Kürzung der Ökologisierungszahlung gemäß Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014
Leitsatz
Die Kürzung der Ökologisierungszahlung gemäß Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 in der Fassung des Art. 1 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2017/723 bei Verstoß gegen die Anforderungen hinsichtlich der Flächennutzung im Umweltinteresse ist keine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne des Art. 5 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95.
Gesetze: Art 2 Abs 2 S 2 EGV 2988/95, Art 4 Abs 1 EGV 2988/95, Art 4 Abs 2 EGV 2988/95, Art 4 Abs 4 EGV 2988/95, Art 5 Abs 1 Buchst b EGV 2988/95, Art 5 Abs 1 Buchst c EGV 2988/95, Art 63 Abs 2 S 1 EUV 1306/2013, Art 67 Abs 4 Buchst b EUV 1306/2013, Art 46 Abs 3 EUV 1307/2013, Art 26 Abs 2 UAbs 1 EUV 640/2014, Art 27 Abs 2 EUV 640/2014, Art 28 Abs 1 EUV 640/2014
Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 10 LB 100/22 Urteilvorgehend Az: 11 A 7305/18 Urteil
Gründe
I
1Der Kläger wendet sich noch gegen die Kürzung der ihm gewährten Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden ("Greeningprämie") für das Jahr 2017 durch die Beklagte um 67,193 ha.
2Mit seinem Sammelantrag vom beantragte der Kläger unter anderem die Greeningprämie für das Jahr 2017 für eine Gesamtfläche von 205,2884 ha. Als ökologische Vorrangfläche (ÖVF) meldete er den Schlag 1 mit Zwischenfruchtanbau auf einer Fläche von 11,1688 ha. Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle stellte die Beklagte die Schläge 15 und 39 mit Flächen von 5,0188 ha bzw. 2,162 ha als ÖVF fest. Der Kläger erklärte, bei der Stellung seines Sammelantrags sei es technisch bedingt zu einem Fehler bei der Codierung der ÖVF gekommen. Richtigerweise habe die ÖVF durch die gemeldete Fläche mit (11,1668 ha x 0,3 =) 3,35 ha (Schlag 1) sowie zwei Brachflächen (Schlag 15 und Schlag 39) erfüllt werden sollen.
3In ihrem Bescheid vom nahm die Beklagte als gemeldete ÖVF 3,3506 ha und als festgestellte ÖVF 10,5314 ha an. Wegen des nicht erbrachten Anteils an ÖVF in Höhe von 6,7193 ha nahm sie von der festgestellten beihilfefähigen Gesamthektarfläche von 200,78 ha nach Art. 26 Abs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014 einen Flächenabzug von 67,193 ha vor. Zusätzlich sanktionierte sie den Kläger gemäß Art. 28 Abs. 1 und 3 VO (EU) Nr. 640/2014 mit einem Abzug von 40,156 ha und berechnete die beihilfefähige Fläche entsprechend mit 93,431 ha.
4Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom zurück.
5Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hielt die Beklagte die Sanktionierung der Greeningprämie durch Kürzung der beihilfefähigen Fläche um 40,156 ha nicht mehr aufrecht. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt; im Übrigen hat es die Beklagte mit Urteil vom unter Aufhebung der Kürzung von 67,193 ha im Bescheid vom und unter entsprechender Abänderung des Widerspruchsbescheids vom verpflichtet, die Greeningprämie für das Antragsjahr 2017 unter Berücksichtigung von weiteren 67,193 ha neu zu berechnen und festzusetzen. Der Kläger habe zwar in seinem Antrag vom entgegen Art. 46 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 die ÖVF nicht im Umfang von 5 % seiner Gesamtackerfläche gekennzeichnet, was den Flächenabzug um das Zehnfache der Unterschreitung gemäß Art. 26 Abs. 2 i. V. m. Art. 27 VO (EU) Nr. 640/2014 dem Grunde nach rechtfertige. Er habe aber über genügend Flächen verfügt, um die Vorgaben des Art. 46 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 erfüllen zu können. Daher komme Art. 77 Abs. 2 Buchst. e VO (EU) Nr. 1306/2013 zur Anwendung, wonach Verwaltungssanktionen nicht verhängt würden, wenn der Verstoß geringfügigen Charakter habe. Dies sei hier bei dem Verstoß gegen Art. 46 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 der Fall, weil der Kläger alle bestehenden Verpflichtungen eingehalten habe und nur die Angaben in der Anlage zu seinem Sammelantrag unzutreffend gewesen seien.
6Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage, soweit das Verfahren nicht eingestellt worden war, abgewiesen. Von der Kürzung der beihilfefähigen Fläche um 67,193 ha sei nicht nach Art. 77 Abs. 2 Buchst. e VO (EU) Nr. 1306/2013 wegen Geringfügigkeit abzusehen gewesen, denn die Regelung sei auf Kürzungen nach Art. 26 Abs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014 nicht anwendbar. Zwar erfolgten Sanktionen regelmäßig auch in Form von Kürzungen, so auch gemäß Art. 28 VO (EU) Nr. 640/2014. Aus dem Wortlaut der jeweiligen Überschrift sowie aus der Systematik und dem Sinn und Zweck der beiden Vorschriften ergebe sich jedoch, dass es sich bei der Kürzung nach Art. 26 Abs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014 nicht um eine Verwaltungssanktion im Sinne des Art. 63 Abs. 2 Satz 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 handele. Bei Anwendung der Vorschrift werde immer weniger als der wegen des Verstoßes gegen Art. 46 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 rechtswidrig erlangte Vorteil entzogen bzw. nicht gewährt. Das sei nach Art. 4 Abs. 4 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 als verwaltungsrechtliche Maßnahme und nicht als Verwaltungssanktion nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zu qualifizieren. Bei einer solchen Sanktion werde bei einem (teilweise) rechtswidrig erlangten Vorteil mehr als dieser Teil des Vorteils entzogen. Art. 28 VO (EU) Nr. 640/2014 sanktioniere eine Unterschreitung der auszuweisenden ÖVF ab einem bestimmten Umfang bis hin zum völligen Ausschluss von der Beihilfe und gegebenenfalls - bei einer Abweichung von mehr als 50 % - mit einer "zusätzlichen Sanktion" (Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 2 VO <EU> Nr. 640/2014). Die Vorschrift baue daher systematisch auf Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 auf. Beide Vorschriften stellten auch nicht gemeinsam eine Verwaltungssanktion dar. Dies gelte bereits deshalb, weil eine zusätzliche Verwaltungssanktion nach Art. 28 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 nach der Abhilfe durch die Beklagte nicht mehr vorliege. Damit handele es sich hier um eine andere Konstellation, als diejenige, die der Entscheidung des 3 C 7.10 - zugrunde gelegen habe. Von einer Kürzung sei auch nicht wegen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände abzusehen. Bei der fehlenden Codierung der Schläge 15 und 39 als ÖVF habe es sich nicht um einen jederzeit noch berichtigungsfähigen offensichtlichen Irrtum gehandelt.
7Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützten Beschwerde.
II
8Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
9Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen und setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint und im Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. 3 B 4.22 - juris Rn. 7 m. w. N.).
10Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage
"Liegt immer dann eine Sanktion im Sinne der VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 vor, wenn eine im Recht der Europäischen Union vorgesehene Beihilfe, für die die Bewilligungsvoraussetzungen teilweise nicht gegeben sind, über den Betrag hinaus gekürzt wird, der dem nicht bewilligungsfähigen Teil der Beihilfe entspricht?"
wäre nur entscheidungserheblich, soweit es um die Kürzung gemäß Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 (ABl. L 181 S. 48) in der Fassung des Art. 1 Abs. 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/723 der Kommission vom zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 (ABl. L 107 S. 1) - im Folgenden: VO (EU) Nr. 640/2014 - geht.
11Sachgerecht verstanden möchte die Beschwerde geklärt wissen, ob diese Kürzung eine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne des Art. 5 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 ist.
