BGH Urteil v. - 1 StR 463/23

Instanzenzug: LG Heilbronn Az: 15 KLs 36 Js 10508/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.   wegen Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte A.    ist wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden.

2Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren zuungunsten der beiden Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen im Wesentlichen die Verurteilung des Angeklagten S.   wegen Anstiftung zur versuchten räuberischen Erpressung sowie eine täterschaftliche Verurteilung des Angeklagten A.    wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung. Sie rügt, dass das Landgericht auch in Bezug auf den Angeklagten A.   seiner Kognitionspflicht nicht nachgekommen sei. Selbst wenn dessen Verhalten nicht als Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zu bewerten sei, so hätte es das Tatgeschehen – wie auch betreffend den Angeklagten S.   – im Hinblick auf eine mögliche Anstiftung (§ 26 StGB) prüfen und die Angeklagten gegebenenfalls dementsprechend verurteilen müssen. Die Rechtsmittel sind begründet.

31. Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren relevant – Folgendes festgestellt:

4Der Angeklagte S.   belieferte als angestellter Kurierdienstfahrer den Geschädigten Ac.    , der Inhaber einer Kfz-Werkstatt war, mit Fahrzeugutensilien. Aus dieser Tätigkeit war ihm bekannt, dass der Geschädigte den Rechnungsbetrag bei Anlieferung der Ware stets bar bezahlte und zu diesem Zweck eine größere Menge Bargeld vorhielt. Kurz vor dem informierte der Angeklagte S.    den Angeklagten A.   hierüber. Dabei war ihm bewusst, dass der Angeklagte A.    den Hinweis an zwei ihm unbekannte Personen weitergeben würde, und er nahm – wie der Angeklagte A.   auch – zumindest billigend in Kauf, dass diese die übermittelte Information nutzen würden, um unter Anwendung von Gewalt widerrechtlich an das Bargeld des Geschädigten Ac.   zu gelangen. Ein eigenes Interesse am Taterfolg hatten weder der Angeklagte S.    noch der Angeklagte A.    .

5Nach Erhalt des Hinweises durch den Angeklagten A.    beschlossen die Mitangeklagten G.     und D.    , dem Geschädigten Ac.  das von ihm mitgeführte Bargeld durch Drohung mit einer Schreckschusswaffe und einem Messer wegzunehmen. Da die beiden über kein Fahrzeug verfügten, wandten sie sich an den Angeklagten A.   , der wiederum die Mitangeklagte T.              gewinnen konnte, mit ihm und den Mitangeklagten G.      und D.   am in ihrem Pkw in die Nähe der Werkstatt des Geschädigten Ac.  zu fahren. Dort kundschaftete der Angeklagte A.    zunächst den Parkplatz aus, auf dem er und die Mitangeklagte T.             mit dem Fluchtfahrzeug auf die Rückkehr der Mitangeklagten G.      und D.    warten wollten. Spätestens als diese sich im Fahrzeug maskierten, erlangte der Angeklagte A.    Kenntnis von ihrer Bewaffnung. Während die Mitangeklagten D.    und G.     die Tat ausführten und dabei neben dem Geschädigten Ac.  , einer spontanen Tatplanerweiterung entsprechend, auch den Geschädigten Ak.   unter Vorhalt des Messers und der Schreckschusspistole vergeblich zur Herausgabe von Bargeld aufforderten, beobachtete der Angeklagte A.    aus einem Gebüsch heraus das Geschehen in der Werkstatt. Der Angeklagte S.    war zufällig zugegen und trotz seines Tipps wegen des Überfalls erschrocken. Als die Mitangeklagten G.      und D.   erkannten, dass sie ihr Ziel allein durch Drohung mit der Schreckschusswaffe und dem Klappmesser nicht erreichen würden, und zum Fluchtfahrzeug zurückliefen, öffnete der Angeklagte A.    die hintere Fahrzeugtür, um ein rasches Einsteigen und eine schnelle Flucht zu ermöglichen. Die beiden Mitangeklagten setzten ihre Flucht jedoch zu Fuß fort.

62. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet. Das Landgericht hat entgegen seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) den festgestellten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt; denn es hat eine Strafbarkeit der Angeklagten S.    und A.    wegen (Ketten-)Anstiftung zur versuchten räuberischen Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 26, 22, 23 Abs. 1 StGB) nicht geprüft, obschon dazu Anlass bestanden hat.

