BSG Urteil v. - B 6 KA 2/23 R

Vertragsärztliche Versorgung - Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen - sachlich-rechnerische Richtigstellung - Abzug des bis einschlägigen Investitionskostenabschlags für öffentlich-geförderte Krankenhäuser - Bindungswirkung des Honorarbescheids - vierjährige Ausschlussfrist

Leitsatz

Wurde der bis zum einschlägige Investitionskostenabschlag in Höhe von 10 vom Hundert versehentlich nicht vom vertragsärztlichen Honorar eines öffentlich-geförderten Krankenhauses abgezogen, darf nach Abschluss der vierjährigen Ausschlussfrist nur das Honorar nachträglich gekürzt werden, dessen Festsetzung noch nicht bindend geworden ist.

Gesetze: § 120 Abs 3 S 2 SGB 5 vom , § 120 Abs 1 SGB 5, § 106a Abs 2 S 1 SGB 5 vom , § 76 Abs 1 S 2 SGB 5, § 31 S 1 SGB 10, § 45 Abs 2 S 3 SGB 10, § 45 Abs 4 S 1 SGB 10, § 45 Abs 4 S 2 SGB 10, § 77 SGG, § 133 BGB, § 157 BGB

Instanzenzug: Az: S 83 KA 166/17 Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 7 KA 52/19 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung für die Quartale 3/2007 und 4/2007. Streitig ist insbesondere, in welcher Höhe die Beklagte berechtigt war, den (bis zum geltenden) zuvor nicht berücksichtigten Investitionskostenabschlag von einer Nachzahlung für ambulante Notfallbehandlungen in Abzug zu bringen.

2Die Klägerin ist Trägerin eines im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gelegenen öffentlich geförderten Krankenhauses. In den Quartalen 3/2007 und 4/2007 erbrachte sie in ihrer Erste-Hilfe-Stelle ambulante Leistungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und rechnete diese mit den Gebührenordnungspositionen (GOP) 01210 bis 01217 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) ab (Ordinationskomplex bzw Konsultationskomplex im organisierten Not<fall>dienst). Die Beklagte erkannte demgegenüber nur die mit 200 Punkten bewertete GOP 01218 EBM-Ä (Notfallbehandlung durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser) an und setzte - ausgehend von einem Punktwert in Höhe von 4,15 Cent - das Honorar für die Notfallbehandlungen für das Quartal 3/2007 in Höhe von 42 479,40 Euro (bei einem Gesamthonorar von 126 757,12 Euro) und für das Quartal 4/2007 in Höhe von 55 161,80 Euro (bei einem Gesamthonorar von 154 389,77 Euro) fest (Bescheide vom und ). Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin - außer gegen einen nicht mehr in Streit stehenden Zurückbehalt wegen nicht einbehaltener Praxisgebühren - gegen die Streichung der Ordinations-/Konsultationsgebühr.

3Mit zwei Urteilen vom entschied der Senat, dass die punktzahlmäßige Bewertung des Ordinationskomplexes für Notfallbehandlungen im EBM-Ä nicht danach differenzieren darf, ob die Behandlung im organisierten vertragsärztlichen Notdienst oder in einem Krankenhaus durchgeführt wurde (B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8; B 6 KA 47/07 R - ZMGR 2009, 47). Der erweiterte Bewertungsausschuss (eBewA) passte daraufhin rückwirkend die Vergütung der Notfallbehandlung durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser an. Für die Zeit vom bis erfolgte die Vergütung nunmehr nach der GOP 01210 (500 Punkte), wenn die Notfallbehandlung während der Zeiten des organisierten Notfalldienstes erbracht wurde. Weitere Arzt-Patienten-Kontakte im Rahmen eines Behandlungsfalls wurden entsprechend den GOP 01215 bis 01217 vergütet. Notfallbehandlungen außerhalb der Zeiten des organisierten Notfalldienstes wurden nach der GOP 01218 abgerechnet (Teil B des Beschlusses des eBewA zur Vergütung von Notfallleistungen im Krankenhaus mit Wirkung vom bis zum in seiner 17. Sitzung am ).

4Mit Beschluss vom erließ die Vertreterversammlung der Beklagten zudem rückwirkend für die Zeit vom bis zum einen neuen Honorarverteilungsmaßstab (HVM), in dem sie die Notfallbehandlungen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung einheitlich mit 2,97 Cent für die Primärkassen und 3,59 Cent für die Ersatzkassen bewertete (§ 8b Abs 4, § 15 Abs 2 HVM). Das LSG hatte zuvor entschieden, dass die in den HVM der Beklagten ab dem vorgesehenen Individualbudgets nicht den gesetzlichen Vorgaben genügten ( und L 7 KA 4/11 - juris; vgl auch - SozR 4-2500 § 85 Nr 68).

