BGH Beschluss v. - 2 StR 122/24

Instanzenzug: LG Aachen Az: 61 KLs 13/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er das Fehlen einer Prozessvoraussetzung und eine Verletzung des materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Prozessvoraussetzung einer wirksamen Anklage liegt entgegen der Auffassung der Revision vor. § 32b Abs. 3 Satz 2 StPO findet nur dann Anwendung, wenn die Akten elektronisch geführt werden, was nicht der Fall ist.

32. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zu Fall II. 1 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.

43. Indes kann die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Die Annahme von zwei selbständigen Taten ist durch die Urteilsgründe nicht belegt. Die vom Angeklagten am 17. und jeweils mit dem EncroChat-Teilnehmer „c.  “ geführte Kommunikation legt – wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat – nahe, dass sie dieselbe Lieferung von Marihuana betraf. Die Annahme zweier Handelsgeschäfte hätte daher näherer Erörterung bedurft, die die Urteilsgründe vermissen lassen. Soweit der Angeklagte daher in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe verurteilt ist, unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung mit den Feststellungen.

54. Zu Fall II. 4 der Urteilsgründe bedarf der Schuldspruch einer Anpassung aufgrund der Änderungen durch das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsgerichtlichen Kontrolle abzustellen ist.

6a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Fall II. 4 der Urteilsgründe bot der Angeklagte für einen unbekannten Hintermann als Vermittler einem Kaufinteressenten konkret die Lieferung von 15 bis 20 kg Marihuana der Sorte Amnesia mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 10% THC zum Preis von 4.300 €/kg an. Das Geschäft kam nicht zustande.

7b) Mit Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes finden die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG für Marihuana, ein Produkt der Cannabispflanze (§ 1 Nr. 4 KCanG), keine Anwendung mehr. Das festgestellte Tatgeschehen stellt sich nunmehr gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis dar.

8Hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebenen Tathandlung des „Handeltreibens“ hat der Gesetzgeber – ungeachtet der gegen eine weite Auslegung des Begriffs des Handeltreibens geäußerten Kritik (vgl. Nachweise bei Weber/Kornprobst/Maier/Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 173 ff.) – ausdrücklich auf die hierzu ergangene Rechtsprechung Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94), so dass die zu den in §§ 29 ff. BtMG unter Strafe gestellten Handlungsformen entwickelten Grundsätze auf § 34 Abs. 1 KCanG zu übertragen sind. Demnach ist vollendetes Handeltreiben mit Cannabis jedenfalls auch dann gegeben, wenn der Verkäufer oder Vermittler – wie hier – das Stadium allgemeiner Anfragen und unverbindlicher Gespräche verlässt und einer Person, die nach seiner Vorstellung als Käufer oder Vermittler von Rauschgift in Betracht kommt, ein ernsthaftes und verbindliches Verkaufs- oder Lieferangebot macht; in einem solchen Fall ist das Handeltreiben auch dann vollendet, wenn die Verkaufsverhandlungen abgebrochen werden oder wenn sich der in Aussicht genommene Verhandlungspartner nicht interessiert zeigt (vgl. , NStZ 2016, 419, 420; Weber/Kornprobst/Maier/Weber, aaO, § 29 Rn. 385 ff.; Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 275 je mwN).

9c) Der Senat ändert den Schuldspruch – da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind – entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

10d) Allerdings kann infolge des gegenüber der bisherigen Rechtslage niedrigeren Strafrahmens der Einzelstrafausspruch zu Fall II. 4 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben, wobei die zugrundeliegenden Feststellungen hiervon nicht betroffen und auch im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffen sind und daher Bestand haben (§ 353 Abs. 2 StPO).

115. Das Entfallen der Einzelstrafen in den Fällen II. 2, II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Auch insoweit haben die zugrundeliegenden Feststellungen Bestand.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:150524B2STR122.24.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-72148