BGH Beschluss v. - 4 StR 31/24

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 1 Ks 17/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

21. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am im Bereich des M.    er Hauptbahnhofes auf. Dabei führte er ein 600 Gramm schweres Beil verborgen mit sich. Dem Angeklagten war bekannt, dass seine Tochter dort mit einem Zug ankommen würde. Er beabsichtigte seine frühere Ehefrau zu töten, falls diese die gemeinsame Tochter abholen sollte. Als die Tochter mit dem Zug ankam, ging sie zu dem neuen Lebensgefährten der früheren Ehefrau des Angeklagten, der am Bahnhofsvorplatz in seinem Fahrzeug sitzend wartete. Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt, nunmehr den Lebensgefährten seiner früheren Ehefrau zu töten. Deshalb ging er von vorne kommend „rechts schräg vor dessen Fahrzeug her“. Kurz bevor er die Motorhaube erreicht hatte, bog er nach links ein, holte das Beil hervor und schlug mit diesem in Tötungsabsicht auf das Fenster der Fahrertür ein. Die Fensterscheibe zerbrach. Der durch die einsteigende Tochter abgelenkte Geschädigte erkannte den Angeklagten erst, als dieser bereits die Autotür erreicht hatte. Mit einem Angriff auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit rechnete er nicht. Dies nutzte der Angeklagte bewusst aus. Der durch Glassplitter leicht verletzte Geschädigte gab Gas, sodass der Angeklagte am Arm touchiert wurde und das Beil durch die Fensteröffnung in das Fahrzeug fiel. Er lief dem Fahrzeug noch einige Meter nach, konnte es aber nicht mehr erreichen.

3Die Strafkammer hat die Tat des Angeklagten als versuchten Heimtückemord in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung bewertet. Da ein fehlgeschlagener Versuch vorliege, komme ein Rücktritt nicht in Betracht.

42. Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, weil die Urteilsgründe hinsichtlich der Beweiswürdigung nicht den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO genügen.

5a) Die Darstellung der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen muss aus sich heraus verständlich sein und eine revisionsgerichtliche Überprüfung anhand des dafür relevanten Maßstabs (Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit, kein Verstoß gegen Denk- und gesicherte Erfahrungssätze, keine Schlussfolgerungen ohne feste Tatsachengrundlage) ermöglichen (vgl. , NStZ-RR 2020, 258; weitere Nachweise bei Wenske in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 267 Rn. 169). Dazu bedarf es keiner Dokumentation der Beweisaufnahme. Vielmehr hängt die Darstellungstiefe von der Beweislage im Einzelfall ab. So ist eine nähere Darlegung von Zeugenaussagen oder anderer herangezogener Beweismittel sowie deren Würdigung etwa dann erforderlich, wenn der Angeklagte schweigt oder aber in den Urteilsgründen wiedergegebene Angaben macht, die dies geboten erscheinen lassen (vgl. , NStZ-RR 2022, 253, 254 mwN).

6b) Diesen Anforderungen wird die Darstellung der Beweiswürdigung nicht gerecht.

7aa) Der Angeklagte hat angegeben, er habe das Tatopfer „richtig erschrecken“ und ihm Angst machen wollen. Dazu sei er mit dem Beil von vorn auf das Auto zugelaufen. Er habe gerufen, R.     (Lebensgefährte/Geschädigter) solle S.    (Tochter) aussteigen lassen. Er sei sicher, dass R.    ihn und das Beil gesehen habe. Er habe den Griff des Beils vor der Autotür noch in der Hand gedreht, sodass er mit der stumpfen Seite auf das Auto geschlagen habe (UA 7 f.). Nach Inaugenscheinnahme der Aufnahmen der Videoüberwachung sei er verunsichert. So könne es sein, dass er doch Handschuhe getragen habe (UA 8). Die Kammer hat sodann ausgeführt, dass sie insbesondere gestützt auf die Inaugenscheinnahme der Videoüberwachungsaufnahmen, von Lichtbildern, die den Angeklagten, dessen Tochter, das Fahrzeug sowie das Beil im Fahrzeug zeigen, und der glaubhaften Angaben der Zeugen R.    , Si.    und S.    von dem Tatgeschehen wie festgestellt überzeugt sei (UA 8 f.).

8bb) Auf der Grundlage dieser Darlegungen ist die Überzeugungsbildung der Strafkammer nicht revisionsrechtlich überprüfbar. Nachdem der Angeklagte wesentliche Teile des Tatgeschehens abweichend dargestellt hatte, wären weitere Ausführungen dazu erforderlich gewesen, worauf sich die Überzeugungsbildung der Kammer inhaltlich stützt. Die bloße Angabe der herangezogenen Beweismittel reicht dafür nicht aus. So bleibt offen, ob die benannten Zeugen das Tatgeschehen wie festgestellt geschildert haben. Angesichts des Umstandes, dass der Geschädigte abgelenkt gewesen sein soll, liegt dies in Bezug auf ihn eher fern. Inwieweit das konkrete Tatgeschehen auf den Videoaufnahmen abgebildet worden ist, kann den Urteilsgründen ebenfalls nicht entnommen werden.

9cc) Die den Heimtückevorwurf tragende Feststellung, wonach der durch die einsteigende Tochter abgelenkte Geschädigte den Angeklagten erst erkannte, als dieser bereits die Autotür erreicht hatte und mit einem Angriff auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit nicht rechnete, ist ebenfalls nicht beweiswürdigend unterlegt. Selbst wenn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmbar sein sollte, dass der Geschädigte dies so ausgesagt hat, bleibt offen, wie die Kammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der sich insoweit ausdrücklich bestreitend einlassende Angeklagte diesen Umstand erkannt und für sich ausgenutzt hat.

103. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

11Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Annahme einer Tötungsabsicht gelangen, wird er mit Blick auf § 22 StGB konkrete Feststellungen dazu zu treffen haben, wie sich der Angeklagte die Tatausführung tatsächlich vorgestellt hat. Ob bestimmte Handlungen im Sinne dieser Vorschrift unmittelbar die Tatbestandsverwirklichung herbeiführen sollten oder lediglich Vorbereitungshandlungen waren, lässt sich nur bestimmen, wenn ersichtlich wird, wie die geplante Tat im Einzelnen ablaufen sollte und welche Bedeutung die Handlungen im geplanten Geschehensablauf haben (vgl. ‒ 4 StR 223/21 Rn. 16; Beschluss vom − 5 StR 173/20, NStZ 2020, 598; Beschluss vom − 1 StR 28/18, NStZ 2018, 648, 649 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230424B4STR31.24.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-70312