BGH Urteil v. - XI ZR 491/21

Instanzenzug: Az: XI ZR 491/21 Beschlussvorgehend Hanseatisches Az: 6 U 7/21vorgehend Az: 313 O 10/20

Tatbestand

1Die Kläger nehmen u.a. die Beklagte zu 1 als Gründungsgesellschafterin einer Fondsgesellschaft wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Fondsbeteiligung auf Schadensersatz in Anspruch.

2Die Klägerin zu 1 erklärte am ihren Beitritt zur A.                      GmbH & Co. KG (künftig: Fondsgesellschaft) mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 15.000 €. Im Rahmen einer Kapitalerhöhung zeichnete sie eine weitere Beteiligung in Höhe von 6.070 €. Der Kläger zu 2 erklärte am seinen Beitritt zur Fondsgesellschaft mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 15.000 €. Die Klägerin zu 3 erklärte am ihren Beitritt zur Fondsgesellschaft mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 25.000 €. Der Kläger zu 4 erklärte am seinen Beitritt zur Fondsgesellschaft mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 15.000 €. Der Kläger zu 5 erklärte am seinen Beitritt zur Fondsgesellschaft mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 15.000 €. Der Kläger zu 6 erklärte am seinen Beitritt zur Fondsgesellschaft mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 100.000 €. Im Rahmen einer Kapitalerhöhung zeichnete er eine weitere Beteiligung in Höhe von 43.800 €.

3Gegenstand der Fondsgesellschaft ist der Erwerb von mittelbaren Geschäftsanteilen an einer türkischen Wasserkraftgesellschaft mit fünf Wasserkraftwerken. Der Verkaufsprospekt wurde am aufgestellt und lag den Klägern vor.

4Die Beklagte zu 1 fungierte als geschäftsführende Kommanditistin der Fondsgesellschaft. Auf Seite 100 des Prospekts heißt es u.a. wie folgt:

"Geschäftsbesorgungsvertrag Eigenkapitalvermittlung

Das Beteiligungskapital wird durch die A.    C.            GmbH als Generalvermittlerin auf Basis des Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Emittentin vom platziert."

5Auf Seite 104 des Prospekts heißt es weiter:

"Vertriebsbeauftragte

Das Beteiligungskapital wird auf Grundlage des Geschäftsbesorgungsvertrags Eigenkapitalvermittlung durch die A.   C.            GmbH als Generalvermittler sowie deren Vertriebsbeauftragte, mit denen entsprechende Vertriebsvereinbarungen getroffen werden, platziert. Die A.   C.             GmbH und die Vertriebsbeauftragten sind selbständige Unternehmer. […]"

6Auf Seite 105 des Prospekts heißt es weiter wie folgt:

"Mit dem Vertrieb der Vermögensanlage ist die A.    C.           GmbH - eine Schwestergesellschaft der A.    Ca.                 GmbH - beauftragt. Es ist kein zum Zeitpunkt der Prospektaufstellung beteiligter Gesellschafter und kein Gründungsgesellschafter der Emittentin unmittelbar oder mittelbar an Unternehmen beteiligt, die mit dem Vertrieb der Vermögensanlage beauftragt sind, […]."

7Die Kläger machen verschiedene Prospektfehler geltend und meinen, die Beklagte zu 1 sei ihnen aufgrund ihrer Stellung als Gründungsgesellschafterin nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" [richtig: § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB] zum Schadensersatz verpflichtet.

8Mit ihrer Klage begehren die Kläger (1.) die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 21.820 € (Klägerin zu 1), von 15.750 € (Kläger zu 2), von 24.000 € (Klägerin zu 3), von 14.400 € (Kläger zu 4), von 15.750 € (Kläger zu 5) und von 140.050 € (Kläger zu 6), jeweils zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag über die streitgegenständliche Fondsbeteiligung, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung im Verzug befänden, (3.) die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, die Kläger von Freistellungsansprüchen der Beklagten zu 2 aus dem Treuhandvertrag freizustellen und (4.) die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, den Klägern alle weiteren Schäden zu ersetzen, die in der Zeichnung der Beteiligung ihre Ursache haben. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als das Berufungsgericht die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen hat. Insoweit verfolgen die Kläger zu 1 bis 6 ihre Klagebegehren weiter.

