BGH Urteil v. - I ZR 137/23

Leitsatz

Die Ausnahmeregelung des § 312 Abs. 6 BGB, nach der die Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht auf Versicherungsvermittlungsverträge anwendbar sind, ist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Versicherungsvermittlungsverträgen nicht richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass für sie ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 1 BGB besteht. Es besteht keine unionsrechtliche Verpflichtung, ein Widerrufsrecht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Versicherungsvermittlungsverträge vorzusehen.

Gesetze: § 312 Abs 6 BGB, § 312g Abs 1 BGB, Art 1 Abs 1 EGRL 65/2002, Art 6 Abs 1 S 1 EGRL 65/2002

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 2 S 2447/22vorgehend AG Traunstein Az: 319 C 128/22

Tatbestand

1Die bei der B.        Krankenversicherung AG (nachfolgend: B.        ) versicherte Klägerin unterschrieb am in ihrem Laden am                          den als "Honorarvereinbarung" überschriebenen Auftrag an den Beklagten,

meine Krankenversicherung (Versicherungsgesellschaft B.      ) nach Möglichkeit günstiger zu gestalten.

Die Versicherungsgesellschaft bleibt gleich. Der Leistungsumfang ist in etwa mit der bisherigen Absicherung gleichzusetzen, außer es wurde vom Kunden anders gewünscht. Als Honorar werden 80 % der berechneten Jahresersparnis zzgl. MWSt. vereinbart. Dieses ist zur Zahlung fällig, wenn Umstellungen oder Veränderungen, auch durch andere Personen, innerhalb der nächsten 24 Monate bei der Versicherung beantragt werden.

Neuabschlüsse bei anderen Gesellschaften sind honorarfrei.

2Der Beklagte war ebenfalls bei der B.       versichert. Ob er zum Zeitpunkt der Erbringung seiner vertraglichen Leistung bereits Bestandsbetreuer der Klägerin bei der B.       war und eine dafür gezahlte Provision auch eine Beratung über eine Vertragsänderung abdeckte, ist zwischen den Parteien streitig.

3Bis zum betrug der Gesamtbeitrag der Klägerin bei der B.       monatlich 470,94 € mit einem Selbstbehalt von jährlich 1.800 €. Diesem Betrag liegt ein Beitrag von monatlich 428,87 € im Tarif      zuzüglich monatlich 42,89 € im Tarif       als gesetzlicher Zuschlag von 10 % für die Beitragsentlastung im Alter abzüglich eines für 2018 gewährten Bonus von 0,82 € zugrunde. Ab hätte der (Gesamt-)Beitrag der Klägerin wegen Entfallens der beiden zuletzt genannten Positionen noch 428,87 € betragen.

4Nach einer Beratung am vermittelte der Beklagte der Klägerin zum einen Wechsel in den Tarif        der B.      . Der Beitrag betrug monatlich 337,77 € mit einem Selbstbehalt von jährlich 1.200 €. Der Beklagte vermittelte der Klägerin am selben Tag zudem Verträge mit der C.                                      (nachfolgend: C.          ). Diese umfassten zum einen eine Erstattung der in demselben Kalenderjahr aufgewandten Krankheitskosten bis zu 1.000 € für einen Monatsbeitrag von 96 € und zum anderen einen Zuschuss zu bestimmten in demselben Kalenderjahr aufgewandten Zahnbehandlungskosten für einen Monatsbeitrag von 18 €.

5In der Beratungsdokumentation vom berechnete der Beklagte seine Vergütung auf Grundlage eines Ausgangstarifs von monatlich 470,94 € und eines Zieltarifs von monatlich 433,77 €. Zu der sich hieraus ergebenden Beitragsdifferenz für ein Jahr von 446,04 € addierte er eine Differenz des jährlichen Selbstbehalts von 1.600 €. Von der Summe setzte er 80 % an, mithin 1.636,83 €, und addierte 19 % Mehrwertsteuer, was eine Bruttovergütung von 1.947,82 € ergab.

