BGH Beschluss v. - 4 StR 95/24

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 21 KLs 15/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen „unerlaubten“ Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen getroffen:

31. Am erhielt der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen Person 13,16 g Marihuana (netto) „zum Ankauf“. Diese waren für den Eigenkonsum bestimmt (Fall II. 1 der Urteilsgründe).

42. Am lauerte der Angeklagte dem auf einem Elektroroller herannahenden Geschädigten auf und versetzte diesem einen schmerzhaften Faustschlag ins Gesicht. Dem daraufhin zu Boden stürzenden Geschädigten entriss er den mitgeführten Rucksack, in dem sich unter anderem Bargeld, Ausweispapiere und Bankkarten befanden. Anschließend entnahm er aus der Jackentasche des Geschädigten dessen Mobiltelefon. Die Sachen wollte der Angeklagte für sich verwenden. Sodann drohte er dem Geschädigten unter gleichzeitigem Vorhalt eines funktionsfähigen Elektroimpulsgerätes an, dass „er ein Loch im Kopf habe, wenn er zur Polizei gehen werde“. Anschließend flüchtete der Angeklagte mit der Beute vom Tatort (Fall II. 2 der Urteilsgründe).

II.

5Die Verurteilung wegen „unerlaubten“ Erwerbs von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) im Fall II. 1 der Urteilsgründe ist aufzuheben und der Angeklagte insoweit freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO).

61. Am ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109) und das BtMG entsprechend abgeändert worden. Nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem BtMG, sondern allein dem KCanG, das den Umgang mit Cannabis in einem geringeren Umfang als bisher unter Strafe stellt und – soweit eine Strafbarkeit auch weiterhin gegeben ist – mildere Strafen vorsieht. Dies hat der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO zu berücksichtigen (vgl. Rn. 4; Beschluss vom – 4 StR 5/24 Rn. 6; Beschluss vom – 6 StR 102/24 Rn. 4; Beschluss vom – 1 StR 106/24 Rn. 4).

7Nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG ist der nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 KCanG verbotene Erwerb von Cannabis nur strafbar, wenn ein Tageslimit von 25 g überschritten wird oder mehr als 50 g pro Kalendermonat erworben werden. Dies gilt nach der Gesetzesbegründung auch dann, wenn der Erwerb auf dem Schwarzmarkt erfolgt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 131; Patzak in Patzak/Fabricius, BtMG § 34 KCanG Rn. 170).

82. Aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte einmalig 13,15 g Cannabis auf der Grundlage eines Rechtsgeschäfts entgeltlich erlangt und damit zwar Cannabis im Sinne von § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG erworben hat (vgl. Patzak in Patzak/Fabricius, aaO Rn. 172), aber die Grenze zur strafbewehrten Menge nicht erreicht ist. Damit fehlt es an einer Strafbarkeit.

III.

9Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung (§ 249, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 223 Abs. 1, § 52 StGB) hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand. Insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.

101. Der Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass das mitgeführte gefährliche Tatmittel tatsächlich als raubspezifisches Nötigungsmittel verwendet worden ist. Die Tatvariante kann danach auch noch nach Vollendung, aber vor Beendigung der Wegnahme verwirklicht werden, erfordert aber, dass der (weitere) Einsatz des gefährlichen Gegenstandes zumindest als Mittel zur Sicherung des Besitzes an dem erlangten Gut, also mithin in Beutesicherungsabsicht, erfolgt ist (vgl. Rn. 7; Urteil vom – 5 StR 31/09, BGHSt 53, 234 ff.; Beschluss vom – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376 ff.).

112. Weder den Feststellungen noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass der Einsatz des Elektroimpulsgeräts der Beutesicherung diente. Vielmehr hatte der Angeklagte die Beute bereits an sich genommen. Anhaltspunkte dafür, dass das Opfer ihm diese wieder streitig machen wollte, sind den Urteilsausführungen nicht zu entnehmen. Stattdessen liegt angesichts der zugleich ausgesprochenen Drohung, der Geschädigte werde ein Loch im Kopf haben, wenn er zur Polizei gehe, nahe, dass der Angeklagte das Elektroimpulsgerät zum Zwecke der Verhinderung einer Strafverfolgung verwendete. Denn im Falle der Erstattung einer Strafanzeige musste der Angeklagte seine Identifizierung als Täter fürchten, da ihn der Geschädigte nach den Feststellungen flüchtig unter dem Namen „Z.    “ kannte.

123. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen besonders schweren Raubes erfasst auch die – von diesem Rechtsfehler nicht betroffene – Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB). Die bisherigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind. Das Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern diese zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

134. Der Wegfall der für die Taten zu II. 1 und II. 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:210524B4STR95.24.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-71258