Instanzenzug: LG Mühlhausen Az: 1 Ks 860 Js 22675/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt und den Wert von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro eingezogen. Es hat den Angeklagten Al. Kh. wegen Anstiftung zur Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung und den Angeklagten Ar. Kh. wegen Anstiftung zur Körperverletzung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel offensichtlich unbegründet.
21. Die Überprüfung der Schuldsprüche, des Strafausspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten Ar. Kh. wegen Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) sowie der Einziehungsentscheidung gegen den Angeklagten K. hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
32. Hingegen haben die Strafaussprüche im Fall II.2 der Urteilsgründe keinen Bestand.
4a) Diesen liegen folgende Feststellungen und Wertungen zugrunde:
5aa) Am attackierte der Angeklagte K. im Auftrag der Angeklagten Al. und Ar. Kh. , hierfür hatte er von diesen 1.500 Euro als Vorschuss erhalten, den Nebenkläger durch Schläge und Tritte. Unmittelbar im Anschluss an den körperlichen Übergriff durch den Angeklagten K. steuerte ein unbekannter Fahrer einen Personenkraftwagen Audi A 3 zielgerichtet auf den Nebenkläger. Dieser erlitt bei der Kollision erhebliche Verletzungen. Feststellungen dazu, welche der Verletzungen der Nebenkläger im Rahmen der körperlichen Auseinandersetzung mit dem Angeklagten K. und welche Verletzungen er als Folge der Kollision mit dem Personenkraftwagen erlitt, waren der Strafkammer nicht möglich. Eine Tatbeteiligung der drei Angeklagten an dem gezielten Anfahren des Nebenklägers konnte die Strafkammer ebenfalls nicht feststellen.
6bb) Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfreien Feststellungen hat die Strafkammer die „objektiv ganz erheblichen Verletzungen“ des Nebenklägers allen drei Angeklagten bei der Strafzumessung nicht zugerechnet. Sie hat jedoch bei jedem Angeklagten die fortwirkenden psychischen Beeinträchtigungen des Nebenklägers in Form von Panikattacken und Schlafstörungen strafschärfend berücksichtigt, da es sich bei den festgestellten psychischen Folgen „um typische Folgen von auch ´einfachen` Körperverletzungsdelikten“ handle.
7b) Diese Wertung hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.
8aa) Abgesehen davon, dass die fortwirkenden psychischen Beeinträchtigungen des Nebenklägers in dem angegriffenen Urteil nicht belegt sind, fehlt es insbesondere an der Feststellung, dass die Ursächlichkeit des körperlichen Angriffs durch den Angeklagten K. für diese Tatfolgen außer Zweifel steht (vgl. hierzu , BGHSt 37, 179, 180; vgl. auch , juris Rn. 6; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 61. Ed., § 46 Rn. 42; MüKo-StGB/Maier, 4. Aufl., § 46 Rn. 245). Die objektive Ursächlichkeit der Tathandlung für etwaige „Auswirkungen der Tat“ ist die erste Voraussetzung für eine Einstellung als Zumessungstatsache. Erst wenn diese feststeht, kommt es in einem weiteren Prüfschritt darauf an, ob diese Auswirkungen für den die Tat ausführenden Angeklagten sowie für die ihn anstiftenden Tatbeteiligten im Lichte ihrer Tathandlungen vorhersehbar waren.
9bb) Feststellungen zur objektiven Ursächlichkeit der Körperverletzung für die beim Nebenkläger festgestellten Tatfolgen hat die Strafkammer nicht getroffen. Eine ausreichende Mitursächlichkeit der Körperverletzung für die psychischen Beeinträchtigungen des Nebenklägers versteht sich angesichts der Massivität des weiteren Tatgeschehens auch nicht von selbst. Der Nebenkläger ist von dem Audi A 3 mit einer Geschwindigkeit von 30-40 km/h angefahren und, im Sprung befindlich, über einen angrenzenden Bürgersteig und eine circa 2 m hohe Hecke geschleudert worden, bevor er auf der anderen Seite der Hecke auf einen mit Rasengittersteinen gepflasterten Parkplatz aufschlug. Zudem war der Nebenkläger bereits in der Vergangenheit in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Familie der Angeklagten Al. und Ar. Kh. involviert, ohne dass den Feststellungen zu entnehmen wäre, dass er seinerzeit fortdauernde psychische Beeinträchtigungen davongetragen hätte.
10c) Der Rechtsfehler führt bei allen drei Angeklagten zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II.2 der Urteilsgründe. Dies bedingt bei dem Angeklagten Ar. Kh. die Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen durch das neue Tatgericht sind wie stets möglich.
113. Darüber hinaus waren alle drei Angeklagten von dem Vorwurf des gemeinschaftlich versuchten Mordes zum Nachteil des Nebenklägers in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr freizusprechen.
12a) In der insoweit unverändert zugelassenen Anklageschrift vom wird allen drei Angeklagten mittäterschaftlich neben den Verletzungshandlungen durch den Angeklagten K. auch der kurz darauf erfolgte Angriff mit dem von einem Unbekannten gesteuerten Kraftfahrzeug des Typs Audi A 3 als ein in natürlicher Handlungseinheit begangener Mordversuch in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zur Last gelegt. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hat sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht bestätigt. Das Schwurgericht konnte nicht ausschließen, dass sich die Insassen des Audi A 3 nach Beendigung des von dem Angeklagten K. verübten Angriffs spontan und ohne Beteiligung der drei Angeklagten entschlossen, den Nebenkläger zu überfahren. In einem solchen Fall sind die Angeklagten, worauf der Generalbundesanwalt in seinen Zuschriften zutreffend hingewiesen hat, von dem nicht zur Verurteilung führenden Vorwurf freizusprechen, um den Umfang des Verbrauchs der Strafklage klarzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 8/14, juris Rn. 2; vom – 2 StR 140/23, juris Rn. 2; Löwe/Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 260 Rn. 54).
13b) Der Senat hat die Urteilsformel bei den Angeklagten K. und Al. Kh. um den danach erforderlichen Teilfreispruch ergänzt (§ 354 Abs. 1 StPO). Bei dem Angeklagten Ar. Kh. erübrigt sich dies, weil das Landgericht ihn ausweislich der Urteilsformel bereits „im Übrigen […] freigesprochen“ hat.
144. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Nach dem Wegfall des die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründenden Tatvorwurfs des versuchten Mordes verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050624B2STR401.23.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-73019