5Mit Widerspruchsbescheid vom half die Beklagte den Widersprüchen teilweise ab und vergütete der Klägerin für die Notfallbehandlungen 6746,06 Euro brutto (Quartal 3/2007) bzw 10 908,29 Euro brutto (Quartal 4/2007) nach. Entsprechend dem Beschluss des eBewA seien die Notfallbehandlungen bei Inanspruchnahme während der Zeiten des organisierten Notdienstes jeweils mit 500 Punkten zu berücksichtigen, allerdings nach dem nunmehr gültigen HVM zu Punktwerten von 2,97 Cent für den Primärkassenbereich bzw 3,59 Cent für den Ersatzkassenbereich. Von den sich hieraus errechnenden Beträgen in Höhe von 21 813,08 Euro brutto (Quartal 3/2007) bzw 29 722,52 Euro brutto (Quartal 4/2007) sei jedoch der nach § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V vorgeschriebene Investitionskostenabschlag von 10 % auf das Gesamthonorar in Höhe von 15 067,02 Euro (10 % von 150 670,20 Euro) für das Quartal 3/2007 bzw 18 814,23 Euro (10 % von 188 142,29 Euro) für das Quartal 4/2007 abzuziehen, der bei der ursprünglichen Honorarfestsetzung nicht berücksichtigt worden sei.

6Die Klage, mit der die Klägerin zuletzt beantragt hatte, die Beklagte zu verpflichten, ihr eine weitere Vergütung für Notfallbehandlungen in Höhe von 26 518,49 Euro (Quartal 3/2007) bzw 34 059,17 Euro (Quartal 4/2007) jeweils netto zu zahlen, ist erfolglos geblieben (). Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei berechtigt gewesen, den Investitionskostenabschlag von allen erbrachten Leistungen und nicht nur von der Nachzahlung abzuziehen. Die Honorarfestsetzung sei nicht teilweise bestandskräftig geworden, auch wenn die Klägerin gegen die Vergütung der Notfallleistungen Widerspruch eingelegt habe. Deren Höhe stelle nur einen von mehreren Rechenschritten dar, um von der Honorarforderung zur Honorarsumme zu gelangen.

7Auf die Berufung der Klägerin, mit der sich diese nur noch gegen den Abzug des Investitionskostenabschlags vom Gesamthonorar gewandt hat, hat das LSG die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine weitere Vergütung der Notfallbehandlung in Höhe von 12 885,71 Euro (Quartal 3/2007) bzw 15 841,98 Euro (Quartal 4/2007) zu zahlen. In dem Vorgehen der Beklagten, den Investitionskostenabschlag auf das Gesamthonorar der beiden streitgegenständlichen Quartale zu erheben, liege eine unzulässige reformatio in peius. Die Widersprüche der Klägerin hätten sich nach ihrem Inhalt einschließlich des in der Widerspruchsbegründung zum Ausdruck kommenden Begehrens nur gegen den - im Berufungsverfahren nicht mehr streitigen - Abzug der Praxisgebühr und die Bewertung der Notfallbehandlungen gerichtet, bei denen es sich um abtrennbare Teile der Honorarbescheide handele. Die Klägerin habe daher zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides im Hinblick auf das übrige, im Widerspruchsverfahren nicht streitgegenständliche Honorar Vertrauensschutz genossen. Eine nachträgliche Korrektur des übrigen Honorars habe nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X erfolgen dürfen, deren Voraussetzungen hier nicht vorlägen.

8Die Beklagte rügt mit ihrer Revision sinngemäß eine Verletzung des Grundsatzes der reformatio in peius. Die ursprünglichen Honorarbescheide für die Quartale 3/2007 und 4/2007 seien durch die Saldierung mit dem Investitionskostenabschlag auf das gesamte Honorar nicht zum Nachteil der Klägerin geändert worden. Die Klägerin habe ihre Widersprüche auch nicht wirksam auf die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Notfallbehandlung beschränkt. Die Notfallleistungen seien nur Elemente der gesamten Honorarsumme, sodass es sich nicht um einen abtrennbaren Teil der ausgewiesenen Honoraransprüche handele. Hieraus folge, dass mit dem Widerspruch die in dem jeweiligen Honorarbescheid ausgewiesene Honorarsumme insgesamt nicht in Bestandskraft habe erwachsen können.

11Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Beklagte sei im Rahmen des Widerspruchsverfahrens lediglich berechtigt gewesen, eine Neuberechnung für diejenigen Honorarteile vorzunehmen, die vom Widerspruch erfasst worden seien. Dies seien die Honorare für die Notfallbehandlungen im Krankenhaus gewesen.

