NWB Nr. 28 vom Seite 1873

Tarifermäßigung für Landwirte

Prof. Dr. Hans-Joachim Kanzler | Rechtsanwalt | Mitherausgeber des NWB EStG-Kommentars und des Handbuchs Bilanzsteuerrecht

Problematische Fortsetzung einer befristeten Begünstigung

Nur zur Erinnerung: Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BGBl 2019 I S. 2451) wurde § 32c EStG als Tarifermäßigung bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in das EStG eingefügt und trat mit Zustimmung der EU-Kommission am rückwirkend für die Jahre ab 2014 in Kraft. Nach dieser Vorschrift unterliegen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft einer Tarifglättung, indem für einen sog. Betrachtungszeitraum von drei aufeinander folgenden Jahren ein Durchschnittsgewinn und die darauf entfallende fiktive Einkommensteuer ermittelt wird. Ein die tarifliche Einkommensteuer unterschreitender Betrag mindert dann die Tarifsteuer des jeweils dritten VZ des Betrachtungszeitraums.

Die bis zum VZ 2022 befristete Regelung des § 32c EStG soll nun um zwei weitere Betrachtungszeiträume, den VZ 2023 bis 2025 und 2026 bis 2028 verlängert werden, weil – wie im Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft v.  ausgeführt – „sich die Situation der Land- und Forstwirtschaft nicht verbessert hat“ (BT-Drucks. 20/11947 S. 1 und 7). Diese Einschätzung der Lage in der Land- und Forstwirtschaft bezieht sich auf die 2022 ausgelaufene Regelung, die eingeführt wurde, weil „die Folgen des globalen Klimawandels für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zunehmend spürbar zu massiven Ernteausfällen und daraus resultierenden schwankenden Gewinnen geführt“ haben (BT-Drucks. 18/10468 S. 1). Aber konnte man 2016 wirklich davon ausgehen, dass sich die Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft im Jahr 2022 erledigt haben, und ist diese Annahme auch für das Jahr 2028 berechtigt? Faktenbasierte Begründungen sollten jedoch im Interesse eines Gesetzgebers sein, der das Risiko einer Aufhebung seiner Vorschriften vermeiden will. Tatsächlich aber hat die befristete Fortführung der Tarifermäßigung weniger mit den Folgen des Klimawandels zu tun; es handelt sich vielmehr um eine Reaktion auf die Proteste der Landwirte im Januar dieses Jahres, die sich an der geplanten Abschaffung der Agrardiesel-Subvention entzündet hatten.

[i]Niedersächsisches FG, Urteil v. 22.4.2024 - 4 K 6/24, NWB KAAAJ-70134 Die Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG, die im Schrifttum bezweifelt und in dem jüngst erschienenen Urteil des mit Nachdruck verneint wurde, wird in der Entwurfsbegründung mit der unzureichenden Berufung auf die weiten Typisierungsbefugnisse des Gesetzgebers abgetan. Erstaunlich ist auch, dass die Tarifermäßigung ohne eine Evaluation der bisherigen Regelung fortgeführt werden soll. Eine solche Bewertung kann nicht durch den vagen Hinweis auf bisherige Erfahrungen mit einer Durchschnittsentlastung von ca. 1.000 € pro Dreijahreszeitraum ersetzt werden (BT-Drucks. 20/11947 S. 11). Durch Gestaltungen, wie betriebliche Erweiterungen, Baulandverkäufe oder eine gewinnerhöhende Auflösung hoher Reinvestitionsrücklagen im Betrachtungszeitraum, lassen sich nämlich beachtliche sach- und zweckwidrige Steuerermäßigungen erzielen. Die dazu getroffenen Feststellungen des [i] v. 4.1.2022Bundesrechnungshofs vom und dessen Empfehlung, die Regelung entsprechend einzuschränken, finden sich aber weder in der neuen Fassung des § 32c EStG wieder, noch geht die Begründung darauf ein.

Hans-Joachim Kanzler

Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 1873
IAAAJ-70434