Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistungen - Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung - Eingliederungszuschuss - Rückforderung nach Arbeitgeberkündigung in der Probezeit
Gesetze: § 16 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB 2, § 16 Abs 2 S 1 SGB 2, § 92 Abs 2 S 1 SGB 3, § 92 Abs 2 S 2 Nr 1 SGB 3, § 1 Abs 2 S 1 KSchG
Instanzenzug: Az: S 2 AS 316/20 Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 7 AS 621/20 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rückforderung eines Eingliederungszuschusses, der ihr für die Beschäftigung des früheren Arbeitnehmers H vom 15.2. bis gewährt worden ist.
2Die Klägerin, eine in der Werbebranche tätige GmbH, stellte mit Wirkung vom Herrn H, einen zuletzt im arabischen Sprachraum tätigen "Graphic Designer" ein. Der unbefristete Arbeitsvertrag enthielt die Vereinbarung einer Probezeit von sechs Monaten. Für die Beschäftigung des H beantragte die Klägerin beim beklagten Jobcenter einen Eingliederungszuschuss, der für die Zeit vom 15.2. bis iHv monatlich 1152 Euro (40 % des sozialversicherungspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts von 2400 Euro und des Arbeitgeberanteils zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 480 Euro) bewilligt wurde (Bescheid vom ). Hierbei - wie bereits im Antragsformular für den Eingliederungszuschuss - wies der Beklagte darauf hin, dass der Eingliederungszuschuss teilweise zurückzuzahlen sei, wenn das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund während des Förderzeitraums oder in der Nachbeschäftigungszeit beendet werde.
3Die Klägerin kündigte H am zum "innerhalb der Probezeit". Auf Nachfrage nach den Gründen teilte die Klägerin dem Beklagten mit, die Sprachbarrieren seien größer gewesen als erwartet, während die fachliche Ausbildung etwas unter dem deutschen Standard gelegen habe. Zur Vermeidung der Kündigung habe es neben dem Angebot eines Ausbildungsplatzes mehrere Gespräche mit dem Beschäftigten gegeben. Seit Juni habe H Deutschkurse nicht mehr besucht, seine Aufträge nicht mehr zufriedenstellend ausgeführt und auch seine Pünktlichkeit habe nachgelassen. An einem Montag habe er unentschuldigt gefehlt.
4Der Beklagte verlangte von der Klägerin daraufhin die Rückzahlung von 3494,40 Euro (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).
5Das SG hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ), das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, keine der in § 92 Abs 2 Satz 2 SGB III normierten Ausnahmen von der Rückzahlungsverpflichtung läge vor. Insbesondere seien keine Gründe erkennbar, die die Klägerin berechtigt hätten, eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Eine verhaltensbedingte Kündigung setze jedenfalls eine Abmahnung voraus, die vorliegend fehle. Zudem sei der Vortrag der Klägerin zu personenbedingten Kündigungsgründen weder substantiiert noch in sich schlüssig. Da geringe Deutschkenntnisse des H gerade Anlass für die Gewährung des Eingliederungszuschusses gewesen seien und schon deshalb eine personenbedingte Kündigung nicht rechtfertigen könnten, könne dahingestellt bleiben, ob gute Deutschkenntnisse für die ausgeführte Tätigkeit überhaupt erforderlich gewesen wären. Anders als die Klägerin meine, rechtfertigten zudem die in einer Probezeit arbeitsrechtlich erleichterten Kündigungsmöglichkeiten über den Wortlaut des § 92 SGB III hinaus keine Ausnahme von der Rückzahlungsverpflichtung. Auch daraus, dass der Beklagte die Klägerin nicht explizit darauf hingewiesen habe, dass für die Rückzahlung des Eingliederungszuschusses andere Regelungen gälten als für Kündigungen im Arbeitsrecht, könne die Klägerin keine Rechte herleiten. Eine so weitgehende Beratungspflicht, die alle denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten erfasse, treffe den Beklagten nicht.
6Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt die Verletzung von § 92 Abs 2 SGB III.
7Die Klägerin beantragt,das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom , den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom und den Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben.
8Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
9Zur Begründung verweist er auf die angefochtenen Entscheidungen.