12Diese Frage verleiht dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung; denn sie lässt sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend sicher beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens - und sei es zum Zwecke der Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Art. 267 Abs. 3 AEUV) - bedürfte (stRspr, vgl. 3 B 24.06 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 207 Rn. 20 und vom - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Kürzung der Ökologisierungszahlung gemäß Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 bei Verstoß gegen die Anforderungen hinsichtlich der Flächennutzung im Umweltinteresse ist keine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne des Art. 5 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95.
131. Nach Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 wird, wenn die vorgeschriebene ökologische Vorrangfläche größer als die ökologische Vorrangfläche ist, die unter Berücksichtigung des in Art. 46 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 347 S. 608) vorgesehenen Gewichtungsfaktors für ökologische Vorrangflächen ermittelt wurde, von der Fläche, anhand deren die Ökologisierungszahlung gemäß Art. 23 VO (EU) Nr. 640/2014 berechnet wird, das Zehnfache der nicht vorgefundenen ökologischen Vorrangfläche abgezogen.
14Gemäß Art. 4 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 bewirkt jede Unregelmäßigkeit in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils durch Verpflichtung zur Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags (Abs. 1). Die Anwendung der Maßnahmen beschränkt sich auf den Entzug des erlangten Vorteils (Abs. 2). Die in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen stellen keine Sanktionen dar (Abs. 4). Nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 können Unregelmäßigkeiten, die vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht werden, u. a. zu folgenden Sanktionen führen: Zahlung eines Betrags, der den rechtswidrig erhaltenen Betrag übersteigt; dieser zusätzliche Betrag, der nach einem in den Einzelregelungen festzulegenden Prozentsatz zu bestimmen ist, darf die zur Abschreckung unbedingt erforderliche Höhe nicht übersteigen (Buchst. b); vollständiger oder teilweiser Entzug eines nach Gemeinschaftsrecht gewährten Vorteils auch dann, wenn der Wirtschaftsteilnehmer nur einen Teil dieses Vorteils rechtswidrig erlangt hat (Buchst. c).
15Nach Art. 46 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 müssen Betriebsinhaber, wenn das Ackerland des Betriebs mehr als 15 Hektar beträgt, ab dem eine Fläche, die mindestens 5 % des vom Betriebsinhaber gemäß Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 347 S. 549) angemeldeten Ackerlands des Betriebs als im Umweltinteresse genutzte Fläche ausweisen. Gemäß Art. 26 Abs. 1 Halbs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 wird die gemäß Art. 46 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 als im Umweltinteresse genutzt auszuweisende Fläche ("vorgeschriebene ökologische Vorrangfläche") auf der Grundlage der ermittelten Gesamtackerfläche berechnet. Der auszuweisende Anteil ÖVF steht in Relation zur gesamten Ackerfläche (100 %), für die eine flächenbezogene Direktzahlung nach Art. 67 Abs. 4 Buchst. b VO (EU) Nr. 1306/2013 beantragt wird. Anders ausgedrückt, erfüllt 1 ha an ÖVF die Verpflichtung für 20 ha angemeldeter Ackerfläche. Wegen dieser Relation würde eine Reduzierung der beihilfefähigen Hektarfläche nur um die nicht vorgefundene ÖVF den für das gesamte Ackerland erlangten rechtswidrigen Vorteil nicht zutreffend abbilden. Bei isolierter Betrachtung der Anforderungen hinsichtlich der Flächennutzung im Umweltinteresse stellt die Flächenkürzung um das Zehnfache der nicht vorgefundenen ÖVF lediglich einen teilweisen Entzug des für das gesamte angemeldete Ackerland erlangten Vorteils im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 dar, denn ein vollständiger Entzug läge erst bei einer Kürzung um den Faktor 20 vor. Hiervon geht auch das Oberverwaltungsgericht aus, wenn es feststellt, nach Art. 26 Abs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014 werde weniger als der wegen des Verstoßes gegen Art. 46 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 rechtswidrig erlangte Vorteil entzogen bzw. nicht gewährt (UA S. 15). Das wird durch Erwägungsgrund 3 der Delegierten VO (EU) 2017/723 bestätigt, wonach Art. 26 VO (EU) Nr. 640/2014 die Vorschrift für die Berechnung der Kürzung der Ökologisierungszahlung bei Verstoß gegen die für die Flächennutzung im Umweltinteresse geltenden Anforderungen enthalte. Diese Berechnung umfasse einen Differenzfaktor und einen Kürzungsfaktor von 50 %. Der Klarheit halber und ohne Änderung des Umfangs der Kürzungen solle diese Vorschrift neugefasst und der Differenzfaktor und der Kürzungsfaktor von 50 % durch einen Multiplikator ersetzt werden. Das ist durch die Neufassung des Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 geschehen. Die Beschränkung der Kürzung dürfte ihren Grund darin finden, dass der Betriebsinhaber mit dem Ackerland nicht nur Anforderungen hinsichtlich der Flächennutzung im Umweltinteresse, sondern auch der Anbaudiversifizierung (Art. 44 VO (EU) Nr. 1307/2013) und insoweit einer weiteren Kürzungsvorschrift (Art. 24 VO (EU) Nr. 640/2014) unterliegt.