7a) Als Anstifter macht sich gemäß § 26 StGB derjenige strafbar, der einen anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt und dabei die vorsätzliche Begehung der Haupttat durch den Haupttäter und das Hervorrufen des Tatentschlusses des Haupttäters durch ihn selbst zumindest für möglich hält (kognitives Element) und billigend in Kauf nimmt (voluntatives Element; st. Rspr.; vgl. nur Rn. 6 mwN). Anstifter kann auch sein, wer kein ideelles oder materielles Interesse am Taterfolg hat. Auf seine Motivation kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. Rn. 12 und vom – 3 StR 10/00, BGHR StGB § 26 Bestimmen 4). Die Anstiftung zur Anstiftung wird als Anstiftung zur Haupttat bestraft (vgl. Rn. 8).

8b) Daran gemessen kommt nach den bislang getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit beider Angeklagter wegen (Ketten-)Anstiftung in Betracht, falls nicht nach den Gesamtumständen hinsichtlich des Angeklagten A.    sogar eine mittäterschaftliche Begehungsweise (§ 25 Abs. 2 StGB) anzunehmen ist.

9Nach den Urteilsgründen drängt sich auf, dass der Angeklagte S.   , indem er über eine erneute Bestellung des Geschädigten Ac.  informierte, den Angeklagten A.   zumindest bedingt vorsätzlich dazu veranlasste, seinerseits in den Mitangeklagten G.     und D.   den Tatentschluss zu wecken. Dabei wussten beide Angeklagten auch um die wesentlichen Einzelheiten der Haupttat und nahmen diese billigend in Kauf. Unerheblich ist, dass der Angeklagte S.    die Haupttäter nicht kannte und es dem Angeklagten A.   überließ, diese auszuwählen (vgl. Rn. 14 und vom – 3 StR 796/53, BGHSt 6, 359, 361; Beschluss vom – 3 StR 259/21 Rn. 8). Der Annahme von Anstiftung stünde auch das Erfordernis der Kausalität der jeweiligen Anstiftungshandlungen nicht entgegen, da sich der Angeklagte A.   sowie die Mitangeklagten G.     und D.    jeweils erst nach Erhalt des Hinweises zu der konkreten Tat entschlossen (UA S. 29, 30); eine „allgemeine Tatbereitschaft“ der Haupttäter steht demnach – anders als bei einem zu einer konkreten Tat fest Entschlossenen (sogenannten „omnimodo facturus“) – einer Anstiftung durch einen „Tippgeber“ nicht entgegen ( Rn. 13 und vom – 1 StR 231/16, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Anstiftung 1 Rn. 24 mwN).

10c) Die rechtsfehlerhaft unterbliebene Erörterung einer etwaigen Strafbarkeit wegen Anstiftung führt zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Angeklagten S.    und A.   . Um den Angeklagten eine angemessene Verteidigung zum Gesichtspunkt der Anstiftung (§ 265 Abs. 1 StPO) und dem Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen, insbesondere zur subjektiven Tatseite, zu ermöglichen, hebt der Senat zudem die zugrundeliegenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

113. Der Senat weist darauf hin, dass das neue Tatgericht, sofern es eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Anstiftung zu einer versuchten räuberischen Erpressung bejaht, zu beachten haben wird, dass eine etwaige zugleich verwirklichte Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung als weniger schwere Beteiligungsform grundsätzlich hinter der Anstiftung als subsidiär zurücktritt, wenn sich die Beteiligungsformen auf dieselbe Haupttat beziehen (vgl. Rn. 16 f. und vom – 3 StR 46/53, BGHSt 4, 244, 247; Beschluss vom – 3 StR 156/08 Rn. 11). Gleiches gilt für eine unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB; vgl. Rn. 12 und vom – 1 StR 21/93 Rn. 6). Hinsichtlich der Mindeststrafe entfaltet das zurücktretende Delikt jedoch eine Sperrwirkung. Für die nach dem verdrängenden und dem verdrängten Strafgesetz zu vergleichenden Mindeststrafen gilt, da es um die Ermittlung der gerechten Strafe geht, eine konkrete Betrachtung, so dass auch jeweils einschlägige spezialgesetzliche oder im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches vorgesehene Strafmilderungsgründe zu berücksichtigen sind (vgl. Rn. 4 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:120624U1STR463.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-70923