Gründe
10Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es fehlt an tatsächlichen Feststellungen, die die Prüfung erlauben, ob die Klägerin berechtigt war, das Arbeitsverhältnis mit H aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen zu beenden und deshalb von der teilweisen Rückzahlung des Eingliederungszuschusses abzusehen ist.
111. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid des Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom . Hiermit hat der Beklagte, gestützt auf die im Verhältnis zu den §§ 45 ff SGB X speziellere Rechtsgrundlage des § 92 Abs 2 SGB III (§ 37 SGB I) 3494,40 Euro zurückgefordert. Der Bescheid über die Bewilligung des Eingliederungszuschusses vom hat sich mit Erlass dieses Rückforderungsbescheids gemäß § 39 Abs 2 SGB X insoweit "auf andere Weise" erledigt und seine Wirkung als Behaltensgrund für die Leistung verloren (so schon zur Vorgängerregelung des § 223 Abs 2 SGB III idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung <AFRG> vom , BGBl I 594: - SozR 4-4300 § 223 Nr 1 RdNr 6 f, juris RdNr 13 f). Hinsichtlich der (hälftigen) Fördersumme, die der Klägerin verbleibt, bildet der Bescheid vom hingegen weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gezahlten Leistung.
122. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Hinsichtlich der von der Klägerin allein begehrten Beseitigung des Rückzahlungsverwaltungsaktes ist die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG) die statthafte Klageart.
133. Rechtsgrundlage für den geleisteten Eingliederungszuschuss ist § 16 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB II iVm § 88 SGB III (beide idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2854) und § 16 Abs 2 Satz 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom , BGBl I 2917), sowie für den Rückzahlungsverwaltungsakt § 92 Abs 2 SGB III (idF des Gesetzes vom ). Danach ist der Eingliederungszuschuss teilweise zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder einer Nachbeschäftigungszeit beendet wird (§ 92 Abs 2 Satz 1 SGB III). Dies gilt nach § 92 Abs 2 Satz 2 SGB III nicht, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegen, zu kündigen (Nr 1), die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen, berechtigt war (Nr 2), das Arbeitsverhältnis auf das Bestreben der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers hin beendet wird, ohne dass der Arbeitgeber den Grund hierfür zu vertreten hat (Nr 3) oder im Falle des fortgeschrittenen Alters oder einer Schwerbehinderung des Arbeitnehmers (Nr 4 und Nr 5).
144. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere war der Beklagte für die Rückforderung zuständig. Als Jobcenter (§ 6d SGB II idF der Neubekanntmachung vom , BGBl I 850) erbringt er auch die nach § 16 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB II der Agentur für Arbeit obliegenden Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II idF der Neubekanntmachung vom , BGBl I 850; vgl - BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3 RdNr 19 zur Arbeitsgemeinschaft nach § 44b Abs 3 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954). Er erlässt die erforderlichen Verwaltungsakte (§ 44b Abs 1 Satz 3 SGB II). Diese Ermächtigung umfasst aufgrund der Verzahnung von Leistungs- und Rückforderungsrecht (vgl zum SGB III - BSGE 89, 192, 195 = SozR 3-4300 § 422 Nr 2 S 5, juris RdNr 14) auch den Erlass des Rückzahlungsbescheids. Die gemäß § 24 Abs 1 SGB X erforderliche Anhörung vor Bescheiderlass ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt und damit ein etwaiger Anhörungsfehler geheilt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 SGB X; zuletzt ua - RdNr 13).
155. Ob der Rückzahlungsbescheid auch materiell-rechtlich rechtmäßig ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
16Die von der Klägerin gegenüber H am letzten Tag des Förderungszeitraums ausgesprochene Kündigung zum gleichen Tag löst im Grundsatz die Rückzahlungsverpflichtung aus (dazu a). Ob die Klägerin hiervon befreit ist, weil einer der gesetzlich normierten Ausnahmetatbestände nach § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 bis 5 SGB III objektiv vorliegt, kann nicht abschließend beurteilt werden (dazu b). Eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke für den Fall der "Kündigung während der Probezeit ohne Angabe von Gründen" besteht jedenfalls nicht (dazu c).