Gründe

12Die zulässige Revision der Beklagten ist nur im tenorierten Umfang begründet. Zu Unrecht hat das LSG den 10%igen Investitionskostenabschlag lediglich von dem nachgezahlten, nicht jedoch von dem gesamten die Notfallbehandlungen betreffenden Honorar in den Quartalen 3/2007 und 4/2007 abgezogen. Zutreffend ist das LSG jedoch davon ausgegangen, dass eine nachträgliche Kürzung des Gesamthonorars um den Investitionskostenabschlag nicht zulässig war.

13A. Bei der nachträglichen Anwendung des Investitionskostenabschlags auf die Honorare der Quartale 3/2007 und 4/2007 durch den Widerspruchsbescheid vom handelt es sich um eine sachlich-rechnerische Richtigstellung iS des § 106a Abs 2 SGB V (hier noch idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom , BGBl I 2190 <im Folgenden: aF>; heute: § 106d Abs 2 SGB V; vgl dazu zuletzt - juris mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann eine (teilweise) Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen (stRspr; - BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 13 mwN). Gegenstand der Abrechnungsprüfung ist auch die Abrechnung von Notfallbehandlungen, die auf der Grundlage des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser erbracht werden, da infolge der Gleichstellung der in Notfällen tätigen Krankenhäuser mit Vertragsärzten die für die Abrechnung maßgeblichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts insoweit entsprechend gelten (stRspr; - SozR 4-2500 § 106d Nr 8 RdNr 20 mwN).

14Dass die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V grundsätzlich vorliegen, wird von den Beteiligten nicht in Frage gestellt (dazu 1.). Streitig ist lediglich, ob die Honorarbescheide in ihrer Gesamtheit Gegenstand des von der Klägerin initiierten Widerspruchsverfahrens geworden sind (dazu 2.) und in welchem Umfang die Beklagte daher zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides aus Vertrauensschutzgründen materiell-rechtlich gehindert war, die Honorarfestsetzung nachträglich zu korrigieren (dazu 3.).

151. Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass die Vergütung des von der Klägerin betriebenen öffentlich geförderten Krankenhauses nach § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V (idF des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser <Fallpauschalengesetz - FPG> vom , BGBl I 1412, aufgehoben durch Art 6 Nr 13 Buchst b des Krankenhausstrukturgesetzes <KHSG> vom , BGBl I 2229; im Folgenden: aF) in den beiden Quartalen 3/2007 und 4/2007 um einen Investitionskostenabschlag in Höhe von 10 % zu kürzen war (dazu b). Auch im Übrigen sind keine Einwände gegen die Berechnung des Honorars der Notfallbehandlung von den Beteiligten erhoben worden (dazu a).

16a) Die Höhe der Vergütung der im Krankenhaus der Klägerin durchgeführten ambulanten Notfallbehandlungen richtet sich zunächst nach den für die niedergelassenen Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze, wie sie durch den jeweiligen HVM festgelegt werden. Erst in einem zweiten Schritt waren diese um einen Abschlag in Höhe von 10 % zu vermindern (vgl - SozR 4-2500 § 75 Nr 4 = juris RdNr 10; hierzu unter b).

17aa) Maßgeblich ist hier neben dem rückwirkend neu geregelten EBM-Ä (Teil B des Beschlusses des eBewA zur Vergütung von Notfallleistungen im Krankenhaus mit Wirkung vom bis zum in seiner 17. Sitzung am ; vgl hierzu auch sogleich unter bb) der HVM der Beklagten gemäß Beschluss der Vertreterversammlung vom , der nach den Feststellungen des LSG rückwirkend für den Zeitraum vom bis regelt, dass die Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen unbudgetiert mit einem Punktwert von 2,97 Cent für Primärkassen und 3,59 Cent für Ersatzkassen zu vergüten sind (§ 8b Abs 4 und § 15 Abs 2 HVM). Die Beklagte hat ausgehend von diesen Punktwerten und den geänderten GOP das Honorar der Klägerin für Notfallbehandlungen im Quartal 3/2007 mit 64 292,48 Euro (42 479,40 Euro altes Honorar sowie 21 813,08 Euro Nachvergütung) und im Quartal 4/2007 mit 84 884,32 Euro (55 161,80 Euro altes Honorar sowie 29 722,52 Euro Nachvergütung) berechnet. Berechnungsfehler sind insofern nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

18bb) Mit der Neuregelung des EBM-Ä für die Zeit vom bis durch den Beschluss des eBewA vom werden ambulante Notfallbehandlungen nunmehr während der Zeiten des organisierten Notfalldienstes einheitlich nach der GOP 01210 mit 500 Punkten bewertet. Weitere Arzt-Patienten-Kontakte im Rahmen eines Behandlungsfalls werden entsprechend den GOP 01215 bis 01217 vergütet. Nur Notfallbehandlungen außerhalb der Zeiten des organisierten Notfalldienstes werden nach der niedriger bewerteten GOP 01218 (200 Punkte) abgerechnet (vgl - juris RdNr 10; - SozR 4-2500 § 75 Nr 19 RdNr 30 dazu, dass es zulässig ist, Notfallbehandlungen in Krankenhäusern innerhalb der normalen Sprechstundenzeiten einen geringeren Punktwert zugrunde zu legen). Vertragsärzte und Krankenhäuser sind somit bei der Vergütung der ambulanten Notfallleistungen für den Zeitraum der hier streitgegenständlichen Quartale - rückwirkend - normativ gleichgestellt.

