Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 21 KLs 21/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Entscheidung über den Vorwegvollzug getroffen. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam. Da diese nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erklärt worden ist, handelt es sich bei ihr um eine Teilrücknahme des ursprünglich unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels. Deswegen bedurfte der Verteidiger hierzu nach § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten (, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 7 Rn. 2), an der es hier jedoch fehlt.
32. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte einen schwunghaften Drogenhandel zur Schaffung einer dauerhaften Einnahmequelle für die Finanzierung seines eigenen Rauschgiftkonsums. Dabei kam es zu den folgenden Taten:
4Er verkaufte im Zeitraum vom bis zum aus einer einheitlichen Menge von 400 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 54,8 Gramm THC bei mindestens 31 Gelegenheiten zumeist kleinere Einheiten an verschiedene Abnehmer weiter (Ziffer II. 1. der Urteilsgründe). Diese Tat hat das Landgericht rechtlich als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.
5Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am wurden 31,2 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 30,89 Gramm Kokainhydrochlorid sowie 134,9 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 18,48 Gramm THC aufgefunden. Die Hälfte des Marihuanas sowie das gesamte Kokain waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. In unmittelbarer Nähe der Drogen hielt der Angeklagte ein Fleischermesser mit 18 cm langer Klinge sowie einen Teleskopschlagstock bereit, um das Kokain und das Marihuana notfalls verteidigen zu können (Ziffer II. 2. der Urteilsgründe). Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen dieser Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen.
63. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der - nach der zum Urteilszeitpunkt geltenden Gesetzeslage ebenfalls rechtsfehlerfreie - Schuldspruch zu ändern. Denn nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO ist vom Revisionsgericht das zum in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG; BGBl. 2024 I Nr. 109) zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern allein dem Konsumcannabisgesetz (vgl. , juris Rn. 2).
7Der Angeklagte hat sich danach durch die Tat zu Ziffer II. 1. der Urteilsgründe des Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG strafbar gemacht. Obgleich die Handelsmenge die Grenze zur nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC überschritt (vgl. , juris Rn. 11 ff.), ist dies aufgrund der Ausgestaltung als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) nicht in den Schuldspruch aufzunehmen (vgl. , juris Rn. 7).
8Im Fall II. 2. der Urteilsgründe bleibt es bezüglich des zum Verkauf vorrätig gehaltenen Kokains bei einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Hinsichtlich des für den Verkauf bestimmten Marihuanas unterfällt die Tat nach neuer Rechtslage dem Straftatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG, hinsichtlich der für den Eigenkonsum vorgesehenen - 60 Gramm übersteigenden - Menge dem des Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG. Diese Straftatbestände stehen zueinander in Tateinheit.
9§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
104. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
11Hinsichtlich der Tat zu Ziffer II. 1. der Urteilsgründe ist die Strafkammer von einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren ausgegangen, sodass der nunmehr zur Anwendung zu bringende Strafrahmen - auch bei Annahme eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 4 KCanG - deutlich milder ist. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht auf dieser Grundlage eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte.
12Entsprechendes gilt für die Tat zu Ziffer II. 2. der Urteilsgründe. Zwar bestimmt sich die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 StGB weiterhin nach dem Strafrahmen des § 30a Abs. 1 und 2 BtMG. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung der gesetzgeberischen Wertung, nach der ausweislich der milderen Strafrahmen aus § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 und Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG den hier tateinheitlich verwirklichten Delikten ein geringerer Unrechts- und Schuldgehalt zukommt, die Freiheitsstrafe niedriger bemessen hätte.
13Infolge der Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen kann auch die Gesamtstrafe keinen Bestand haben.
145. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Die Aufhebung des Strafausspruchs entzieht allerdings dem Ausspruch über den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 StGB die Grundlage.
156. Der Senat weist für den neuen Rechtsgang darauf hin, dass der Umstand, Cannabis sei eine „weiche Droge“, keine strafmildernde Wirkung mehr entfaltet, weil das Konsumcannabisgesetz ausschließlich den Umgang mit dieser Droge regelt (vgl. , juris Rn. 8).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260624B3STR63.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-72696