Instanzenzug: LG Kempten Az: 1 KLs 320 Js 16285/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 21.500 Euro angeordnet und bestimmt, dass die in Albanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:2 auf die erkannte Strafe anzurechnen ist. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch und zur Einziehungsentscheidung den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Schuldspruch ist neu zu fassen.
21. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Angeklagte, der anderweitig Verurteilte B. und der anderweitig Verfolgte K. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Januar 2021 zusammen, um durch arbeitsteiliges Vorgehen fortgesetzt und Gewinn bringend Marihuana im zwei- bis dreistelligen Kilogrammbereich sowie Kokain zu veräußern. Von dem erzielten Gewinn sollte jeder ein Drittel bekommen.
3aa) In Ausführung dieses Tatplans stellte der anderweitig Verurteilte B. der Gruppierung 50 Kilogramm Marihuana, welches er bereits vor Eingehen des Bündnisses mit dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten K. für 2,40 Euro je Gramm erworben hatte, zur Weiterveräußerung zur Verfügung. Bis zur Durchsuchung am wurden hiervon mindestens 20 Kilogramm zu drei Euro pro Gramm verkauft; weitere 13.216,90 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 0,9 Prozent und 16,6 Prozent (insgesamt 1.047,66 Gramm THC) konnten bei dem anderweitig Verfolgten B. sichergestellt werden. Darüber hinaus bewahrten der Angeklagte und seine Tatgenossen am in der Wohnung und im Keller der anderweitig Verfolgten Ki. Marihuanablüten und Marihuana mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 252,7 Gramm THC zum Gewinn bringenden Weiterverkauf auf (Fall B.1. der Urteilsgründe).
4bb) Spätestens ab dem plante die Gruppierung den Erwerb von 50 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von jedenfalls fünf Prozent in Spanien. Hierzu übergaben der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte K. in Absprache mit dem anderweitig Verfolgten B. am 100.000 Euro an eine unbekannte Person in Madrid. Letztlich kam das Geschäft nicht zustande; der Angeklagte und seine Tatgenossen erhielten kein Marihuana (Fall B.2. der Urteilsgründe).
5cc) Am übergab der anderweitig Verfolgte K. entsprechend dem gemeinsamen Tatplan mit dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten B. 100 Gramm Kokaingemisch mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 59,48 Gramm Kokainhydrochlorid an den anderweitig Verfolgten Bl. . Den Kaufpreis in Höhe von 4.500 Euro hatte Bl. unmittelbar zuvor an den Angeklagten übergeben (Fall B.3. der Urteilsgründe).
6b) Die Strafkammer hat wegen dieser Taten gegen den Angeklagten Einzelfreiheitsstrafen von sechs Jahren (Fall B.1. der Urteilsgründe), vier Jahren (Fall B.2. der Urteilsgründe) sowie fünf Jahren und sechs Monaten (Fall B.3. der Urteilsgründe) festgesetzt; diese hat sie auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten zurückgeführt. Bei der Berechnung des einzuziehenden Wertersatzes ist sie davon ausgegangen, dass der Angeklagte jeweils ein Drittel des Verkaufspreises des Cannabis (Fall B.1. der Urteilsgründe) bzw. Kokains (Fall B.3. der Urteilsgründe) erhielt.
72. Die auf die Revision des Angeklagten veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I 2024, Nr. 109; nachfolgend: Cannabisgesetz) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs, zur überwiegenden Aufhebung im Strafausspruch und zu einer Abänderung der Einziehungsanordnung.
8a) aa) Der Fall B.3. der Urteilsgründe (Handeltreiben mit Kokain) ist von dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes zum nicht berührt.
9bb) In den übrigen Fällen hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung am Maßstab des Konsumcannabisgesetzes, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist, stand. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
10Das vom Landgericht in den Fällen B.1. und B.2. der Urteilsgründe festgestellte Tatgeschehen stellt sich als im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG verbotenes bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) dar.
11Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG).
12Für die in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebene Tathandlung des „Handeltreibens“ sowie die konkurrenzrechtliche Beurteilung ist auf die bisherige Rechtslage abzustellen ( Rn. 5). Gleiches gilt für das Handeln "als Mitglied einer Bande […], die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat". Auch insoweit wollte sich der Gesetzgeber an die Begrifflichkeit des Betäubungsmittelgesetzes anlehnen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132). In den Fällen B.1. und B.2. steht jeweils eine nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG in mitten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 136/24 Rn. 3; vom – 1 StR 106/24 Rn. 7 ff. und vom – 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.).
13Des Zusatzes "in nicht geringer Menge" bedarf es im Schuldspruch nicht, da der Qualifikationstatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 136/24 und vom – 5 StR 484/23 Rn. 2).
14b) Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil mit Ausnahme der im Fall B.3. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe keinen Bestand haben. Denn der Strafrahmen des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG weicht von dem bisher maßgeblichen des § 30a Abs. 1 BtMG erheblich zugunsten des Angeklagten ab.
15Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens aus § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG in den Fällen B.1. und B.2. der Urteilsgründe niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte.
16c) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch sind aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind zulässig, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.
17d) Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts erlangte der Angeklagte im Fall B.1. der Urteilsgründe nur 4.000 Euro. Insgesamt wurden durch die Gruppierung mindestens 20 Kilogramm zu je drei Euro pro Gramm veräußert. Dies entspricht Einnahmen in Höhe von 60.000 Euro und – den von der Strafkammer festgestellten Einkaufspreis von 2,40 Euro zugrundegelegt – einem Gewinn in Höhe von 12.000 Euro. Nur hiervon bekam der Angeklagte nach der Beuteverteilungsregel ein Drittel (vgl. UA S. 7), nicht von den Einnahmen, wovon die Strafkammer bei der Berechnung des einzuziehenden Wertersatzes jedoch fehlerhaft ausgegangen ist. In welcher Höhe der Angeklagte selbst aus den Verkäufen Erlöse in Empfang nahm, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Da insoweit keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind, ändert der Senat die Einziehungsentscheidung selbst entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
18Im Fall B.3. der Urteilsgründe vereinnahmte der Angeklagte den gesamten Kaufpreis in Höhe von 4.500 Euro, sodass dieser nach § 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB der vollständigen (Wertersatz-)Einziehung unterlegen hätte. Dass das Landgericht insoweit lediglich Wertersatz in Höhe von 1.500 Euro eingezogen hat, beschwert den Angeklagten nicht. Wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) kann ihm dieser „Vorteil“ nicht genommen werden, auch nicht im Wege der Verrechnung mit anderen Einziehungsbeträgen (vgl. Rn. 7).
19e) Die Entscheidung zum Anrechnungsmaßstab der in Albanien erlittenen Auslieferungshaft erweist sich aus den durch den Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführten Gründen als rechtsfehlerfrei und kann bestehen bleiben. Auch das Absehen von der Anordnung der Maßregel des § 64 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:270524B1STR145.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-71406