6Die Klägerin hat den Beklagten auf Rückzahlung des von ihr gezahlten Honorars von 1.947,82 € und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen, in Anspruch genommen. Der Beklagte hat im Rechtsstreit zur Begründung seines Anspruchs Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgelegt, in denen zur Berechnung der Jahresersparnis ausgeführt wird:

5.2.1 Die Jahresersparnis berechnet sich alleine aus der Differenz der monatlichen Beitragsprämien zum Zeitpunkt der policierten Vertragsumstellung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Selbstbehalte.

5.2.2. Dies bedeutet, dass zur Bestimmung der Jahresersparnis der monatliche Prämienbeitrag nach der Umstellung des Versicherungsvertrags von dem monatlichen Prämienbeitrag vor der Umstellung des Versicherungsvertrags abgezogen und mit dem Faktor 12 multipliziert wird. Da es sich um eine Stichtagslösung handelt, sind alleine die Beiträge maßgeblich, die in dem Versicherungsschein aufgeführt werden. Von dem hierdurch gebildeten Betrag wird die Differenz der Jahresselbstbehalte abgezogen, die sich eventuell aus einer Vertragsumstellung ergeben.

7Die Klägerin hat im Rechtsstreit mit Schriftsatz vom den Widerruf der Honorarvereinbarung vom erklärt.

8Das Amtsgericht hat den Zahlungsanspruch der Klägerin, über den sie zuvor einen Vollstreckungsbescheid erwirkt hatte, als begründet angesehen. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen auf Aufhebung des Vollstreckungsbescheids und Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

9Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht den Bundesgerichtshof als zur Verhandlung und Entscheidung über die Revision zuständiges Gericht bestimmt.

Gründe

10A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin habe ein Widerrufsrecht zugestanden, das sie wirksam ausgeübt habe. Die Bereichsausnahme des § 312 Abs. 6 BGB für Verträge über Versicherungen sowie Verträge über deren Vermittlung finde keine Anwendung. Der Gesetzgeber habe eine geschlossene Regelung des Widerrufsrechts im Versicherungsvertragsrecht angestrebt, für den Versicherungsvermittlungsvertrag aber in §§ 8, 9 Abs. 2 VVG kein (isoliertes) Widerrufsrecht geschaffen. § 312 Abs. 6 BGB sei aufgrund der vom Gesetzgeber bekundeten Absicht, eine richtlinienkonforme Vorschrift zu schaffen, dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass er auf im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Versicherungsvermittlungsverträge nicht angewendet werde.

11Ergänzend sei im Sinn eines obiter dictum darauf hinzuweisen, dass der Beklagte unabhängig von der Frage eines Widerrufs jedenfalls keinen Anspruch auf die volle Vergütung haben könne, weil seine zur Untermauerung der Honorarberechnung im Prozess vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwar einbezogen, die Regelung zur Vergütungsberechnung aber wegen Intransparenz unwirksam sei. Danach solle die Differenz der Jahresselbstbehalte von der Differenz der Beitragsprämien "abgezogen" werden, was zu einem negativen Betrag führe; in krassem Gegensatz dazu habe der Beklagte die beiden Differenzen aber bei seiner Vergütungsberechnung addiert und damit gezeigt, dass er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegen ihrem Wortlaut zu seinem Vorteil auslege.

12B. Die dagegen gerichtete Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

13I. Die Revision ist zulässig.

141. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ohne im Urteil nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO darüber zu befinden, ob das Bayerische Oberste Landesgericht oder der Bundesgerichtshof für die Verhandlung und Entscheidung über die Revision zuständig ist. Nach Einlegung der Revision hat das Berufungsgericht den Bundesgerichtshof als zur Verhandlung und Entscheidung über Revision zuständiges Gericht bestimmt. Dieser ist damit für die Verhandlung und Entscheidung über die Revision zuständig (vgl. , GRUR 2021, 866 [juris Rn. 7] = WRP 2021, 900 - Abschlagspflicht III, mwN).