Gründe

9Die Revision hat Erfolg.

I.

10Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

11Eine Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafterinnen aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG in der bis zum geltenden Fassung (künftig: aF) verdrängt. Die spezialgesetzliche Prospekthaftung schließe in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB aus. Ansprüche nach der spezialgesetzlichen Prospekthaftung seien gemäß § 46 BörsG aF verjährt.

II.

12Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG aF verdrängt, kann die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage nicht abgewiesen werden.

131. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt allerdings zutreffend angenommen, dass eine Haftung der Beklagten zu 1 als Gründungsgesellschafterin aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann.

14Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird nach gefestigter Senatsrechtsprechung durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff., vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7 f. in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908 und vom - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 50 ff., jeweils mwN). Diese Senatsrechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. , BGHZ 238, 302 Rn. 11).

15Auf den am aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom bis zum geltenden Fassung (künftig: aF) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eröffnet.

16Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG aF die Verantwortung übernommen haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF), im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF). Die Beklagte zu 1 ist Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF, da sie Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 32/20, BGHZ 233, 47 Rn. 2, 19 und vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908).

17Die Beklagte zu 1 haftete somit als Prospektverantwortliche für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Beklagten zu 1 unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung allein aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (Senatsbeschluss vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26).

182. Ein Gründungsgesellschafter kann gegenüber Anlegern allerdings aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB haften. Insoweit schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eine Haftung aus c.i.c. nicht aus (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 35/18, BKR 2021, 774 Rn. 8, vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 16 in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908, vom - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 41 und vom - XI ZB 16/21, NZG 2024, 24 Rn. 23).

19Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und im Einzelnen begründet hat, kommt eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF auch dann in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt (Senatsbeschluss vom - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 41 ff.; , BGHZ 238, 302 Rn. 11).

20Vertriebsverantwortung kann durch verschiedene Umstände begründet werden. Vertriebsverantwortung trägt ein Altgesellschafter, wenn er selbst den Vertrieb übernimmt, beispielsweise als Vertriebsgesellschaft. Vertriebsverantwortung kann jedoch auch bestehen, wenn ein Altgesellschafter den Vertrieb nicht selbst übernimmt. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter. Altgesellschafter tragen die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beteiligungsinteressenten aber nicht allein deswegen, weil ihr Alleingesellschafter aufgrund eines von der Fondsgesellschaft erteilten Auftrags den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat. Eine personelle Verflechtung eines Altgesellschafters mit der Vertriebsgesellschaft begründet ebenfalls keine Verantwortung für den Vertrieb (vgl. , BGHZ 238, 302 Rn. 30 und Senatsbeschlüsse vom - XI ZR 60/22, BKR 2023, 718 Rn. 7 und - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 44).

21Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte zu 1 für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlich. Aus dem Prospekt ergibt sich, dass die A.   C.             GmbH von der Fondsgesellschaft auf der Basis eines Geschäftsbesorgungsvertrags vom mit dem Vertrieb beauftragt wurde. Die Komplementärin der Fondsgesellschaft war nach den Angaben im Prospekt (S. 104) ausdrücklich von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Geschäftsführende Kommanditistin der Fondsgesellschaft war vielmehr die Beklagte zu 1. Diese ist danach für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlich, da der Vertriebsauftrag, wie hier, von der Fondsgesellschaft erteilt wurde (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 44; , BGHZ 238, 302 Rn. 31). Eine Haftung der Beklagten zu 1 wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB kann damit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, die Haftung werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

III.

22Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Sache ist vielmehr zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110624UXIZR491.21.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-70967