Online-Nachricht - Donnerstag, 08.08.2024

Körperschaftsteuer | Steuererhöhung durch Auszahlungen an die Mitglieder infolge der Herabsetzung des genossenschaftlichen Geschäftsanteilswerts (BFH)

Auszahlungen an die Mitglieder einer Genossenschaft infolge der Herabsetzung des Geschäftsanteilswerts sind eine "Leistung" im Sinne von § 38 Abs. 1 und 2 KStG, die zu einer Körperschaftsteuererhöhung führen kann (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 KStG erhöht sich die Körperschaftsteuer des VZ, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Leistungen erfolgen, um 3/7 des Betrags der Leistungen, für die ein Teilbetrag aus dem Endbetrag im Sinne des Absatzes 1 als verwendet gilt (Körperschaftsteuererhöhung). Nach § 38 Abs. 1 Satz 3 KStG verringert sich der in Satz 1 geregelte positive Endbetrag jeweils, soweit er als für Leistungen verwendet gilt. Er gilt nach Satz 4 des § 38 Abs 1 KStG als verwendet, soweit die Summe der Leistungen, die die Gesellschaft im Wirtschaftsjahr erbracht hat, den um den Bestand des Satzes 1 verminderten ausschüttbaren Gewinn (§ 27 KStG) übersteigt. Nach Satz 6 des § 38 Abs. 1 KStG stellt die Rückzahlung von Geschäftsguthaben an ausscheidende Mitglieder von Genossenschaften, soweit es sich dabei nicht um Nennkapital im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG handelt, keine Leistung im Sinne der Sätze 3 und 4 dar.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c des KStG in der für das Streitjahr 2018 geltenden Fassung (KStG) von der Körperschaftsteuer befreite eingetragene Genossenschaft, die als Molkerei Milch und Milchprodukte vermarktet. An ihr waren Landwirte beteiligt, die in Abhängigkeit von der gelieferten Menge Genossenschaftsanteile gezeichnet hatten. Die Anzahl der zu zeichnenden Genossenschaftsanteile wurde in einem 3 Jahres-Rhythmus an die vom Landwirt gelieferten Mengen angepasst.

Mit Schreiben v. hatte die Klägerin einen Antrag zur Weiteranwendung des § 38 KStG in der am geltenden Fassung gestellt. Dadurch kam es bei ihr nicht zu einer ausschüttungsunabhängigen Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags gemäß § 38 Abs. 5 und 6 KStG i.d.F. des JStG 2008.

Die Generalversammlung der Klägerin beschloss am im Jahr 2017 die Herabsetzung des Werts je Geschäftsanteil der Genossenschaftsmitglieder von 75 € auf 1 €. Die Eintragung ins Genossenschaftsregister erfolgte am xx.xx.2017. Der Gesamtbetrag der Herabsetzung wurde zum als Verbindlichkeit gegenüber den Genossenschaftsmitgliedern in der Bilanz der Klägerin erfasst. Im März 2018 erfolgte nach Ablauf der sechsmonatigen Gläubigerschutzfrist nach § 22 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) die tatsächliche Auszahlung der Herabsetzungsbeträge an die Genossenschaftsmitglieder. Dabei entfielen … € auf die zum ausgeschiedenen und … € auf die in der Genossenschaft verbliebenen Mitglieder.

Das FA stellte u.a den Bestand des sog. EK 02 zum fest. Es ging davon aus, dass die Auszahlung an die Genossenschaftsmitglieder eine Leistung darstelle, die mit Wirkung im Auszahlungsjahr eine Körperschaftsteuererhöhung gemäß § 38 Abs. 1 und 2 KStG auslöst. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instant Erfolg ().

Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und wiesen die Klage ab:

  • Unstreitig sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den Ansatz einer Körperschaftsteuererhöhung erfüllt - abgesehen vom Tatbestandsmerkmal der "Leistung".

  • Die im März 2018 vollzogene Auszahlung der Herabsetzungsbeträge an die Mitglieder der Genossenschaft ist entgegen der Auffassung der Klägerin und des FG eine "Leistung" im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 3 und 4, Abs. 2 Satz 1 KStG.

  • Der in § 38 Abs. 1 und 2 KStG verwendete Leistungsbegriff erfasst bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Zahlungsvorgänge jeglicher Art.

  • Auch im juristischen Sprachgebrauch sind Zahlungen ohne Weiteres vom Begriff der Leistung umfasst. So wird dieser Begriff in der Rechtsprechung dahin definiert, dass alle Auskehrungen an den Gesellschafter gemeint sind, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben (, BStBl II 2014, 398).

  • Bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte des § 38 Abs. 1 KStG. So zeigt die Gesetzesbegründung zum JStG 2027 (BT-Drucks 16/2712, S. 72 f.), dass der Gesetzgeber des JStG 2007 mit der "Weiterverwendung" des weiten Leistungsbegriffs die Rückzahlung von Nennkapital und die Rückgewähr von Einlagen als tatbestandsauslösend qualifiziert hat.

  • Zum anderen verdeutlicht die Einfügung der genossenschaftsspezifischen Sonderregelung des § 38 Abs. 1 Satz 6 KStG, dass das von der Vorinstanz der Sache nach angezogene "argumentum a minore ad maius" nicht zulässig ist. Der Gesetzgeber ging im Allgemeinen davon aus, dass Nennkapitalrückzahlungen den Leistungsbegriff erfüllen. Nur in dem besonderen Fall, dass Mitglieder gegen Rückzahlung ihrer Geschäftsguthaben aus einer Genossenschaft austreten, ist davon eine Ausnahme zu machen. § 38 Abs. 1 Satz 6 KStG hat damit einen konstitutiven Charakter

  • Da die Regelungsabsichten des Gesetzgebers, wonach zwecks Sicherstellung der Nachversteuerung des EK 02 grundsätzlich auch Nennkapitalrückzahlungen und die Einlagenrückgewähr eine Körperschaftsteuererhöhung auslösen können, wovon (nur) beim Austritt von Mitgliedern einer Genossenschaft Ausnahmen zu machen sind, in den Gesetzesmaterialien und im Gesetzeswortlaut klar zum Ausdruck gekommen sind, ist für eine teleologische Reduktion oder eine rechtsformspezifische Interpretation des Leistungsbegriffs oder für eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 1 Satz 6 KStG für den streitgegenständlichen Fall der Zurückzahlung von Geschäftsguthaben nach einem Herabsetzungsbeschluss im Sinne des § 22 Abs. 1 GenG kein Raum.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
YAAAJ-72711