152. Das Berufungsgericht hat die Revision entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung unbeschränkt zugelassen.

16a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung kann sich nicht nur aus dem Entscheidungssatz des Berufungsurteils ergeben, sondern auch aus den Entscheidungsgründen (vgl. , GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 17] = WRP 2022, 1519 - Google-Drittauskunft, mwN). Die bloße Angabe des Grunds für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen. Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein kann (vgl. , ZfWG 2023 [juris Rn. 9], mwN).

17b) Danach ist die Revision im Streitfall unbeschränkt zugelassen. Der Umstand, dass das Berufungsgericht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Rechtsfortbildung zugelassen hat, reicht nicht für die Annahme einer Beschränkung der Revisionszulassung auf die tragende Begründung des Berufungsurteils aus, die das Bestehen eines Widerrufsrechts der Klägerin, also den Anspruchsgrund betrifft. Eine solche Beschränkung wäre ohnehin unwirksam, weil sich die als obiter dictum bezeichneten Ausführungen des Berufungsgerichts zur Anspruchshöhe nicht auf einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs, sondern auf denselben Anspruch der Klägerin beziehen.

18II. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Unrecht einen Rückzahlungsanspruch infolge ihres Widerrufs der mit dem Beklagten geschlossenen Honorarvereinbarung zugesprochen.

191. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung des von ihr an den Beklagten geleisteten Honorars aus § 357 Abs. 1 BGB zu. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts konnte sie die zwischen ihr und dem Beklagten am geschlossene Honorarvereinbarung durch ihren Schriftsatz vom nicht wirksam gemäß § 312g BGB widerrufen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist gemäß § 312 Abs. 6 BGB ausgeschlossen.

20a) Nach § 312 Abs. 1 BGB sind die Vorschriften über Anwendungsbereich und Grundsätze bei Verbraucherverträgen (§§ 312, 312a BGB) sowie über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge (§§ 312b bis 312h BGB) - also auch die Regelung über das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB - auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet. Abweichend davon sind nach § 312 Abs. 6 BGB auf Verträge über Versicherungen sowie auf Verträge über deren Vermittlung nur § 312a Abs. 3, 4 und 6 BGB anzuwenden, die allerdings kein Widerrufsrecht vorsehen.

21b) Der Beklagte war, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, als Versicherungsvermittler in der Form des Versicherungsmaklers nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, Abs. 3 VVG für die Klägerin tätig. Er hat für die Klägerin aufgrund der Honorarvereinbarung vom ein konkretes Angebot zum Abschluss eines geänderten Krankenversicherungsvertrags eingeholt (vgl. hierzu auch , NJW 2018, 3715 [juris Rn. 10 bis 18] mwN). Der Umstand, dass der Auftrag auf einen Tarifwechsel gemäß § 204 VVG bei der B.       und nicht auf einen Vertragsschluss mit einem anderen Versicherer ausgerichtet war, steht der Einordnung als Versicherungsvermittlungsvertrag nicht entgegen (vgl. BGH, NJW 2018, 3715 [juris Rn. 16]).

22c) Es besteht kein Bedürfnis für eine richtlinienkonforme Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 312 Abs. 6 BGB für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Versicherungsvermittlungsverträge.

23aa) Aufgrund der Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher besteht eine unionsrechtliche Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, ein Widerrufsrecht für im Fernabsatz geschlossene Versicherungsvermittlungsverträge vorzusehen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Verpflichtung im Versicherungsvertragsgesetz umgesetzt.

24(1) Die Richtlinie regelt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher. Eine Finanzdienstleistung ist gemäß Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65/EG jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65/EG bezeichnet der Begriff "Fernabsatzvertrag" jeden zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher geschlossenen, Finanzdienstleistungen betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet. Ein Fernkommunikationsmittel ist gemäß Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2002/65/EG jedes Kommunikationsmittel, das ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Anbieters und des Verbrauchers für den Fernabsatz einer Dienstleistung zwischen diesen Parteien eingesetzt werden kann. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2002/65/EG und den weiteren Bestimmungen dieses Artikels tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Verbraucher den Vertrag - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - innerhalb von 14 Kalendertagen ab Vertragsschluss und Erhalt der vorgeschriebenen Unterlagen einschließlich einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung widerrufen kann, ohne Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen.

