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BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 12/24

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Naumburg Az: 1 AGH 1/23

Gründe

I.

1Der im Jahr 1961 geborene Kläger ist seit September 1990 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte seine Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

31. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

4Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 44/19, juris Rn. 3 mwN; BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542, 543).

5Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage zu Recht mit der jedenfalls im Ergebnis zutreffenden Begründung zurückgewiesen, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids erfüllt waren.

6a) Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof bei seiner Entscheidung nicht die ihm bei der vorliegenden Anfechtungsklage gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zustehende Prüfungskompetenz überschritten, indem er sich nicht auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der im Bescheid angegebenen Begründung der Beklagten beschränkt, sondern eine eigenständige Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vorgenommen und dabei auch Tatsachen berücksichtigt hat, die die Beklagte nicht zur Begründung herangezogen hatte. Der Anwaltsgerichtshof war - ebenso wie nunmehr der Senat - bei Prüfung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht auf die im Bescheid angegebene Begründung der Beklagten beschränkt.

7aa) Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt ein Verwaltungsakt der gerichtlichen Aufhebung, soweit er rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Darin kommt die Verpflichtung der Gerichte zum Ausdruck zu prüfen, ob ein angefochtener Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Jedenfalls bei - wie hier - gebundenen Verwaltungsentscheidungen haben die Gerichte bei dieser Prüfung alle einschlägigen Rechtsvorschriften und nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht. Etwas anderes gilt nur, wenn die anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen anderer Tatsachen zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führte (vgl. BVerwGE 64, 356, 357 f.; 69, 198, 201; 80, 96, 98 = juris Rn. 13; 146, 347 Rn. 38; 153, 234 Rn. 28; NVwZ 2009, 253, 254; NVwZ-RR 2010, 636; NVwZ 2017, 1207 Rn. 10; NVwZ-RR 2020, 113 Rn. 24; BeckOK VwGO/Decker, § 113 Rn. 12[Stand: ]; Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 23, 24, 29 f.; Sodan/Ziekow/Wolff, VwGO, 5. Aufl., § 113 Rn. 26).

8Gemäß der in § 86 Abs. 1 VwGO geregelten Sachaufklärungspflicht ist das Gericht verpflichtet, eine Sache spruchreif zu machen. Es darf sich daher bei einer gebundenen Verwaltungsentscheidung nicht damit begnügen, deren Rechtswidrigkeit festzustellen, sondern es muss alle für die Entscheidung maßgeblichen Umstände in eigener Verantwortung ermitteln, unabhängig davon, ob sie von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt wurden oder nicht (vgl. Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 16. Aufl., § 86 Rn. 36 mwN). In diesem Rahmen ist das Gericht, wie sich aus § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt, insbesondere auch zur Beiziehung von Akten befugt. Eine Bindung an das Vorbringen der Parteien besteht dabei gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht.

9bb) Danach hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht eine eigenständige Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vorgenommen und den angefochtenen Bescheid nicht allein deshalb aufgehoben, weil die Beklagte sich in ihrer dortigen Begründung fehlerhaft auf eine Beweislastumkehr zu Lasten des Klägers aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO gestützt hat, deren Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass der Anwaltsgerichtshof bei seiner Feststellung von Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Klägers in tatsächlicher Hinsicht auch auf die im Widerrufsbescheid der Beklagten nicht konkret aufgeführten Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger seit dem Jahr 2019 abgestellt hat, die er den von ihm im Verfahren beigezogenen Personalakten der Beklagten entnommen hat.

10Die vom Kläger dagegen angeführte Ansicht in der Literatur (W.-R. Schenke/ R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl., § 113 Rn. 75 ff.) führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist ein inhaltlich fehlerhaft begründeter Verwaltungsakt zwar grundsätzlich rechtswidrig, seine Aufhebung durch das Gericht im Hinblick auf den dolo-agit-Grundsatz aber gleichwohl unzulässig, wenn feststeht, dass er im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Das ist, wie im Folgenden ausgeführt, hier der Fall.

11b) Der Anwaltsgerichtshof hat in der Sache jedenfalls im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Kläger sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO befunden (dazu unter aa) und bb)) und dadurch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden bestanden hat (dazu unter cc)).

12aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten (BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (B) 119/09, juris Rn. 12; vom - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 40/13, juris Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 68/19, juris Rn. 6 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 14). Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen, wird ein Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO vermutet.

13Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung muss der Rechtsanwalt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 5 und vom - AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 9; jeweils mwN).