16Der Flächenabzug infolge Nichterfüllung der Verpflichtung aus Art. 46 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 führt nach alledem weder zu einer Zahlung eines Betrags, der den rechtswidrig erhaltenen Betrag übersteigt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b VO <EG, EURATOM> Nr. 2988/95), noch zum vollständigen oder teilweisen Entzug eines nach Unionsrecht gewährten Vorteils auch dann, wenn der Wirtschaftsteilnehmer nur einen Teil des Vorteils rechtswidrig erlangt hat (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c VO <EG, EURATOM> Nr. 2988/95); er ist folglich keine Sanktion, sondern eine verwaltungsrechtliche Maßnahme im Sinne dieser Verordnung (vgl. Art. 4 Abs. 4 VO <EG, EURATOM> Nr. 2988/95). Darüber hinausgehend können nach Art. 28 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 Sanktionen verhängt werden (vgl. Busse, in: Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht, 3. Aufl. 2022, § 27 Rn. 196; Schulze/Schulte im Busch, in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO <EU> Nr. 640/2014, Vorbemerkung zu den Art. 22 - 29 Rn. 39).
17Die fehlende Sanktionseigenschaft der Kürzung gemäß Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 folgt zudem aus Art. 27 Abs. 2 VO (EU) Nr. 640/2014, wonach die berechnete Gesamtkürzung - unbeschadet der nach Art. 28 VO (EU) Nr. 640/2014 vorzunehmenden Verwaltungssanktionen - nicht mehr als die gemäß Art. 23 VO (EU) Nr. 640/2014 berechnete Ökologisierungszahlung ausmachen darf. Auch diese Vorschrift schließt aus, dass es im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. b VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zur Zahlung bzw. Nichtgewährung eines Betrags kommt, der den rechtswidrig erlangten Vorteil übersteigt.
182. Aus dem von der Beschwerde herangezogenen 3 C 7.10 - (Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 1) ergibt sich nichts Anderes. Dort hat der Senat ausgeführt, dass im Falle einer nach Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2, Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 391 S. 36) zusätzlich gekürzten Beihilfe die Rückforderung der Beihilfe insgesamt Sanktionscharakter hat (a. a. O. Rn. 16 ff.). Abgesehen von dem unterschiedlichen Regelungszusammenhang steht hier eine über die verwaltungsrechtliche Maßnahme hinausgehende Sanktion nach deren Aufhebung durch die Beklagte nicht mehr inmitten. Die Frage einer Aufspaltung der Kürzung in eine verwaltungsrechtliche Maßnahme gemäß Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 und eine zusätzliche Verwaltungssanktion nach Art. 28 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 kann sich - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat (UA S. 17) - nicht mehr stellen.
193. Angesichts dieses klaren Befundes bedarf es auch nicht der Revisionszulassung, um gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der vom Kläger aufgeworfenen Frage herbeizuführen (vgl. [ECLI:EU:C:1982:335], C.I.L.F.I.T. u. a. - Rn. 21 und vom - C-561/19 [ECLI:EU:C:2021:799], Consorzio Italian Management u. a. - Rn. 39 ff., 51).
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:120624B3B10.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-71189