17a) Das Beschäftigungsverhältnis wurde am letzten Tag des Förderungszeitraums beendet, was im Grundsatz die Pflicht zur teilweisen Rückzahlung auslöst (vgl § 92 Abs 2 Satz 1 SGB III).
18b) Ob eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht nach § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III vorliegt (Berechtigung zur Kündigung aus verhaltens- oder personenbezogenen Gründen), kann anhand der Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend entschieden werden. § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 2 bis 5 SGB III scheiden nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG hingegen von vornherein als denkbare Befreiungstatbestände aus.
19(1) Im Anwendungsbereich des § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III, der allein auf die Berechtigung zur Kündigung abstellt, genügt - unabhängig von den tatsächlichen Umständen der Beendigung der Beschäftigung - das objektive Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden Grundes im Verhalten oder der Person des geförderten Arbeitnehmers, um eine Rückzahlungspflicht auszuschließen (so auch Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 92 RdNr 34, Stand 9/2022; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 92 RdNr 37, Stand 6/2018; Kühl in Brand, SGB III, 9. Aufl 2021, § 92 RdNr 7; Heinz in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III, 7. Aufl 2021, § 92 RdNr 34). Weder muss das Arbeitsverhältnis tatsächlich aus diesen Gründen beendet worden sein - es kann zB auch tatsächlich durch einen Aufhebungsvertrag aufgelöst worden sein - noch ist das Kündigungsschutzgesetz im Sinne einer Rechtsgrundverweisung in § 92 Abs 2 SGB III hineinzulesen ( - juris RdNr 9). Lediglich inhaltlich beurteilt sich die Berechtigung zur Kündigung iS des § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III nach Maßgabe der arbeitsgerichtlich zu § 1 Abs 2 Satz 1 KSchG entwickelten Kriterien.
20(2) Ob Gründe im Verhalten des H die Klägerin zur Kündigung berechtigten, kann nicht abschließend beurteilt werden. Eine Kündigung ist iS des § 1 Abs 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (vgl nur - juris RdNr 11 = NZA 2017, 703; - juris RdNr 75 = NZA 2020, 647; - juris RdNr 15 = NZA 2020, 1022; Zimmermann in Gallner/Mestwerdt/Nägele, Handkommentar Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl 2021, § 1 Teil D RdNr 196 mwN). Der Zweck der verhaltensbedingten Kündigung ist mithin zukunftsbezogen. Mit ihr soll das weitere Risiko von Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden. Prognostisch muss sich also die vergangene Pflichtverletzung noch in der Zukunft belastend auf das Arbeitsverhältnis auswirken (vgl nur - juris RdNr 47 = NZA-RR 2007, 571; - juris RdNr 32 = NZA 2009, 1198). Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ist daher iS des § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III berechtigt, wenn prognostisch aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut oder in ähnlicher Weise verletzen. Das Vorliegen oder Fehlen einer Abmahnung bildet daher nicht den rechtlichen Maßstab für die Rechtfertigung der verhaltensbedingten Kündigung, sondern dient in diesem Zusammenhang nur der Objektivierung der Negativprognose (vgl nur - NZA 2010, 1227; - NZA 2009, 1198). Sie ist als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und wegen der Zukunftsbezogenheit einer Kündigung zwar regelmäßig, aber auch nicht uneingeschränkt (vgl dazu Deinert in Däubler/Deinert, KSchR, 12. Aufl 2024, BGB § 314 RdNr 26 mit umfassender Darstellung der Rechtsprechung) vor einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung auszusprechen.
21Dieser Prüfungsmaßstab verlangt deshalb eigene Feststellungen des Gerichts zu dem Verhalten des Arbeitnehmers wie auch eine auf diese Feststellungen gestützte Prognoseentscheidung (zur Prognoseentscheidung im Sozialrecht vgl beispielsweise B 14/7b AS 60/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 5 RdNr 12 ff; - BSGE 130, 103 = SozR 4-7837 § 1 Nr 9, RdNr 28 f). An beidem fehlt es hier. Die bloße Wiedergabe des Vorbringens der Klägerin ersetzt diese nicht.
