Instanzenzug: Az: 506 KLs 4/23nachgehend Az: 5 StR 535/23 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat die sechs Angeklagten wegen versuchten Diebstahls zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und acht Monaten und drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sie sich mit ihren auf die Sachrüge, im Fall des Angeklagten C. auch auf eine Verfahrensbeanstandung gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).
2Insbesondere ist das Landgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die begangene Tat als versuchter Diebstahl und nicht lediglich als Vorbereitungshandlung zu beurteilen ist.
31. Nach den Feststellungen verschafften sich die zu diesem Zeitpunkt bereits von der Polizei observierten Angeklagten C. , Ce. , Ci. , K. und S. in der Nacht vom 1. auf den , einem Wochenende, Zugang zu den Geschäftsräumen der M. S. in K. . Ihr gemeinsam mit dem nicht am Tatort anwesenden Angeklagten T. gefasster Tatplan sah vor, im Kellergeschoss der Sparkasse mit einem Kernbohrer zur Umgehung der Alarmsicherung des Tresorvorraums durch eine Wand in ein stillgelegtes Treppenhaus zu gelangen, um von dort anschließend die Wand des Tresorraums zu durchbohren und so die dortige Schließfachanlage zu erreichen. Die Angeklagten wollten die Schließfächer aufbrechen, um deren Inhalt, dessen Wert sie auf einen hohen sechs- bis siebenstelligen Betrag schätzten, für sich zu behalten.
4Um in den Kellerraum zu gelangen, überwanden die Angeklagten ein Rolltor zu einer Tiefgarage, öffneten die Tür zu den Büroräumen der Sparkasse mit Hilfe einer „Türklinkenangel“ und setzten einen Bewegungsmelder außer Betrieb. Sodann schafften sie sukzessive diverse Werkzeuge in das Gebäude und begannen die erste Kernbohrung in die Kellerwand. Die Tat sollte „in einem Rutsch“ durchgeführt werden; hierzu waren alle Materialien und Werkzeuge vor Ort vorhanden.
5Nachdem die Angeklagten bereits eine erste, etwa 20 cm tiefe Kernbohrung in die etwa 60 cm dicke Kellerwand durchgeführt hatten, wurden sie durch einen vor dem Gebäude installierten Späher gewarnt, der das Eintreffen von Polizeifahrzeugen in Tatortnähe beobachtet hatte. Daher brachen sie die weitere Tatausführung ab und traten die Flucht aus dem Gebäude an. Nach Verlassen des Gebäudes konnten vier Angeklagte noch unmittelbar in Tatortnähe festgenommen werden, während dem Angeklagten Ce. zunächst die Flucht gelang.
62. Durch diese Feststellungen ist ausreichend belegt, dass die Angeklagten nach ihrer Vorstellung bereits unmittelbar zum Diebstahl angesetzt hatten (§ 22 StGB). Hierfür gilt:
7Maßgeblich ist, ob die Täter bereits die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten und eine Handlung vorgenommen haben, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen sollte. Bei Qualifikationen und Regelbeispielen kommt es dabei in der Regel auf den Versuchsbeginn hinsichtlich des Grunddelikts an. Bei Diebstahlsdelikten ist demgemäß darauf abzustellen, ob aus Tätersicht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut besteht. Hierfür ist entscheidend, ob der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert ist. Ist dies der Fall, reicht für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt. Sollen mehrere gewahrsamssichernde Schutzmechanismen hintereinander überwunden werden, ist schon beim Angriff auf den ersten davon in der Regel von einem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme auszugehen, wenn die Überwindung aller Schutzmechanismen in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln erfolgen soll (vgl. nur mwN, BGHSt 65, 15).
8Dies zugrunde gelegt haben die Angeklagten die Schwelle zum Versuch überschritten. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob hierfür schon das Eindringen in die oberirdischen Räume unter Überwindung mehrerer Sicherungsmaßnahmen genügte. Denn spätestens mit der Kellerwand wurde ein gewahrsamssichernder Schutzmechanismus angegriffen, zumal deren Durchbohrung einen nicht alarmgesicherten Zugang zur Tresorwand eröffnet hätte. Bei den im Anschluss noch durchzuführenden Handlungen, nämlich dem Durchbrechen der Tresorwand und dem Aufbrechen der Schließfächer, hätte es sich um keine tatbestandsfremden Zwischenakte gehandelt. Da sie im Tatplan vorgesehen waren, wäre für sie auch keine weitere eigenständige Willensbildung erforderlich gewesen. Zudem stand der Annahme eines Versuchsbeginns nicht entgegen, dass es sich bei der Tresorwand und den Schließfächern zugleich um weitere Schutzmechanismen handelte, deren Bewältigung noch ausstand. Denn die Angeklagten verfügten vor Ort über alle erforderlichen Werkzeuge, so dass sie diese Sicherungen in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln und folglich ohne eine Zäsur hätten überwinden können.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:020724B5STR535.23.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-71951