25(2) Der deutsche Gesetzgeber hat sich für eine Umsetzung dieser Vorgaben im Versicherungsvertragsgesetz entschieden. Gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen wurden Versicherungs- und Versicherungsvermittlungsverträge vor dem Hintergrund der umfassenden Regelung im Versicherungsvertragsgesetz aus den fernabsatzrechtlichen Bestimmungen im allgemeinen Schuldrecht ausgenommen (vgl. BT-Drucks. 15/2946, S. 16). Nach der Entwurfsbegründung sind Versicherungen als Finanzdienstleistungen anzusehen; ihre Herausnahme aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften über Fernabsatzverträge erklärt sich lediglich daraus, dass eine geschlossene Regelung im Versicherungsvertragsrecht sachgerechter erschien. Zudem ging die Entwurfsbegründung davon aus, dass das von der Richtlinie 2002/65/EG geforderte Schutzniveau nicht notwendigerweise im Rahmen der (damaligen) §§ 312b bis 312f geschaffen werden musste (vgl. BT-Drucks. 15/2946, S. 18 zu § 312b Abs. 1 und 3 Nr. 3 BGB-E; ebenso S. 29 zu den Änderungen im VVG).

26bb) Für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Versicherungsvermittlungsverträge besteht keine unionsrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Widerrufsrecht des Verbrauchers vorzusehen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, die nach ihrem Art. 3 Abs. 3 Buchst. d nicht für Verträge über Finanzdienstleistungen gilt. Der Begriff "Finanzdienstleistung" ist nach Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83/EU ebenso definiert wie nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65/EG und erfasst auch einen Versicherungsvermittlungsvertrag.

27cc) Besteht keine unionsrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Widerrufsrecht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Versicherungsvermittlungsverträge vorzusehen, muss die Vorschrift des § 312 Abs. 6 BGB insoweit nicht einschränkend ausgelegt werden (zur richtlinienkonformen Auslegung im Weg der teleologischen Reduktion vgl. , BGHZ 179, 27 [juris Rn. 21 bis 35]; Urteil vom  - XI ZR 160/22, NJW-RR 2024, 49 [juris Rn. 18], jeweils mwN). Eine solche einschränkende Auslegung wird - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung und im Schrifttum auch nur für im Fernabsatz geschlossene Verträge befürwortet (vgl. LG Fulda, Urteil vom  - 1 S 70/16, juris Rn. 2 und 23; Schimikowski, r+s 2020, 606, 608; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 312 Rn. 29; nur allgemein zu § 312 Abs. 6 BGB [§ 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB aF] vgl. , GRUR 2018, 950 [juris Rn. 27] = WRP 2018, 1069 - Namensangabe; ohne Aussage zur Frage einer einschränkenden Auslegung auch BGH, NJW 2018, 3715 [juris Rn. 22]). Hierüber muss im Streitfall nicht entschieden werden, weil ein Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nicht in Rede steht.

28d) Ein Widerrufsrecht der Klägerin entsteht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht daraus, dass der Beklagte der Klägerin nicht lediglich einen Tarifwechsel bei der B.       , sondern zudem Verträge mit der C.          vermittelt hat. Aus der für den Anspruch des Beklagten maßgeblichen Honorarvereinbarung vom ergibt sich, dass sich der Auftrag der Klägerin lediglich auf eine günstigere Vertragsgestaltung bei der B.      erstreckte und auch nur daraus eine Vergütungspflicht der Klägerin folgen sollte. Auch ein etwaiges Widerrufsrecht der Klägerin bezieht sich daher allein auf diese vom Beklagten übernommene Tätigkeit, für die sich die Klägerin im Sinn des § 312 Abs. 1 BGB zur Zahlung eines Preises verpflichtet hat. Die von der Klägerin gegenüber der C.           eingegangenen Verpflichtungen können somit nicht für die Begründung des Anspruchs des Beklagten, sondern lediglich für die Berechnung der Anspruchshöhe maßgeblich sein.

292. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Bindung der Klägerin an die Honorarvereinbarung vom ist nicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VVG entfallen. Gemäß dieser Vorschrift ist ein Versicherungsnehmer, der sein Widerrufsrecht nach § 8 VVG wirksam ausgeübt hat, auch an einen mit dem Versicherungsvertrag zusammenhängenden Vertrag nicht mehr gebunden. Die Klägerin behauptet nicht, ihren Vertrag mit der B.       - oder auch ihre Verträge mit der C.           - widerrufen zu haben. Ob die Honorarvereinbarung die in § 9 Abs. 2 Satz 2 VVG näher definierten Voraussetzungen eines mit dem Versicherungsvertrag zusammenhängenden Vertrags erfüllt, bedarf damit keiner Entscheidung.

30III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

31C. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

32I. Die Honorarvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin ist aufgrund des vom Berufungsgericht bislang festgestellten Sachverhalts nicht als Vertrag über eine unerlaubte Rechtsdienstleistung nach § 134 BGB, § 3 RDG nichtig.

331. Dass der Beklagte grundsätzlich erlaubt als Versicherungsmakler gemäß § 34d Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 GewO tätig geworden ist, zieht die Klägerin nicht in Zweifel.

342. Soweit die nach der Honorarvereinbarung vom Beklagten vorzunehmende Geschäftsbesorgung mit Blick auf einen Tarifwechsel gemäß § 204 VVG die Überprüfung der Tarife, die die Klägerin bei ihrem Krankenversicherer wählen konnte, auch in rechtlicher Hinsicht umfasste, war eine solche Überprüfung nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, weil es sich dabei im Verhältnis zu der Maklerleistung als Hauptleistung dem Inhalt und Umfang nach um eine Nebenleistung handelte, die zum Berufsbild des Versicherungsmaklers gehört (vgl. BGH, NJW 2018, 3715 [juris Rn. 20]). Feststellungen zu etwaigen weiteren Rechtsdienstleistungen als Bestandteil der Leistungen des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revisionserwiderung legt auch nicht konkret dar, inwieweit die vom Beklagten ausgesprochene Empfehlung an die Klägerin, über die C.           teilweise ihren verbleibenden Selbstbehalt bei der B.       und bestimmte dort nicht versicherte Zahnbehandlungskosten abzudecken, mit einer Rechtsberatung verbunden gewesen wäre.

353. Die Frage, ob der Beklagte seine Erlaubnis überschritten hat, weil er nach § 34d Abs. 1 Satz 8 GewO nur Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich beraten darf, stellt sich im Streitfall aufgrund der bereits nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubten Tätigkeit des Beklagten ebenfalls nicht (zum Verhältnis der beiden Vorschriften vgl. BeckOK.GewO/Will, 60. Edition [Stand ], § 34d Rn. 151 und 153 f.).

36II. Nach der Honorarvereinbarung vom ergibt sich ein Vergütungsanspruch des Beklagten von 80 % (plus Mehrwertsteuer) der "berechneten Jahresersparnis" der Klägerin.

371. Maßgeblich ist allein der allgemeine Wortsinn des Begriffs "Jahresersparnis". Die Definition des Begriffs "Jahresersparnis" in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten kann nicht für die Vergütungsberechnung herangezogen werden.

38a) Mit Recht hat das Berufungsgericht in seinen als obiter dictum bezeichneten Ausführungen angemerkt, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten zur Ermittlung der Jahresersparnis vorgesehenen Regelungen intransparent sind (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB).