22Dass bei einer Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes, dh - wie hier - während der Wartezeit von sechs Monaten nach § 1 KSchG arbeitsrechtlich das Erfordernis einer Abmahnung ohnehin nicht besteht ( - NZA 2001, 951; - NZA 2009, 1260), ist im Rahmen des § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III folglich ohne rechtliche Bedeutung.
23Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt zudem, dass dem Arbeitgeber zur Verfolgung seiner berechtigten Interessen keine anderen milderen Mittel als die Kündigung zur Verfügung stehen (Ultima-ratio-Prinzip). Insoweit hat das LSG festgestellt, dass H vier Tage vor dem Kündigungsausspruch eine Ausbildung angeboten worden sei. Dahingestellt bleiben kann, ob ein solches Angebot arbeitsrechtlichen Maßstäben entspricht und dessen Ablehnung eine Kündigung als verhältnismäßig erscheinen lassen würde. Jedenfalls fehlt es an Feststellungen dazu, warum nur wenige Tage später dennoch eine (fristlose) Kündigung erfolgte. Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, ob und unter ggf welchen weiteren Voraussetzungen der von der Klägerin vorgebrachte Gesichtspunkt des einmaligen Fehlens an einem Montag oder die Weigerung, weiterhin an einem Deutschkurs teilzunehmen, überhaupt eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könnte.
24(3) Im Hinblick auf die Berechtigung zu einer personenbedingten Kündigung fehlen dem Senat ebenfalls die zur abschließenden Prüfung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG). Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer nicht (mehr) die erforderliche Eignung oder Fähigkeit besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erreichung des Vertragszwecks muss durch einen in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Umstand nicht nur vorübergehend zumindest teilweise unmöglich sein ( - BAGE 121, 32 RdNr 15; - juris RdNr 22 = NZA 2009, 425).
25Zur persönlichen Eignung können zwar auch hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache zählen, wenn diese eine wesentliche Anforderung für die zu verrichtende Arbeit darstellen ( - BAGE 133, 141 RdNr 13). Ob die Deutschkenntnisse des H "geringer waren als erwartet", hat das LSG offengelassen, weil es darauf abgestellt hat, die Kommunikation sei in der Zeit der Beschäftigung des H erfolgreich in Englisch erfolgt. Daraus kann aber nicht der - rechtliche - Schluss gezogen werden, ausreichende Deutschkenntnisse seien für die ausgeübte Tätigkeit tatsächlich nicht erforderlich gewesen. Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin vorgetragen hat, die Ausbildung des H habe etwas unter dem "deutschen Standard" gelegen.
26c) Ob jedwede, den arbeitsrechtlichen Kriterien materiell-rechtlich entsprechende, personen- oder verhaltensbedingte Kündigung eine Ausnahme von der Rückzahlungsverpflichtung nach § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III begründen kann oder - wie das LSG meint - von vornherein nur Gründe maßgeblich sein können, die nicht im Zusammenhang mit dem die Förderung auslösenden Vermittlungserschwernis stehen, musste der Senat daher ebenfalls nicht abschließend entscheiden. Doch dürften weder der Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung mit dem letzten Tag des Förderzeitraums bzw in der Nachbeschäftigungszeit eine Einschränkung der zur Kündigung berechtigenden Gründe in § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III rechtfertigen können (siehe aber Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 92 RdNr 38, Stand 9/2022; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 92 RdNr 41, Stand 6/2018). Denn der Eingliederungszuschuss soll (nur) einen Ausgleich für eine der Arbeitsleistung noch nicht angemessene, also objektiv überhöhte Lohnzahlung bieten ( 9b/11 RAr 67/88 - SozR 3-4100 § 49 Nr 1 S 2, juris RdNr 16). Die Förderdauer ist somit auf das prognostizierte Ende der Minderleistung abzustimmen (vgl Böttiger in Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, 3. Aufl 2019, § 89 RdNr 7). Zum Ablauf der geförderten Einarbeitungszeit dürfte der Arbeitgeber daher grundsätzlich ein Leistungsvermögen erwarten können, über das ein ungeförderter Angehöriger derselben oder einer vergleichbaren Berufsgruppe verfügt (Heinz in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III, 7. Aufl 2021, § 88 RdNr 75).