19Dem steht unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht entgegen, dass aufgrund der rückwirkenden Festsetzung von niedrigeren Punktwerten durch den HVM der Beklagten das Krankenhaus der Klägerin letztlich eine geringere Vergütung für eine ambulante Notfallbehandlung erhält als ein Vertragsarzt, der diese bereits vor der rückwirkenden Änderung des EBM-Ä sowie des HVM mit dem höheren Punktwert abrechnen konnte. Eine vollständige rückwirkende Gleichstellung mit Vertragsärzten in dem Sinne, dass die ambulante Notfallvergütung des Krankenhauses der Klägerin auf die Höhe der den Vertragsärzten in den Quartalen 3/2007 und 4/2007 bereits ausbezahlten Vergütung hätte angehoben werden müssen, war nicht erforderlich (vgl - SozR 4-2500 § 75 Nr 21 RdNr 36).

20cc) Auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegt nicht vor. Die Neuregelungen der Notfallleistungsvergütungen im EBM-Ä in Verbindung mit der rückwirkenden Absenkung des Punktwertes im HVM entfalten hier schon keine belastende Wirkung für die Klägerin. Eine rückwirkende Neufassung kann nur insoweit verfassungswidrig sein, als die Betroffenen zuvor anspruchsberechtigt waren. Der Klägerin stand jedoch weder nach dem EBM-Ä 2007 aF in Verbindung mit dem HVM aF gesetzlich eine höhere Vergütung zu, noch wurde sie ihr bestandskräftig gerichtlich zugesprochen (vgl erneut aaO RdNr 32 ff mwN). Dies wird im Übrigen auch von Klägerin nicht mehr in Frage gestellt.

21dd) Da die Klägerin im Widerspruchsverfahren insgesamt pro Quartal eine Nachzahlung erhalten hat, ist durch die Neuberechnung mit einem niedrigeren Punktwert auch das Verbot der reformatio in peius nicht verletzt. Dieser auch für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren geltende Grundsatz besagt, dass eine mit einem Rechtsmittel angegriffene Entscheidung nicht ohne Weiteres zum Nachteil des Rechtsmittelführers geändert werden kann, jedenfalls soweit diese nicht auch von einem beteiligten Dritten mit entgegengesetzter Begehrensrichtung angegriffen wird. Vielmehr bleibt die Verwaltung grundsätzlich an begünstigende Regelungen eines mit Rechtsmitteln angegriffenen Verwaltungsaktes gebunden ( - BSGE 71, 274, 276 ff = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 3 ff = juris RdNr 23 ff; - SozR 4-2500 § 85 Nr 82 RdNr 26). In der Anwendung eines niedrigeren Punktwertes - bei insgesamt erhöhten Leistungen - liegt jedoch keine Änderung zuungunsten der Klägerin, da es sich hierbei nur um einen unselbstständigen Faktor der Berechnung des Honoraranspruchs handelt, der nicht an der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes (§ 77 SGG) teilnimmt.

22Bindungswirkung kommt nur dem Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes, nicht jedoch den Begründungselementen und Rechenschritten zu. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass Verwaltungsakte in der Regel nicht wie Urteile eine strenge Trennung zwischen Verfügungssatz und Begründung aufweisen. Die gesamte Begründung ist vielmehr daraufhin zu prüfen, inwieweit sie für einen Verwaltungsakt typische, der Bindung fähige Regelungen (§ 31 Satz 1 SGB X) trifft. Dies gilt auch für Honorarbescheide. Der im Verfügungssatz zum Ausdruck kommende Regelungsgehalt eines Honorarbescheides ist nicht auf den konkreten Zahlbetrag für das entsprechende Quartal beschränkt. Die Entscheidung über die dem Vertragsarzt für seine Leistungen in einem bestimmten Quartal zustehende Vergütung stellt den Mindestinhalt des Honorarbescheides dar. Der Honorarbescheid kann jedoch weitere abtrennbare Regelungen beinhalten, die an der Bindungswirkung teilnehmen. Nicht zum Verfügungssatz gehören dagegen die einzelnen Rechenschritte, die erforderlich sind, um von der Honoraranforderung des Vertragsarztes zur Honorarsumme zu gelangen, die dieser nach den für die Honorarverteilung geltenden Vorschriften beanspruchen kann (vgl zu dem Ganzen - SozR 4-2500 § 85 Nr 82 RdNr 30 f mwN zur nachträglichen Anwendung einer Punktzahlobergrenze für antrags- und genehmigungsbedürftige psychotherapeutische Leistungen; vgl auch - BSGE 53, 284, 290 = SozR 5550 § 15 Nr 1 S 6 f, wonach bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen Einzelkürzungen bei den verschiedenen Gebührenziffern nicht Bestandteile des Verfügungssatzes sind). Einen solchen Rechenschritt, der nicht am Verfügungssatz teilnimmt, stellen auch die angewandten Punktwerte dar. Da die Neuberechnung hier in zutreffender Umsetzung der inzwischen rechtmäßigen Vorgaben des eBewA in Verbindung mit dem HVM der Beklagten für jedes der streitgegenständlichen Quartale zu einer Erhöhung des Honoraranspruchs der Klägerin geführt hat, verstößt die Anwendung niedrigerer Punktwerte in den angefochtenen Bescheiden nicht gegen das Verbot der reformatio in peius.

