NWB Nr. 32 vom Seite 2153

§ 3b EStG kennt nur einen Grundlohn

Dr. Lukas Hilbert | Diplom-Kaufmann, M.I.Tax, Bonn | Herausgeber des Stichwort-Fachkommentars Hilbert/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer | www.lhilbert.de

BFH zu steuerfreien Zuschlägen bei Bereitschaftsdiensten

Im jüngsten BFH-Urteil VI R 1/22 vom zum § 3b EStG zur Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ging es um eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Die Mitarbeiter der Einrichtung betreuen die in Wohngruppen lebenden Jugendlichen und Kinder auch in der Nacht, was nach den arbeitsvertraglichen Regelungen als Bereitschaftsdienst behandelt wird. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Betreuungspersonals betrug im Streitzeitraum bei Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich 39 Stunden; für sie wurde eine monatliche Regelvergütung, das sog. Tabellenentgelt, gezahlt. Die Bereitschaftsdienstzeit wurde nur zu 25 % als Arbeitszeit entgolten. Daneben erhielten die Mitarbeiter für den Bereitschaftsdienst in den Nachtstunden je tatsächlich geleisteter Stunde einen Zeitzuschlag in Höhe von 15 % des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts. Der Zeitzuschlag für die Zeit von 0:00 Uhr bis 6:00 Uhr wurde steuerfrei ausgezahlt und in entsprechenden Aufzeichnungen dokumentiert.

Das Finanzamt vertrat die Ansicht, die den Beschäftigten gezahlten Zuschläge hätten über den in § 3b Abs. 1 EStG normierten Höchstgrenzen gelegen und seien insoweit zu Unrecht steuerfrei ausgezahlt worden. Als Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit der Zuschläge und damit als Grundlohn nach § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG sei nicht das Tabellenentgelt, sondern lediglich das Entgelt für den Bereitschaftsdienst anzusetzen. Dem widersprachen zunächst die Vorinstanz und nun zudem der BFH. Der in der Regelung definierte Grundlohn steht dem Arbeitnehmer zu, wenn er diesem – bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit – für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung geschuldet wird. Grundlohn ist als laufender Arbeitslohn demnach das dem Mitarbeiter regelmäßig zustehende Arbeitsentgelt, mithin das Monatsgehalt, der Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütungen, laufende Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen. Dies trifft im Streitfall (nur) auf das Tabellenentgelt zu, das damit die maßgebliche Größe darstellt, nach der die Steuerfreiheit der Zuschläge ihrer maximalen Höhe nach zu berechnen ist (ebenfalls mit diesem Ergebnis bereits Stöber, NWB 51/2023 S. 3496).

Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen durfte der Bereitschaftsdienst nur angeordnet werden, wenn zu erwarten war, „dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt“. Dies steht der Steuerfreiheit jedoch nicht im Wege, denn eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Begünstigung nicht (vgl. , BStBl 2022 II S. 209).

Die neue Entscheidung steht dem früheren Senatsurteil VI R 64/96 vom (BStBl 2002 II S. 883) entgegen – dort allerdings ergangen zum Fall einer Rufbereitschaft. Betrachtet man die Rechtsprechungsentwicklung der letzten Jahre zu § 3b EStG, so ist das aktuelle Urteil als konsequent und (folge-)richtig einzustufen. Es führt zu einer erweiterten Anwendbarkeit der einkommensteuerlichen Befreiungsregelung und dürfte von Arbeitgebern sowie Mitarbeitern in den betroffenen Branchen und von deren Beratern dementsprechend positiv aufgenommen werden.

Lukas Hilbert

Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 2153
DAAAJ-72303