Instanzenzug: LG Hildesheim Az: 12 Ks 17 Js 37808/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkten und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
21. Nach den Feststellungen fügte der Angeklagte mit einer Holzlatte und Tritten dem am Boden liegenden Geschädigten Kopfverletzungen zu. Aufgrund einer Alkoholintoxikation mit einer BAK von 2,99 Promille war er enthemmt und in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich eingeschränkt. Die sachverständig beratene Strafkammer hat einen Hang im Sinne von § 64 StGB, den symptomatischen Zusammenhang zwischen diesem und der Tat sowie die Gefährlichkeit des Angeklagten angenommen.
3Entgegen der Ansicht des Sachverständigen hat sie auch die Erfolgsaussicht der Maßregel bejaht. Zwar bestehe eine langjährige Suchterkrankung, und es habe vor sechs Jahren einen Rückfall kurz nach einer stationären Entgiftung gegeben. Der Angeklagte habe sich aber therapiemotiviert und krankheitseinsichtig gezeigt.
42. Die den Angeklagten beschwerende Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. mwN) begegnet durchgreifenden Bedenken.
5a) Diese setzt nach § 64 Satz 2 StGB voraus, dass der Behandlungserfolg aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist. Durch die Neufassung der Vorschrift sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose moderat angehoben worden, indem jetzt eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades vorausgesetzt wird; im Übrigen bleibt es dabei, dass die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände vorzunehmen ist (vgl. ; BT-Drucks. 20/5913, S. 70).
6b) Hieran gemessen halten die die Erfolgsaussicht begründenden Erwägungen des Landgerichts revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.
7Seine Annahme, es sei eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für den Eintritt des Behandlungserfolgs gegeben, hat es nicht erkennbar auf eine Gesamtschau unter Berücksichtigung aller prognoseungünstigen Umstände gestützt. Neben der langjährigen Alkoholabhängigkeit mit regelmäßigen schweren Intoxikationen und dem Rückfall nach der Entgiftung hätte es in die gebotene Gesamtwürdigung auch einstellen müssen, dass die sozialen Kontakte des arbeits- und wohnungslosen Angeklagten sich auf Personen aus dem Trinkermilieu beschränken, so dass dem Angeklagten für Lockerungsphasen während und für die Zeit nach der Therapie kein geeigneter sozialer Empfangsraum zur Verfügung stünde.
83. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung – wiederum unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:090724B6STR266.24.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-71790