39aa) Der Transparenzkontrolle unterliegen AGB auch insoweit, als sie die Hauptleistung bestimmen (§ 307 Abs. 2 Satz 2 BGB; vgl. BeckOK.BGB/H. Schmidt, 69. Edition [Stand ], § 307 Rn. 71; MünchKomm.ZPO/Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 17 und 58). Im Streitfall ergibt sich bereits daraus eine Intransparenz, dass von dem Betrag, der aus dem 12-fachen der Differenz von altem und neuem Monatsbeitrag gebildet wird, "die Differenz der Jahresselbstbehalte abgezogen" werden soll. Diese Regelung lässt offen, ob der neue vom alten Jahresselbstbehalt zu subtrahieren ist oder umgekehrt (hier: 1.800 € minus 1.200 € oder 1.200 € minus 1.800 €). Ein schlichtes Abstellen auf die Differenz (hier: 600 €) führte zu dem offensichtlich nicht gewünschten Ergebnis, dass eine Erhöhung des Jahresselbstbehalts sich gleich auf den Vergütungsanspruch des Beklagten auswirkte wie dessen Senkung. Zudem liefert die Regelung kein verständliches Berechnungsmodell für Fälle, in denen - wie im Streitfall - neben einem Tarifwechsel in der Krankenversicherung ein Vertrag mit einer Unterstützungskasse abgeschlossen wird.

40bb) Ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten wirksam in den zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Vertrag einbezogen worden sind, kann somit dahinstehen.

41b) Dass die Regelungen zur Berechnung der Vergütung des Beklagten aus der Honorarvereinbarung vom ebenfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen wären, behauptet die Revisionserwiderung nicht. Der dort verwendete Begriff "Jahresersparnis" ist gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen. Nach dem allgemeinen Wortsinn liegt nahe, nur eine gesicherte Reduzierung der Zahlungsverpflichtungen als Ersparnis anzusehen. Darunter fällt die Reduzierung der monatlichen Beiträge, nicht hingegen eine Reduzierung des jährlichen Selbstbehalts. Insoweit hängt die Erzielung einer Ersparnis von dem - nicht von vornherein zu beurteilenden - Umstand ab, inwieweit dem Versicherten an sich versicherte, aber unter den Selbstbehalt fallende Krankheitskosten entstehen. Allein soweit diese Krankheitskosten den neuen Selbstbehalt übersteigen, realisiert sich die Reduzierung des Selbstbehalts als Ersparnis. Ob dieser Fall später eingetreten ist, kann kaum entscheidend sein, weil in der Honorarvereinbarung vom ausdrücklich auf die "berechnete" Jahresersparnis abgestellt wird.

422. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Klägerin - etwa im Sinn eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses - an die Angaben in der von ihr gegengezeichneten Beratungsdokumentation zu Ausgangstarif (monatlich 470,94 €) und Zieltarif (monatlich 433,77 €) gebunden ist und inwieweit sie daher mit ihren Einwänden zur Anspruchsberechnung gehört werden kann. Legte man den Gesamtbeitrag der Klägerin ab bei Fortführung des Ausgangstarifs       von monatlich 428,87 € zugrunde, hätte sie keine gesicherte Ersparnis erzielt.

433. Die Behauptung der Klägerin in den Tatsacheninstanzen, der Beklagte sei als Bestandsbetreuer bei der B.       auch von dieser für den Tarifwechsel der Klägerin vergütet worden und müsse sich diese Vergütung entgegenhalten lassen, hat die Revisionserwiderung nicht aufgegriffen. Unabhängig davon erschließt sich nicht, inwieweit die B.       ein Interesse daran haben sollte, mit einer Provision für die Bestandsbetreuung auch einen Tarifwechsel abzugelten, der zu geringeren Beiträgen für sie führt.

Feddersen                    Löffler                    Schwonke

                  Schmaltz                   Odörfer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:040424UIZR137.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 8 Nr. 29
WM 2024 S. 1306 Nr. 28
DAAAJ-70320