14Lassen Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Vollstreckungshandlungen den Schluss auf einen Vermögensverfall des Rechtsanwalts zu, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids gegen ihn bestanden und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (vgl. AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 14; Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 68/19, juris Rn. 6 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 24). Dabei ist er kraft seiner Mitwirkungslast gemäß § 32 Satz 1 BRAO, § 26 Abs. 2 VwVfG bereits im Widerrufsverfahren gehalten darzulegen, ob und wie er die gegen ihn gerichteten Forderungen tilgen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 20; vom - AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 9 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 24). Von einem Vermögensverfall kann in diesem Fall nur dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Rechtsanwalt sich in Vergleichs- und Ratenzahlungsvereinbarungen mit seinen Gläubigern zur ratenweisen Tilgung seiner Verbindlichkeiten verpflichtet hat, diesen Ratenzahlungen nachkommt und währenddessen keine (weiteren) Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 7 und vom17. November 2020 - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 24). Außerdem bedarf es auch zur Entkräftung vorliegender Beweisanzeichen der Vorlage eines vollständigen und detaillierten Verzeichnisses der Gläubiger und Verbindlichkeiten und konkreten Darlegung nachhaltig geordneter Vermögens- und Einkommensverhältnisse (Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 32/19,ZInsO 2019, 2520 Rn. 7 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 25).

15bb) Ausgehend davon rügt der Kläger zwar zu Recht, dass der Anwaltsgerichtshof in seiner Begründung die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls mit der Feststellung des Vermögensverfalls aufgrund von Beweisanzeichen vermengt hat, indem er zunächst festgestellt hat, dass kein Fall der gesetzlichen Vermutung, sondern (nur) Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Klägers vorliegen, dann aber daraus eine "Vermutung" des Vermögensverfalls gefolgert hat, aufgrund derer der Vermögensverfall nicht mehrpositiv festgestellt werden müsse, bevor er anschließend wiederum festgestellt hat, dass der Kläger diese Vermutung nicht "entkräftet" habe.

16Das ändert aber nichts daran, dass der Anwaltsgerichtshof in der Sache zutreffend festgestellt hat, dass im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung am Beweisanzeichen im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des Senats vorlagen, die den Schluss auf einen Vermögensverfall zuließen, und der Kläger diesen Schluss nicht wie geboten entkräftet hat. Die dagegen erhobenen Einwände des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung.

17(1) Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht sowohl das gegen den Kläger am ergangene Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Sangerhausen, mit dem der Kläger zur Zahlung von 2.891,12 € an eine Rechtsschutzversicherung verurteilt worden war, als auch die Mitteilungen der Obergerichtsvollzieherin vom und vom zum Vollstreckungsauftrag DR II 508/22 über eine Forderung von 5.143,04 € als Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall gewertet.

18(a) Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Anwaltsgerichtshofs unter Vorlage eines Überweisungsträgers vorgetragen hat, die im Anerkenntnisurteil titulierte Forderung am beglichen zu haben, hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend für die hier maßgebliche Beurteilung der Vermögenssituation im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung für unerheblich erachtet (st. Rspr., vgl. nur AnwZ (Brfg) 65/19, juris Rn. 18 mwN).

19(b) Dass die Obergerichtsvollzieherin in ihrer Mitteilung vom zum Vollstreckungsauftrag DR II 508/22 mitgeteilt hatte, sie habe den Zwangsvollstreckungsauftrag an den Gläubigervertreter zurückgesandt, weil der Kläger die Ratenzahlung nicht eingehalten habe, und habe dem Gläubigervertreter mitgeteilt, dass für das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft der Gerichtsvollzieher am Wohnsitz des Klägers zuständig sei, lässt die Indizwirkung ihrer Mitteilungen entgegen der Ansicht des Klägers nicht entfallen. Wie der Anwaltsgerichtshof auch hier zutreffend ausgeführt hat, ändert die Rücksendung des Vollstreckungsauftrags durch die Obergerichtsvollzieherin nichts daran, dass es wegen der betreffenden Forderung zu einer Vollstreckungsmaßnahme gegen den Kläger gekommen war, die nach der Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin nicht zu einer (vollständigen) Tilgung der Forderung geführt hatte.

