne definierte Periode eingehalten wird und dabei die notwendige Zeit (NACK bis AT) eingeschlossen ist. Das Patentgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass hierfür der Einsatz eines Zeitgebers bzw. Timers vom Fachmann in den Blick genommen worden wäre. Dass dieser Ausgangspunkt des Patentgerichts auf unzutreffenden oder unvollständigen Annahmen beruht, zeigt die Berufung nicht auf. Soweit sie meint, ein Timer zur Sicherstellung der Periodizität sei kein Timer im Sinne von Merkmal 8.1', beruht dies auf einem - wie oben dargetan - zu engen Verständnis, das dem HARQ-Timer die Funktion zuweist, eine schnellere Übertragung von Wiederholungsübertragungsdaten ohne weitere und zusätzliche Signalisierung zu ermöglichen.

114Dass in dem Beispiel gemäß Figur 3b nach der (zweiten) Kurzzeitregel die Allokationstabelle jedes nachfolgenden Rahmens überwacht wird (Abs. 95), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Aus Absatz 86 ergibt sich hinreichend deutlich, dass auch für diesen Fall die Periode (alternativ) als zu überwachende Zeitspanne definiert werden kann. Insoweit besteht kein maßgeblicher Unterschied zu Fallgestaltungen, bei denen die Zeitspanne mehrere Rahmen einschließen würde. Dies steht in Einklang damit, dass BP7 eine permanente Überwachung der Allokationsinformationen als nachteilig ansieht (Abs. 81). Die Überwachung der Allokationstabelle jedes nachfolgenden Rahmens erweist sich vor diesem Hintergrund allenfalls als Extrembeispiel, bei dem die zu überwachende Zeitspanne besonders kurz ist.

115Wie das Patentgericht insoweit unbeanstandet festgestellt hat, lag es zudem nahe, den Timer mit der Nachricht über den fehlgeschlagenen Datenempfang (NACK) zu starten.

1165. Die weiteren Hilfsanträge 2'D', 2'E und 2'F verhelfen der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Dass deren zusätzliche Merkmale geeignet sind, eine erfinderische Tätigkeit gegenüber BP7 zu begründen, macht die Berufung mit Recht nicht geltend.

117Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, jedenfalls Hilfsantrag 2'D' sehe mit Merkmal 9' (wherein a scheduling DRX for HARQ re-transmissions is not limited to using a DRX interval used for the scheduling of data transmissions) auch für die wiederholte Datenübertragung den DRX-Modus zwingend vor, rechtfertigt dies aus den zu Hilfsantrag 2' genannten Gründen keine abweichende Beurteilung.

1186. Für die Hilfsanträge 4''neu und 4''neuD gilt nichts anderes.

119Ob (gemäß Merkmal 8.1') von einem oder (gemäß Merkmal 8.1''') von dem HARQ-Timer und von einem oder dem Endgerät die Rede ist, ist nicht ausschlaggebend.

120IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG mit § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:130624UXZR64.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-73156