Online-Nachricht - Dienstag, 09.07.2024

Einkommensteuer | Keine verfassungsrechtlichen Zweifel an Neuregelung zu Fondsetablierungskosten (FG)

Miet- oder Pachtgarantien im Rahmen eines Immobilienanlageprojekts unter Beteiligung eines geschlossenen Immobilienfonds können Fondsetablierungskosten im Sinne von § 6e Abs. 2 EStG darstellen. Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung von § 6e EStG auf den VZ 2014 (§ 52 Abs. 14a EStG) (; Revision anhängig, BFH-Az. IX R 13/24).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für eine sog. Pre-Opening-Zahlung und eine Pachtgarantie als Anschaffungskosten in Form von Fondsetablierungskosten abzuschreiben sind oder ob es sich hierbei um sofort abzugsfähige Werbungskosten handelt:

Die Klägerin behandelte Kosten für eine Pachtgarantie als aktiven Rechnungsabgrenzungsposten und grenzte diesen über 25 Jahre ab. Aufwendungen für eine Pre-Opening-Zahlung behandelte sie als sofort abzugsfähige Werbungskosten.

Das FA ordnete die Kosten für die Pachtgarantie und die Pre-Opening-Zahlung gem. Textziffer 17 des (BStBl. I 2003, 546) als Anschaffungskosten ein.

Das FG folgte der Auffassung des FA und wies die Klage als unbegründet ab:

  • Die Aufwendungen für die Pachtgarantie und die Pre-Opening-Zahlung sind als Anschaffungskosten in Form von Fondsetablierungskosten (§ 6e EStG) zu behandeln und abzuschreiben.

  • Die Klägerin erzielt zwar Überschusseinkünfte (Vermietung und Verpachtung, § 21 EStG), wohingegen § 6e EStG unmittelbar nur für Gewinneinkünfte anzuwenden ist. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG ordnet indes eine entsprechende Anwendung von § 6e EStG bei den Überschusseinkünften an.

  • § 6e EStG ist gem. § 52 Abs. 14a EStG auch auf Wirtschaftsjahre anzuwenden, die vor dem endeten, sodass die Vorschrift Rückwirkung für das Streitjahr 2014 entfaltet. Die rückwirkende Anwendung des § 6e EStG ist im Streitfall nicht verfassungswidrig.

  • Zwar wird im Schrifttum die Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung unterschiedlich beurteilt, so dass Zweifel in dieser Hinsicht durchaus angezeigt sind (für Verfassungsgemäßheit: Kulosa in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 6e EStG Rn. 2; Berndt, ISR 2021, 268, 270; Heß in Lademann, EStG, § 6e Rn. 11, Stand: Mai 2020; für Verfassungswidrigkeit: Schiffers in Korn, EStG, § 6e EStG Rn. 17f., Stand: Februar 2020; Haselmann/Cropp/Hundrieser, DStR 2020, 2580, 2583 ff.; Prinz, DB 2020, 270, 271; zeitlich differenzierend Zapf, FR 2019, 804, 806 f.; Rüsch, DStR 2020, 1172, 1174).

  • Gesetze mit echter Rückwirkung sind grundsätzlich verfassungswidrig, es bestehen von diesem grundsätzlichen Verbot jedoch Ausnahmen.

  • Das Rückwirkungsverbot gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (, BFH/NV 2024, 431).

  • Vorliegend bestehen jedoch gute Gründe dafür, die echt rückwirkende Anwendung von § 6e Abs. 1, Abs. 2 EStG ausnahmsweise für zulässig zu halten. Mit der gesetzlichen Neuregelung hat der Gesetzgeber - jedenfalls im Kern - die bis zum , BStBl. II 2020, 645 weitgehend akzeptierte und höchstrichterlich gefestigte Rechtslage wieder hergestellt (zum Urteil s. Keller, ).

  • Auf eine von den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen abweichende Auslegung des einfachen Rechts konnte der Steuerpflichtige - auch nach der Einführung von § 15b EStG durch das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen vom (BGBl. I 2005, 3683) - nicht ohne Weiteres schutzwürdig vertrauen. Weder die Gesetzesmaterialien zu § 15b EStG noch die Gerichts- und Verwaltungspraxis nach Einführung der Norm lieferten hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die bisherige ständige Rechtsprechung zur Umqualifizierung von Fondsetablierungskosten als Anschaffungskosten nunmehr keine Gültigkeit mehr haben sollte.

  • Vor der Einführung von § 15b EStG gab es eine gefestigte Rechtsprechung (vgl. u.a. , BStBl. II 1990, 299). Diese gefestigte Rechtsprechung setzte sich nach der Einführung von § 15b EStG fort.

  • Das BMF behielt den Bauherren- und Fondserlass nach Inkrafttreten von § 15b EStG unverändert bei und ordnete in seinem Anwendungserlass zu § 15b EStG ausdrücklich die weitere Anwendung der bisherigen Grundsätze zur Umqualifizierung von Fondsetablierungskosten als Anschaffungskosten an ( BStBl. I 2007, 542, Tz. 4). Diese Auslegung wurde in einschlägigen Veröffentlichungen in der Fachliteratur zum Teil geteilt (vgl. Naujok, DStR 2007, 1601, 1602) oder jedenfalls nicht thematisiert und in Zweifel gezogen (vgl. etwa Beck, DStR 2006, 61, 62 f.; Brandtner/Lechner/Schmidt, BB 2007, 1922; Bock/Raatz, DStR 2008, 1407).

  • Vor diesem Hintergrund stellt sich das Urteil des BFH v. - IV R 33/15, BStBl. II 2020, 645 nicht als eine erstmalige Klärung einer in der Rechtspraxis diskutierten Frage dar, bei der der Steuerpflichtige schutzwürdig auf eine gerichtliche Auslegung zu seinen Gunsten vertrauen konnte. Es handelte sich vielmehr um eine "Überraschungsentscheidung", die vom Gesetzgeber für Zeiträume vor dieser Entscheidung korrigiert werden konnte, ohne dass damit - jedenfalls im Streitzeitraum 2014 - schutzwürdiges Vertrauen verletzt wurde.

Hinweis:

Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. IX R 13/24 anhängig. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank der Freien und Hansestadt Hamburg veröffentlicht.

Quelle: (il)

Fundstelle(n):
JAAAJ-70626