BGH Beschluss v. - 5 StR 38/24

Instanzenzug: Az: 628 KLs 6/22

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten S.        wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und den Angeklagten W.  wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben (mit Betäubungsmitteln) in nicht geringer Menge, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall sowie wegen unerlaubten Besitzes von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und fünf Monaten. Hinsichtlich des Angeklagten W.   hat das Landgericht zudem eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die jeweils mit der Sachrüge die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge erzielen; im Übrigen sind beide Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO (vgl. Antragsschriften des Generalbundesanwalts).

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Angeklagte W.  und der nicht revidierende Mitangeklagte K.      zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem zusammen, um künftig aufgrund eines gemeinsamen Tatplans fortlaufend Kokain und Marihuana im zum Teil mehrstelligen Kilogrammbereich zu beziehen und gewinnbringend an Abnehmer weiterzuverkaufen. Für die Aufgaben eines „Bunkerhalters“ und eines Kuriers gewannen sie den Angeklagten S.        und den nicht revidierenden Mitangeklagten Wa.   .

3Auf Basis dieser Bandenabrede handelte der Angeklagte W.  in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe allein mit Kokain in nicht geringer Menge und in den Fällen 2, 5 und 11 allein mit Cannabis, nämlich im Fall 2 mit 475 g Marihuana mit einem THC-Gehalt von 10 Prozent, im Fall 5 mit 6 kg Marihuana sowie im Fall 11 mit 40 kg Marihuana jeweils mit einem Wirkstoffgehalt von 15 Prozent. Das Marihuana aus Fall 11 stammte aus einer LKW-Lieferung, deren Entladung und Verteilung sie hinsichtlich weiterer 48,7 kg Marihuana mit Wirkstoffgehalten zwischen 10 und 15 Prozent zugunsten anderer Erwerber mit übernahmen. In den Fällen 4, 7, 8, 10 handelte der Angeklagte W.  im Rahmen der Bandenabrede jeweils gleichzeitig mit Kokain in nicht geringer Menge und Marihuana, wobei sich die Marihuanaanteile auf 3 kg mit einem Wirkstoffgehalt von 15 Prozent im Fall 4, auf 34 kg mit einem Wirkstoffgehalt von 15 Prozent sowie weitere 9 kg mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Prozent im Fall 7, auf 9 kg mit einem Wirkstoffgehalt von 15 Prozent im Fall 8 sowie auf 13 kg mit einem Wirkstoffgehalt von 15 Prozent im Fall 10 beliefen. Im Fall 12 handelte der Angeklagte W.  außerhalb der Bandenabrede mit 7 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Prozent. Fall 13 betraf ein Waffendelikt des Angeklagten W.  ; die Fälle 6 und 9 beinhalten nur Taten des nicht revidierenden Mitangeklagten K.    .

4In den Fällen 4, 7 und 10 der Urteilsgründe unterstützte der Angeklagte S.         den Handel der Täter. Hierzu übergab er unter anderem im Fall 4 auf Geheiß der Angeklagten W.  und K.     an verschiedene Abnehmer insgesamt 300 Gramm Kokain (mindestens 70 Prozent KHC) und 3 kg Marihuana (15 Prozent THC) und nahm teilweise den Kaufpreis entgegen. Im Fall 7 übernahm er die Übergabe von insgesamt 300 Gramm Kokain (mindestens 70 Prozent KHC) und von insgesamt 14 kg Marihuana (15 Prozent THC) sowie von weiteren, später wegen mangelnder Qualität zurückgegebenen 2 kg Marihuana. Im Fall 10 händigte er insgesamt 4 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 15 Prozent an Abnehmer aus; Übergaben von Kokain tätigte er in diesem Fall nicht.

52. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt bei beiden Angeklagten jeweils zur Änderung des Schuld- und zur weitgehenden, im Fall des Angeklagten S.       zur vollständigen Aufhebung des Strafausspruchs.

6a) Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben, soweit die Angeklagten in den Fällen 2, 4, 5, 7, 8, 10, 11 und 12 der Urteilsgründe für ihren Umgang mit Marihuana nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden sind. Am ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109), was der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat; nach der Neuregelung unterfällt das Handeltreiben mit Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern allein dem – hier milderen – Konsumcannabisgesetz (vgl. ). Dies führt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO zur Umstellung der Schuldsprüche. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die geständigen Angeklagten jeweils nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

7aa) Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte W.  in den Fällen 2, 5 und 11 der Urteilsgründe bandenmäßig allein mit Cannabis in nicht geringer Menge gehandelt (vgl. zur nicht geringen Menge – dort in Bezug auf § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG – BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24; vom – 5 StR 153/24), so dass er strafbar ist wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG). Dass sich die Taten jeweils auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, bedarf keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel. Der Qualifikationstatbestand des Bandenhandels mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG setzt stets voraus, dass die Tat eine nicht geringe Menge betrifft; in solchen Fällen ist der Zusatz zur rechtlichen Bezeichnung des Qualifikationstatbestandes entbehrlich (vgl. ). Im Fall 11 hat er zudem tateinheitlich Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis geleistet (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB). Dass sich die Tat insoweit auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog, stellt hier lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Gleiches gilt für Fall 12, in dem der Angeklagte wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Cannabis strafbar ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). In den Fällen 4, 7, 8 und 10 der Urteilsgründe handelte der Angeklagte W.  bandenmäßig jeweils mit Kokain und Cannabis in nicht geringer Menge. Daher hat er sich hier schuldig gemacht des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) in Tateinheit mit bandenmäßigem Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG). In den Fällen 1, 3 und 13 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch Bestand.

8bb) Die Taten des Angeklagten S.       sind jeweils als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 27 StGB) sowie mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG) zu bewerten, wobei er sich in den Fällen 4 und 7 eines weiteren tateinheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig gemacht hat.

9b) Die Einzelstrafen können in den von der Schuldspruchkorrektur betroffenen Fällen – beim Angeklagten S.        folglich in allen abgeurteilten Fällen – nicht bestehen bleiben, weil die einschlägigen Strafnormen des Konsumcannabisgesetzes jeweils mildere Strafrahmen vorsehen als die von der Strafkammer angewandten Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes. Dies zieht den Wegfall der Gesamtstrafenaussprüche nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:040624B5STR38.24.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-70963