20Soweit der Kläger meint, das lasse noch nicht den Schluss zu, dass dies auch noch im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung im März 2023 der Fall gewesen sei, weswegen der Anwaltsgerichtshof die dahinterliegenden Umstände habe aufklären müssen, verkennt er die ihm nach den obigen Grundsätzen obliegende Mitwirkungslast. Danach hätte es in Anbetracht der Mitteilungen der Obergerichtsvollzieherin dem Kläger oblegen, bereits im Widerrufsverfahren, aber auch im gerichtlichen Verfahren (vgl. AnwZ (Brfg) 8/23, juris Rn. 20) zur weiteren Entwicklung der Vollstreckungsmaßnahme bzw. zur Tilgung der ihr zugrundeliegenden Forderung vorzutragen. Entsprechender Vortrag ist aber auch mit seinem Zulassungsantrag nicht erfolgt.

21(2) Außerdem hat der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zutreffend darauf abgestellt, dass es ausweislich der beigezogenen Personalakte des Klägers bereits seit dem Jahr 2019 Mitteilungen über ausgebrachte Zwangsvollstreckungen gegen ihn wegen offener Forderungen im drei- und vierstelligen Bereich gegeben hat.

22Hierzu hat der Anwaltsgerichtshof festgestellt, dass die Beklagte ausweislich der Personalakte in den Jahren 2019 und 2021 nach Mitteilung von Vollstreckungsmaßnahmen wegen Forderungen in Höhe von 611,99 € (in 2019) und 636,98 € (in 2021) Verfahren zur Überprüfung der Vermögensverhältnisse des Klägers eingeleitet, nach Ausgleich der jeweiligen Forderungen durch den Kläger aber wieder eingestellt hatte. Im Jahr 2020 hatte eine Krankenkasse wegen einer offenen Forderung in Höhe von 3.751,56 € die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers beantragt, diesen Antrag aber nach Begleichung der Forderung wieder zurückgenommen, worauf das Insolvenzeröffnungsverfahren eingestellt worden war. Am hatte die Obergerichtsvollzieherin einen Vollstreckungsauftrag gegen den Kläger wegen einer Forderung in Höhe von 4.793,76 € (DR II 103/22) sowie am einen weiteren Vollstreckungsauftrag wegen einer Forderung in Höhe von 648,70 € (DR II 415/22) mitgeteilt. Letzterer hatte sich nach ihrer Mitteilung vom durch Zahlung erledigt. Die Richtigkeit dieser Feststellungen hat der Kläger nicht bestritten.

23Dass der Anwaltsgerichtshof auch darin ein Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Klägers gesehen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar kann bei Erfüllung von Forderungen im Zuge einer Beitreibung nicht ohne Weiteres von ungeordneten Vermögensverhältnissen ausgegangen werden (vgl. AnwZ (B) 59/06, AnwBl 2006, 67 f.). Werden jedoch - wie hier - Forderungen in der hier in Rede stehenden Größenordnung über mehrere Jahre hinweg wiederholt erst unter dem Eindruck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder gar nicht beglichen, kann auch dies ein Indiz sein.

24(3) Aus diesen Beweisanzeichen hat der Anwaltsgerichtshof insgesamt zu Recht den Schluss gezogen, dass der Kläger sich im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall befunden hat. Die Auffassung des Klägers, hierfür bedürfe es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der weiteren - hier fehlenden - Feststellung, dass und weshalb er diese schlechten finanziellen Verhältnisse in absehbarer Zeit nicht werde ordnen können, trifft nicht zu. Wie sich bereits aus den oben dargelegten Grundsätzen ergibt, obliegt es bei Vorliegen von Beweisanzeichen wie offenen Forderungen, Titeln oder Vollstreckungshandlungen dem betroffenen Rechtsanwalt, bereits im Widerrufsverfahren, aber auch im gerichtlichen Verfahren darzulegen, ob und wie er die gegen ihn gerichteten Forderungen tilgen kann. Dementsprechend obliegt ihm auch die Darlegung der zu erwartenden künftigen Entwicklung seiner finanziellen Situation bzw. von Prognosekriterien, die eine nachhaltige Ordnung und Konsolidierung erwarten lassen (vgl. AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 7, 9).

25(4) Den aus den vorliegenden Beweisanzeichen folgenden Schluss auf seinen Vermögensverfall im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung hat der Kläger nicht entkräftet. Er hat weder im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof noch mit seinem Zulassungsantrag ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner damaligen Gläubiger und Verbindlichkeiten vorgelegt und dargetan, wie er diese Verbindlichkeiten - bezogen auf den damaligen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte, noch hat er konkret dargelegt, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse damals geordnet waren.

26cc) Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den damaligen Vermögensverfall des Klägers bejaht.