23b) Von der Vergütung für die Notfallbehandlung ist noch ein 10%iger Abschlag vorzunehmen. § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V aF bestimmte vor dessen Neufassung durch das KHSG, dass die Vergütung für die nach § 120 Abs 1 SGB V im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen bei öffentlich geförderten Krankenhäusern um einen Investitionskostenabschlag von 10 % zu kürzen ist. Daraus hat der Senat den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass es im Hinblick auf die unterschiedliche Kostensituation in öffentlich geförderten Krankenhäusern einerseits und in Praxen niedergelassener Vertragsärzte andererseits generell gerechtfertigt ist, die Vergütungen für die im Krankenhaus als Institutsleistung - nicht als Leistung von persönlich ermächtigten Ärzten - erbrachten Notfallbehandlungen um 10 % gegenüber den Sätzen der vertragsärztlichen Vergütung zu reduzieren. Hierin liegt insbesondere kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ( - BSGE 71, 117 ff = SozR 3-2500 § 120 Nr 2; - BSGE 75, 184, 186 = SozR 3-2500 § 120 Nr 4 S 24; - SozR 3-2500 § 120 Nr 12 S 54; - SozR 4-5540 § 5 Nr 1 RdNr 38; - SozR 4-2500 § 75 Nr 19 RdNr 26; vgl aber auch - SozR 4-2500 § 75 Nr 19 RdNr 26 ff für Zeiträume nach der Neufassung des § 120 SGB V durch das KHSG). Damit waren auch die von dem öffentlich geförderten Krankenhaus der Klägerin in den streitigen Quartalen abgerechneten ambulanten Leistungen prinzipiell um 10 % zu kürzen, was die Beklagte zunächst übersehen hatte.

24Dies wird von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt. Streitig ist allein, ob die Beklagte berechtigt war, den Investitionskostenabschlag aus dem Gesamthonorar zu berechnen und in Abzug zu bringen. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei dem Investitionskostenabschlag - wie bei dem oben angesprochenen Punktwert bzw der Punktzahlobergrenze (RdNr 21, 1. a dd) - lediglich um einen Rechenschritt handelt, der nicht der Bestandskraft fähig wäre. Jedenfalls wenn ein Widerspruch in zulässiger Weise auf die Überprüfung des Honorars für die ambulanten Notfallbehandlungen beschränkt ist (vgl hierzu sogleich unter 2.), kann der Investitionskostenabschlag auch nur noch auf diese Leistungen angewandt werden. Dieser verringert sowohl nach dem Wortlaut des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V aF als auch nach dessen Sinn und Zweck jede einzelne abgerechnete Leistung und stellt nicht etwa einen gesonderten, von der Gesamtvergütung abzuziehenden Posten dar.

25§ 120 Abs 3 Satz 2 SGB V aF spricht zwar "die Vergütung" an, mit der Bezugnahme auf die im Krankenhaus erbrachten "ambulanten ärztlichen Leistungen" stellt die Vorschrift aber klar, dass die einzelne, nach dem EBM-Ä abgerechnete Leistung zu kürzen ist. Dies wird durch Sinn und Zweck des Investitionskostenabschlags bestätigt. Zielsetzung der Abschlagsregelung in § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V aF war es, eine Doppelfinanzierung der für die Krankenhausambulanzen aufgewendeten Investitionen zum einen aus öffentlichen Steuermitteln, "zum anderen über den Investitionskostenanteil in den kassenärztlichen Gebühren" zu verhindern (vgl Entwurf eines Gesundheits-Reformgesetzes <GRG>, BT-Drucks 11/2493, S 66, zu § 129 des Entwurfs). Der Regelung liegt somit die Erwägung zugrunde, dass in öffentlich geförderten Krankenhäusern bestimmte Kosten, die in den vertraglichen Leistungspositionen kalkulatorisch berücksichtigt sind, den Leistungserbringer wirtschaftlich nicht treffen, weil dieser insoweit auf die Förderung der Krankenhäuser aus Steuermitteln zurückgreifen kann (vgl - BSGE 71, 117, 121 = SozR 3-2500 § 120 Nr 2 S 15; - BSGE 75, 184, 186 = SozR 3-2500 § 120 Nr 4 S 24; - juris RdNr 7). Der Investitionskostenabschlag bezieht sich damit auf die einzelne abgerechnete Gebührenziffer und beziffert den Vorteil der Krankenhäuser durch die Förderung aus Steuermitteln pauschal mit 10 %.

262. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Widersprüche gegen die hier streitigen Honorarbescheide in zulässiger Weise (dazu a) auf die Vergütung der ambulanten Notfallbehandlungen beschränkt hat (dazu b).

27a) Eine Beschränkung eines Rechtsbehelfs auf abtrennbare Regelungsteile eines einheitlichen Verwaltungsaktes ist grundsätzlich möglich ( - BSGE 59, 137, 143 = SozR 2200 § 368a Nr 13 S 38; - SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 7; - BSGE 119, 190 = SozR 4-2500 § 101 Nr 17, RdNr 20 mwN). Die - ursprüngliche oder nachträgliche - Beschränkung des Gegenstandes des Widerspruchs führt dazu, dass die nicht (mehr) angegriffenen Teilregelungen in Bestandskraft erwachsen (§ 77 SGG).

28Teilbarkeit eines Bescheides liegt dann vor, wenn sich die Rechtswidrigkeit des einen Teiles nicht auf den Rest des Verwaltungsaktes auswirkt, wobei diese Auswirkung allein nach materiellem Recht zu beurteilen ist (vgl - BSGE 59, 137, 147 = SozR 2200 § 368a Nr 13 S 43 = juris RdNr 29; - BSGE 119, 190 = SozR 4-2500 § 101 Nr 17, RdNr 22 mwN). Dementsprechend hat der Senat entschieden, dass der Honorarbescheid neben dem Zahlbetrag weitere abtrennbare Regelungen beinhaltet, die an der Bindungswirkung teilnehmen wie etwa die Zuweisung des Regelleistungsvolumens ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 10), die gesonderte Feststellung der Bemessungsgrundlagen im Rahmen von Individualbudgets ( - SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 193; - BSGE 83, 52, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 202), die Festsetzung von Praxisbudgets ( - SozR 4-2500 § 87 Nr 3 RdNr 11; - SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 9) oder die Erhebung von Verwaltungskosten auf gesondert abgerechnete Sachkosten ( - SozR 4-2500 § 81 Nr 3 RdNr 13; vgl zu dem Ganzen - SozR 4-2500 § 85 Nr 82 RdNr 31).

29Auch bei der Vergütung für die ambulanten Notfallleistungen handelt es sich um einen abtrennbaren Regelungsteil der angegriffenen Honorarbescheide. Sie ist zahlenmäßig abgrenzbar und die Vergütung für die übrigen Leistungen kann unabhängig vom Schicksal der Honorierung der Notfallbehandlungen bestehen bleiben (vgl auch - SozR 4-2500 § 75 Nr 21 RdNr 13). Ohne Belang ist insofern, dass in den Honorarbescheiden selbst die Vergütung für die Notfallbehandlungen nicht gesondert mit einem Eurobetrag ausgewiesen wird. Es ist ausreichend, dass dieser anhand der ausgewiesenen Punkte und des angegebenen Punktwertes bestimmt werden kann.

