Beschwer eines Verurteilen nach Wideruf der Einwilligung zur Aussetzung der Strafvollstreckung und Fortsetzung der Strafhaft
Gesetze: § 57 Abs 1 S 1 Nr 3 StGB, § 206a StPO, § 454 Abs 3 S 1 StPO
Gründe
11. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer am wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem rechtskräftig. Den darin getroffenen Feststellungen zufolge war der Verurteilte hauptamtlicher Kader der „Arbeiterpartei Kurdistans“ („Partiya Karkêren Kurdistan“, PKK).
2Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, die Vollstreckung des Strafrests nach der - bereits am erreichten - Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen, weil dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden könne (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).
3Gegen diese Entscheidung hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat er seine zuvor erteilte Einwilligung zur Aussetzung der Strafvollstreckung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB widerrufen und beantragt, den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben sowie das Verfahren einzustellen.
42. Das gemäß § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig. Es fehlt an einem Rechtsschutzbedürfnis.
5a) Für die beantragte Einstellung des Verfahrens ist kein Raum. Eine solche kommt analog § 206a Abs. 1 StPO zwar grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren in Betracht (s. etwa u.a., juris Rn. 1; Brandenburgisches , juris Rn. 2; beide mwN). Der Widerruf der Einwilligung zur Strafaussetzung bildet aber kein Verfahrenshindernis.
6Die Prüfung, ob die Strafvollstreckung zum Zweidritteltermin zur Bewährung ausgesetzt wird, ergeht vielmehr von Amts wegen (, BGHSt 27, 302, 304; OLG Dresden, Beschluss vom - 2 Ws 362/20, juris Rn. 11 mwN). Verfahrensrechtlich bedarf es weder eines Antrags des Verurteilten noch seiner Einwilligung. Die Zustimmung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB betrifft ausschließlich den sachlichen Inhalt der Entscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 ARs 366/77, BGHSt 27, 302, 304; vom - 2 ARs 5/16, BGHR StPO § 462a Abs. 1 S. 1 Befasstsein 2 Rn. 22 ff.; III-2 Ws 585/13 u.a., juris Rn. 7; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl., § 57 Rn. 13). Widerruft der Verurteilte im Beschwerdeverfahren seine ursprünglich erteilte Einwilligung, berührt dies deshalb (nur) die materiellen Voraussetzungen der Strafaussetzung (vgl. aber u.a., juris Rn. 8). Ein in erster Instanz erlassener Beschluss über die Anordnung oder Versagung der Strafaussetzung wird durch die Rücknahme der Zustimmung nicht gegenstandslos (vgl. insgesamt OLG Rostock, Beschluss vom - I Ws 254/01, juris Rn. 6 ff.; , juris Rn. 7 ff.; III-2 Ws 585/13 u.a., juris Rn. 6 ff.; OLG Celle, Beschluss vom - 1 Ws 69/17, OLGSt StGB § 57 Nr. 61; s. auch u.a., juris Rn. 8). Anderenfalls hätte es der Verurteilte etwa in der Hand, einer mit der Aussetzungsablehnung verbundenen Fristsetzung nach § 57 Abs. 7 StGB, § 454 Abs. 1 Satz 1 StPO nachträglich den Boden zu entziehen.
7b) Durch den angefochtenen Beschluss ist der Verurteilte in der hier gegebenen Fallkonstellation nicht beschwert. Denn dadurch, dass er seine ursprünglich erteilte Zustimmung zur Strafaussetzung wirksam zurückgenommen hat - dies ist auch noch im Beschwerdeverfahren möglich ( III-2 Ws 585/13 u.a., juris Rn. 7 mwN; OLG Celle, Beschluss vom - 1 Ws 373/16 u.a., juris Rn. 13; , juris Rn. 8; LK/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57 Rn. 22b; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 8.; vgl. auch , juris Rn. 3) -, hat er unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass er derzeit die Fortsetzung seiner Haft begehrt. Der angefochtene, die Strafaussetzung ablehnende Beschluss entspricht diesem Willen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für dessen Aufhebung besteht deshalb nicht (OLG Rostock, Beschluss vom - I Ws 254/01, juris Rn. 6 ff.; , juris Rn. 7 ff.; OLG Celle, Beschluss vom - 1 Ws 69/17, OLGSt StGB § 57 Nr. 61; s. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 454 Rn. 45; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 35; LK/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57 Rn. 22a).
8Auf die formale Beschwer, die darin liegt, dass der Vollzug der Strafhaft fortgesetzt wird (vgl. OLG Celle, Beschluss vom - 1 Ws 69/17, OLGSt StGB § 57 Nr. 61; u.a., juris Rn. 6), kommt es nicht maßgebend an. Denn der angefochtene Beschluss bestimmt nur, dass die Voraussetzungen für eine Entlassung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegen haben. Die hierfür angegebenen Gründe nehmen an der Rechtskraft nicht teil (LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Aufl., § 454 Rn. 102). Ist - wie hier - keine Frist nach § 57 Abs. 7 StGB gesetzt, kann der Verurteilte jederzeit einen Antrag auf Strafrestaussetzung zur Bewährung stellen und auf diese Weise das Oberlandesgericht zu einer erneuten Prüfung veranlassen (vgl. PfOLG Zweibrücken, Beschluss vom - 1 Ws 170/01 u.a., NStZ-RR 2001, 311; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 25, 33 mwN; Arnoldi, NStZ 2001, 503, 504).
Schäfer Berg Erbguth
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:240724BSTB41.24.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-73154