27Der Anwaltsgerichtshof hat auch hier die ständige Rechtsprechung des Senats zutreffend zugrunde gelegt, nach der aufgrund der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden ist. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann sie im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (st. Rspr.; siehe etwa Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 29/22, juris Rn. 12; vom - AnwZ (Brfg) 33/22, ZInsO 2023, 1951 Rn. 11 und vom - AnwZ (Brfg) 24/23, ZRI 2023, 952 Rn. 13).

28Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, hat der Kläger nicht vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

29dd) Dass der Anwaltsgerichtshof, wie der Kläger rügt, möglicherweise verkannt hat, dass sich die vom Kläger erhobene Rüge eines Begründungsmangels nicht auf die formelle Begründungspflicht der Beklagten bezog, sondern auf die inhaltliche (Un-)Richtigkeit ihrer Begründung, ist unschädlich, da die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht entscheidungserheblich sind.

30ee) Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Anwaltsgerichtshof den Widerruf der Zulassung unter Hinweis auf die bei nachträglichem Wegfall des Widerrufsgrunds jederzeit bestehende Möglichkeit eines Antrags auf Wiederzulassung nicht als unverhältnismäßig angesehen hat. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Alters des Klägers. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern es dem im Jahr 1961 geborenen Kläger unzumutbar sein sollte, die von ihm behauptete zwischenzeitliche Konsolidierung seiner finanziellen Verhältnisse in einem Wiederzulassungsverfahren darzulegen und zu belegen, besteht für ihn außerdem die Möglichkeit einer Anstellung in einer Sozietät mit den oben genannten Vorkehrungen zur Sicherung der Interessen der Mandanten. Dass der Kläger in fortgeschrittenem Alter möglicherweise geringere Aussichten auf eine solche Anstellung hat als jüngere Rechtsanwälte, rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Senats keine andere Beurteilung (vgl. AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 17, 19).

312. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

32a) Nach Ansicht des Klägers wirft der Rechtsstreit die grundsätzliche Rechtsfrage auf, "welche Konsequenzen die unterbliebene Mitwirkung (Anm.: des Klägers) in Bezug auf den durch die Beklagte zu führenden Nachweis des Vermögensverfalls" habe, konkret, ob diese unterbliebene Mitwirkung - wie der Anwaltsgerichtshof hier unterstellt habe - zu einer Vermutung des Vermögensverfalls führe. Das sei richtigerweise mangels Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage wie etwa im Recht der Fahrerlaubnis (§ 14 FeV) zu verneinen.

33b) Damit ist der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung schon nicht hinreichend dargelegt. Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist ( AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 25). Daran fehlt es.

34c) Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist überdies mit der oben dargelegten ständigen Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensverfalls geklärt (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 9). Danach obliegt es dem betroffenen Rechtsanwalt gemäß § 32 Satz 1 BRAO, § 26 Abs. 2 VwVfG bereits im Widerrufsverfahren sowohl bei Eingreifen der gesetzlichen Vermutung als auch bei Vorliegen von Beweisanzeichen, diese durch Vorlage eines vollständigen und detaillierten Verzeichnisses seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten und konkrete Darlegung einer nachhaltigen Ordnung seiner Vermögensverhältnisse sowie Darlegung evtl. Vereinbarungen und deren Umsetzung zur Tilgung von Verbindlichkeiten zu widerlegen bzw. zu entkräften. Kommt er dieser Mitwirkungslast nicht in der gebotenen Weise nach, geht dies zu seinen Lasten.

353. Weitere Zulassungsgründe werden vom Kläger nicht ausdrücklich geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist dem Anwaltsgerichthof kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

36Wie oben ausgeführt hat der Anwaltsgerichtshof weder den ihm gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zustehenden Prüfungsumfang überschritten noch die Grenzen der ihm nach § 86 VwGO obliegenden Sachaufklärungspflicht verkannt. Soweit der Kläger die Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, weil der Anwaltsgerichtshof ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass er auch Geschehnisse seit dem Jahr 2019 berücksichtigen werde, die er den beigezogenen Personalakten des Klägers entnommen habe, fehlt es an einer Darlegung, was der Kläger auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte und inwiefern dies entscheidungserheblich gewesen wäre (vgl. AnwZ (Brfg) 71/19, juris Rn. 7 mwN). Wie oben ausgeführt hat der Kläger die Richtigkeit der Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs zu den früheren Vollstreckungsmaßnahmen als solche nicht bestritten und ist deren Berücksichtigung bei der Gesamtwürdigung der Vermögenssituation des Klägers im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden.

III.

37Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230524BANWZ.BRFG.12.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-72251