30b) Das LSG hat das Rechtsschutzbegehren der Klägerin dahingehend ausgelegt, dass diese ihre Widersprüche - unabhängig von dem mittlerweile nicht mehr streitigen Abzug für nicht einbehaltene Praxisgebühr - lediglich beschränkt auf die sachlich-rechnerische Berichtigung der Notfallbehandlung erhoben hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG hat weder gegen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) noch gegen allgemeine Erfahrungssätze oder gegen Denkgesetze verstoßen (vgl zu diesem Maßstab bei der Auslegung von Willenserklärungen - BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 34; - BSGE 131, 260 = SozR 4-2400 § 14 Nr 25, RdNr 13; - BSGE 134, 283 = SozR 4-2500 § 129a Nr 3, RdNr 36; 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302, 307 = juris RdNr 40 auch dazu, dass es sich bei der Einlegung des Widerspruchs nicht um eine Prozesshandlung handelt). Ob die Klägerin die streitgegenständlichen Honorarbescheide mit ihren Widersprüchen nur teilweise angegriffen hat, ist durch Auslegung ihrer Erklärungen zu ermitteln. Grundsätzlich ist der wirkliche Wille des Klägers bei Einlegung des Widerspruchs zu erforschen (§ 133 BGB). Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert, dh wie die Beklagte und eventuelle andere Beteiligte bei Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände das Rechtsschutzbegehren verstehen müssen ( 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; - SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8 = juris RdNr 15). Diese Grundsätze hat das LSG nicht verletzt. Angesichts der Betreffs ("1. Abzug für nicht einbehaltene Praxisgebühr 2. Streichung der Ordinations-/Konsultationsgebühr") in den beiden Widerspruchsschreiben vom und vom sowie der eindeutigen Formulierungen der Klägerin, dass der Bescheid "in zweierlei Hinsicht aus den im Folgenden genannten Gründen rechtswidrig" sei und sie in ihren Rechten verletzte, gefolgt von Ausführungen unter 1. zum Abzug der Praxisgebühr und unter 2. zur "Streichung der Ordinations-/Konsultationsgebühr", wobei sie auf die sachlich-rechnerische Berichtigung der GOP 01210, 01215, 01216 und 01217 EMB-Ä eingeht, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht von einer Einschränkung des Widerspruchs auf diese beiden (abtrennbaren) Teile der Honorarbescheide ausgeht, auch wenn ausdrücklich einschränkende Formulierungen (etwa "soweit" bei der Einlegung des Widerspruchs), nicht verwendet werden. Denn damit ist der Wille der Klägerin zur Begrenzung des Streitgegenstandes klar und eindeutig zum Ausdruck gekommen (vgl zu diesem Aspekt - SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8 = juris RdNr 15 mwN und RdNr 12 f = juris RdNr 19 f; vgl auch - SozR 4-2500 § 81 Nr 3 RdNr 13).

313. Sind die Festsetzungen in den beiden angegriffenen Honorarbescheiden mit Ausnahme der Vergütung für die Notfallbehandlungen damit bestandskräftig geworden, kommt eine Neufestsetzung der übrigen Vergütung unter Abzug des Investitionskostenabschlags von 10 % - und damit eine Berechnung aus dem Gesamthonorar - nur in Betracht, wenn die Beklagte berechtigt war, diese Bestandskraft zu durchbrechen. Hieran fehlt es (dazu a). Die Beklagte durfte aber die gesamte Notfallvergütung und nicht lediglich den nachgezahlten Betrag um den Investitionskostenabschlag kürzen (dazu b).

32a) Die Beklagte hat mit der Berichtigung der Gesamtvergütung in ihrem Widerspruchsbescheid vom die Fristen, die für den Erlass eines die Fehlerhaftigkeit des ursprünglichen Honorarbescheides korrigierenden Bescheides gelten, nicht gewahrt (dazu aa) und kann sich auch nicht auf Vertrauensausschlussgründe berufen (dazu bb).

33aa) Nach der Rechtsprechung des Senats zur Gewährung von Vertrauensschutz im Rahmen sachlich-rechnerischer Richtigstellungen musste in Bezug auf die streitgegenständlichen Quartale ein Berichtigungsbescheid innerhalb einer vierjährigen Ausschlussfrist bekanntgegeben werden (zur seit dem geltenden Ausschlussfrist von zwei Jahren bei sachlich-rechnerischer Richtigstellung vgl § 106d Abs 5 Satz 3 SGB V idF des Terminservice- und Versorgungsgesetzes <TSVG> vom , BGBl I 646; dazu, dass bei Inkrafttreten bereits erlassene Bescheide hiervon unberührt bleiben vgl - SozR 4-2500 § 106a Nr 23 RdNr 34). Diese Frist wurde nicht eingehalten, da hier die Richtigstellung erst im Jahr 2017 und damit rund neun Jahre nach Erlass der Honorarbescheide erfolgte, ohne dass Hemmungstatbestände ersichtlich sind.

34bb) Die Beklagte war auch nicht trotz des Ablaufs der vierjährigen Ausschlussfrist zu einer nachträglichen sachlich-rechnerischen Richtigstellung berechtigt.

35Nach der Rechtsprechung des Senats bleibt § 106a Abs 2 SGB V aF (bzw jetzt § 106d Abs 2 SGB V) die maßgebliche Rechtsgrundlage für eine gegebenenfalls noch mögliche Richtigstellung vertragsärztlicher Honorarbescheide, wenn - wie hier - die für Richtigstellungen anzuwendende vierjährige (bzw jetzt zweijährige) Ausschlussfrist bereits abgelaufen ist (vgl - BSGE 127, 33 = SozR 4-2500 § 106d Nr 2, RdNr 22 ff). Indes kommt auch zu diesem Zeitpunkt eine Richtigstellung von Honorarbescheiden weiterhin in Betracht, wenn einer der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X erfüllt ist. Denn diese Vorschrift normiert in verallgemeinerungsfähiger Weise diejenigen Sachverhalte, bei denen nach der Wertung des Gesetzgebers ein schutzwürdiges Vertrauen, das die Rücknahme eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes hindert, nicht anerkannt wird. Liegen deren Voraussetzungen vor, sind Richtigstellungen nach § 106a Abs 2 SGB V aF bzw § 106d Abs 2 SGB V auch noch nach Ablauf der Ausschlussfrist möglich (vgl - BSGE 127, 33 = SozR 4-2500 § 106d Nr 2, RdNr 29).