27d) Eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke hinsichtlich weiterer arbeitsrechtlich zulässiger Beendigungstatbestände eines Arbeitsverhältnisses scheidet aus. Eine planwidrige Lücke läge nur vor, wenn der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasste, die nach der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang sowie ihrem Sinn und Zweck erfasst sein sollten. Dies ist nicht der Fall.
28(1) Ursprünglich (in der ab geltenden Fassung des § 223 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III idF des AFRG vom - BGBl I 594) war der Eingliederungszuschuss ua nur dann nicht zurückzuzahlen, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Durch Änderungen zum sollte die Nachbeschäftigungspflicht und die Rückforderung von Eingliederungszuschüssen stärker am Förderungszweck (Ausgleich von Minderleistungen) ausgerichtet, Akzeptanzproblemen bei Arbeitgebern entgegnet und ein angemessener Interessenausgleich bewirkt werden (Entwurf des Zweiten SGB III-Änderungsgesetzes vom , BT-Drucks 14/873, S 16). Nach § 223 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III (idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze <Zweites SGB III-Änderungsgesetz - 2. SGB III-ÄndG> vom BGBl I 1648) entfiel die Rückzahlung mit der Berechtigung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen. Nachfolgende Änderungen (Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom - BGBl I 2848 - zum ; Gesetz vom - zum ) haben lediglich ohne wesentliche inhaltliche Änderung eine Neustrukturierung und Vereinheitlichung mit sich gebracht. Weiteres ergibt sich aus der Gesetzeshistorie nicht; es bestehen mithin auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe andere als die genannten Beendigungsgründe im Anwendungsbereich des § 92 Abs 2 Satz 2 SGB III planwidrig nicht berücksichtigt. Bestätigt wird dies durch die Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber hat nur einzelne Tatbestände in Anlehnung an § 1 Abs 2 KSchG in das SGB III aufgenommen und ein eigenes sozialrechtliches Konzept für die Pflicht zur Rückzahlung des Eingliederungszuschusses entwickelt.
29(2) Anders als die Revision meint, sprechen schließlich auch nicht Sinn und Zweck der Regelung für eine Erweiterung der Befreiungstatbestände um "Kündigungen innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen". Die Probezeit, während der grundsätzlich eine Kündigungsfrist von zwei Wochen gilt (§ 622 Abs 3 BGB), trägt den Bedürfnissen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung, in einer überschaubaren ersten Zeit der Beschäftigung die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bzw die Arbeitsbedingungen zu erproben und bei negativem Ausgang das Arbeitsverhältnis relativ kurzfristig beenden zu können (zu Sinn und Zweck der Probezeit und zur Abgrenzung von der Wartezeit nach § 1 Abs 1 KSchG vgl nur Löwisch, DB 2014, 1079 f; bei einem Ausbildungsverhältnis - juris RdNr 25 = NZA 2016, 1406). Zweck der Befreiungstatbestände in § 92 Abs 2 SGB III ist hingegen die Schaffung eines Interessenausgleichs. Einerseits wird die dauerhafte Eingliederung von Personen mit Vermittlungserschwernissen in den Arbeitsmarkt angestrebt und sollen Einstellungshemmnisse bei Arbeitgebern abgebaut werden. Andererseits gilt es zu vermeiden, dass Arbeitgeber Eingliederungszuschüsse als dauerhafte Lohnsubvention nutzen, indem sie Beschäftigte noch während der Probezeit ohne Angabe von Gründen entlassen und gegen andere geförderte Beschäftige austauschen ("Drehtüreffekt"; vgl dazu auch Begleitevaluation der arbeitsmarktpolitischen Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete des BMAS, Forschungsbericht 587 S 71). Dem würde eine Erweiterung der Befreiungstatbestände in dem von der Revision verfolgten Sinne widersprechen.
30e) Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung wird durch ein solches Verständnis nicht berührt. Durch den abschließenden Katalog der Befreiungstatbestände in § 92 Abs 2 Satz 2 SGB III ist arbeitsrechtlich die (fristlose) Kündigung innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen nicht ausgeschlossen. Sozialrechtlich befreit diese jedoch nur dann von der Pflicht zur teilweisen Rückzahlung, wenn objektiv ua Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers auch zu einer entsprechenden Kündigung berechtigt hätten. Eine arbeitsrechtlich mögliche Kündigung ist mithin Voraussetzung für die Anwendung des § 92 SGB III. Sachlich begründbar ist hingegen mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung, dass die für den Arbeitgeber bestehende Kündigungsmöglichkeit diesen im Sozialrecht vor dem Hintergrund der mit dem Eingliederungszuschuss verfolgten Ziele nicht gleichermaßen entlastet.
