Anpassung des Schuldspruchs mit Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes; (Mit-)Verfügungsmacht eines Angeklagten an Erlösen aus Betäubungsmittel- bzw. Cannabis-Geschäften
Gesetze: § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 34 Abs 1 Nr 4 KCanG, § 34 Abs 3 S 1 KCanG, § 34 Abs 3 S 2 Nr 4 KCanG
Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 12 KLs 2/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, vom Vorwurf einer weiteren Tat freigesprochen und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 348.550 € angeordnet. Der Verurteilung lagen Fälle des Handeltreibens teils mit Kokain, teils mit Cannabisprodukten zugrunde. Die im Umfang der Verurteilung erhobene und auf die Sach- und zwei Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Soweit Gegenstand des abgeurteilten Handeltreibens auch oder ausschließlich Cannabis war, ist der Schuldspruch an die Änderungen durch das am in Kraft getretene Cannabisgesetz anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts hat sich der Angeklagte in den Fällen 2 (insofern tateinheitlich mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge), 4 bis 6, 8, 9 und 11 bis 15 der Urteilsgründe jeweils des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig gemacht. Dass sich die Taten jeweils auf eine nicht geringe Menge an Cannabis bezogen (zum Grenzwert für THC nach dem seit dem geltenden Recht vgl. , juris), stellt gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG keine Qualifikation, sondern ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG dar und bedarf deshalb nach dem nunmehr anwendbaren Recht keiner Kennzeichnung im Tenor.
3Der Senat ändert den Schuldspruch demgemäß ab (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
42. Die Einzelstrafaussprüche in den von der Schuldspruchänderung betroffenen Fällen und der Gesamtstrafenausspruch haben keinen Bestand.
5a) Der Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen 4 bis 6, 8, 9 und 11 bis 15 der Urteilsgründe ist nach den Feststellungen des Landgerichts der Strafrahmen aus § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG zu Grunde zu legen. Ein Entfallen der Regelwirkung liegt in allen betreffenden Fällen angesichts der erheblichen Überschreitungen des Grenzwerts der nicht geringen Menge und der übrigen festgestellten Umstände fern. Jedoch sieht der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, während der vom Landgericht – bei Verkündung des Urteils zutreffend – angewendete Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) eröffnet. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens aus § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG in den betreffenden zehn Fällen niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte.
6b) Auch in Fall 2 der Urteilsgründe, der den Handel mit 100 g Kokain und 3 kg Marihuana betrifft, kann der Senat angesichts der an den Wirkstoffgehalten orientierten Staffelung der Einzelstrafen durch das Landgericht, das für die Fälle des isolierten Handels mit 100 g Kokain jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hat, nicht gänzlich ausschließen, dass es bei Anwendung des neuen Rechts zu einer niedrigeren Einzelstrafe als zwei Jahren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
7c) Die Aufhebung der zehn Einzelstrafaussprüche zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
83. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen hält lediglich im Umfang der Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe, mithin in Höhe von 52.650 €, rechtlicher Überprüfung stand. Soweit die Kammer die Anordnung auch auf die Fälle 6 bis 9 und 14 bis 18 der Urteilsgründe gestützt hat, lässt das Urteil Feststellungen zu dem vom Angeklagten jeweils nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB Erlangten vermissen.
9Soll der Erlös aus Betäubungsmittel- (bzw. Cannabis-)Geschäften abgeschöpft werden, sind regelmäßig Feststellungen zur Entgegennahme der Verkaufserlöse oder Provisionen und deren Verbleib erforderlich (vgl. , juris Rn. 11). Eine unmittelbare Beteiligung an der Übergabe der Erlöse aus den Geschäften ist nicht erforderlich. Es genügt, ist aber auch erforderlich, dass der Beteiligte anschließend ungehinderten Zugriff auf das übergebene Geld nehmen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 213/19, juris Rn. 8; vom – 4 StR 188/23 aaO).
10Gemessen hieran ergeben die Feststellungen zu den Fällen 6 bis 9 und 14 bis 18 auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht, dass der Angeklagte jeweils (Mit-)Verfügungsmacht an den Erlösen erlangte. Nach den Feststellungen erfolgte in diesen Fällen der Austausch von Ware gegen Geld jeweils unmittelbar zwischen dem jeweiligen Lieferanten oder Bunkerhalter und dem jeweiligen Abnehmer des Angeklagten oder dem Fahrer des Abnehmers. Die Anwesenheit des Angeklagten am jeweiligen Ort des Austauschs hat das Landgericht in diesen Fällen nicht festgestellt. Auch eine spätere Weiterleitung der Erlöse oder Auszahlung vereinbarter Provisionen an den Angeklagten lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
11Da nicht auszuschließen ist, dass eine andere Strafkammer ergänzende Feststellungen dazu treffen kann, in welcher Höhe der Angeklagte in den betreffenden Fällen tatsächliche Verfügungsmacht über den Verkaufserlös oder einen bestimmten Provisionsbetrag erlangt hat, bedarf die Sache auch in diesem Umfang erneuter Verhandlung und Entscheidung.
124. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Verfahrensrügen versagen aus den mit der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom dargelegten Gründen, die durch den nachgereichten Schriftsatz vom nicht entkräftet werden. Der Schriftsatz vom hat dem Senat bei der Beschlussberatung vorgelegen.
135. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:150524B2STR458.23.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-70377