36So verhält es sich hier allerdings nicht. Das LSG, an dessen Feststellungen der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hat einen Vertrauensausschlussgrund nicht festgestellt (zur Bewertung eines Handelns als grob fahrlässig als von den Tatsacheninstanzen zu entscheidende Tatfrage s - SozR 4-2500 § 106a Nr 18 RdNr 36) und ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat das LSG nicht festgestellt, dass der Klägerin die Anwendung des Investitionskostenabschlags aufgrund eines in anderen Quartalen erfolgten Abzugs bekannt war (vgl zu diesem Aspekt - juris RdNr 20). Soweit die Beklagte auf die Fachkunde der Klägerin verweist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Bei Vertragsärzten und Krankenhäusern handelt es sich zwar grundsätzlich um einen fachkundigen Personenkreis, der über die grundlegenden Fragestellungen der Honorarverteilung informiert ist (vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 11 RdNr 39). Dennoch ist Vertrauensschutz nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern es ist auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen, etwa darauf, ob sich der Fehler aufdrängen musste (vgl - SozR 4-2500 § 106a Nr 24 RdNr 29) oder ob der Vertragsarzt von der zuständigen KÄV und/oder den Kostenträgern darauf hingewiesen wurde, dass seine Abrechnungspraxis nicht mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften im Einklang stehe (vgl - SozR 4-2500 § 106a Nr 18 RdNr 36 f unter Hinweis auf den unveröffentlichten Senatsbeschluss vom - B 6 KA 31/07 B).

37Zudem ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, dass die Beklagte bereits bei Abgabe ihres Vergleichsvorschlags vom und damit mehr als ein Jahr vor Erlass des hier streitigen Widerspruchsbescheides vom von dem versehentlichen Nichtabzug des Investitionskostenabschlags wusste, sodass auch die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X (vgl hierzu - BSGE 127, 33 = SozR 4-2500 § 106d Nr 2, RdNr 33) versäumt ist.

38b) Unzutreffend ist das LSG allerdings davon ausgegangen, dass der Investitionskostenabschlag nur von den von der Beklagten ermittelten Nachzahlungen für die Notfallbehandlungen abzuziehen ist. Die Vergütung der ambulanten Notfallleistungen ist in ihrer Gesamtheit Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, sodass diese unter Beachtung des Verbotes der reformatio in peius - das hier nicht greift - auch in ihrer Gesamtheit Gegenstand der Richtigstellung sein konnte. Bei der Neuberechnung der Vergütung der Klägerin für die Notfallbehandlung in den Quartalen 3/2007 und 4/2007 war damit auch der gesetzmäßige Investitionskostenabschlag auf diesen Vergütungsteil durchzuführen.

39Die Vergütung der Notfallbehandlung belief sich nach den Feststellungen des LSG vor Abzug des Investitionskostenabschlags für das Quartal 3/2007 auf einen Betrag in Höhe von 64 292,48 Euro (42 479,40 Euro alte Vergütung zuzüglich einer Nachvergütung in Höhe von 21 813,08 Euro) und für das Quartal 4/2007 auf einen Betrag in Höhe von 84 884,32 Euro (55 161,80 Euro alte Vergütung zuzüglich einer Nachvergütung in Höhe von 29 722,52 Euro; jeweils brutto, vor Abzug der Verwaltungskosten). Damit errechnet sich ein Investitionskostenabschlag in Höhe von (gerundet) 6429,25 Euro für das Quartal 3/2007 bzw 8488,43 Euro für das Quartal 4/2007. Die Nachvergütungen für die ambulanten Notfallbehandlungen reduzieren sich mithin auf 15 383,83 Euro brutto (21 813,08 Euro - 6429,25 Euro) für das Quartal 3/2007 bzw 21 234,09 Euro brutto (29 722,52 Euro - 8488,43 Euro) für das Quartal 4/2007. Unter Berücksichtigung der der Klägerin bereits bewilligten Beträge in Höhe von 6746,06 Euro für das Quartal 3/2007 bzw 10 908,29 Euro für das Quartal 4/2007, hat die Klägerin somit - wie tenoriert - Anspruch auf weitere Vergütung für ambulante Notfallleistungen in Höhe von 8637,77 Euro brutto für das Quartal 3/2007 bzw in Höhe von 10 325,80 Euro brutto für das Quartal 4/2007.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:060324UB6KA223R0

Fundstelle(n):
BAAAJ-70565