316. Die Klägerin kann dem Rückzahlungsanspruch des Beklagten schließlich keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entgegenhalten, der nach ihrer Auffassung einen Schaden in Höhe des Rückforderungsbetrags umfasste.
32Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch stellt auf die Verletzung gesetzlicher Nebenpflichten im Sozialrechtsverhältnis ab. Er kommt zur Anwendung, wenn eine Rechtsgrundlage zur Beseitigung von Fehlerfolgen einer etwaigen Beratungspflichtverletzung fehlt und hat zur Voraussetzung, dass eine Pflicht des Sozialleistungsträgers, insbesondere zur Beratung und Auskunft des Betroffenen, verletzt wurde, wodurch bei diesem kausal ein Nachteil eingetreten ist. Insbesondere aber muss der Zustand, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, durch eine zulässige Handlung des Verpflichteten herstellbar sein (vgl zuletzt - juris RdNr 19, für BSGE und SozR 4 vorgesehen). Daran fehlt es hier.
33Zwar hat der Beklagte die Klägerin unzutreffend über die Voraussetzungen der Rückzahlungspflicht des Eingliederungszuschusses belehrt und insoweit seine allgemeine Fürsorge- und Beratungspflicht (§ 14 SGB I) in ihrer speziellen Ausprägung des § 34 Abs 1 Satz 2 SGB III verletzt. Im Bescheid über die Bewilligung des Eingliederungszuschusses vom folgt unter der Überschrift "Nachbeschäftigungspflicht" ua der Hinweis darauf, der Eingliederungszuschuss sei zurückzuzahlen, wenn H ohne wichtigen Grund während des Förderzeitraums oder in der sogenannten Nachbeschäftigungszeit entlassen werde. Die Verknüpfung dieses Inhalts mit der Überschrift "Nachbeschäftigungszeit" ist bereits irreführend; insbesondere aber entspricht er nicht, wie dargestellt, der maßgeblichen aktuellen Rechtslage. Weitergehende Beratungspflichten des Beklagten, insbesondere zu den arbeitsrechtlich notwendigen Schritten für eine wirksame Kündigung, gleich welcher Frist, bestehen, anders als die Klägerin meint, jedoch nicht (vgl auch - SozR 4-4200 § 41a RdNr 21, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, zu den Anforderungen an die Belehrung über die Rechtsfolgen bei einer Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten von § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II).
34Dahingestellt bleiben kann, ob diese fehlerhafte Belehrung überhaupt kausal zu einem Nachteil bei der Klägerin geführt haben kann, nachdem die Hinweise auf die nach der früheren Rechtslage wesentlich strengeren Voraussetzungen für eine rückforderungsunschädliche Kündigung abstellen. Denn der Zustand, der ohne diese Beratungspflichtverletzung kausal entstanden sein könnte - nach dem Vortrag der Klägerin die Nicht-Einstellung des H - kann nicht durch eine zulässige Amtshandlung des Beklagten hergestellt werden.
357. Im wiedereröffneten Verfahren wird ggf noch die Höhe des Rückforderungsbetrags zu prüfen sein. Die Forderung ist der Höhe nach gemäß § 92 Abs 2 Satz 3 SGB III auf die Hälfte des geleisteten Förderbetrags begrenzt; nur insoweit erledigt sich auch der Bescheid vom . Bei der nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG zur Auszahlung gekommenen Gesamtsumme (monatlich 1152 Euro = 6912 Euro) dürfte der Rückforderungsbetrag mithin 3456 Euro nicht überschreiten. Ein diese Summe übersteigender Betrag wäre vielmehr außerhalb der speziellen Regelung des § 92 Abs 2 SGB III auf Grundlage der §§ 45 ff SGB X zurückzufordern.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:100424UB7AS123R0
Fundstelle(n):
YAAAJ-71525