Umfang der Verpflichtung eines Schuldners zur Abgabe einer Vermögensauskunft
Gesetze: § 802c ZPO
Instanzenzug: LG Augsburg Az: 41 T 1489/23vorgehend AG Aichach Az: M 312/23nachgehend Az: I ZB 61/23 Beschluss
Gründe
1I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Aichach. Sie beantragte die Abnahme einer Vermögensauskunft des Schuldners und formulierte im Antrag folgende vier Zusatzfragen an den Schuldner:
1. Die Mutter des Schuldners ist mittlerweile 80 Jahre alt. Gab oder gibt es einen vorzeitigen Erbausgleich und falls ja, in welchem Umfang?
2. Hat der Schuldner Geschwister, wenn ja, sind Name und ladungsfähige Anschrift zwecks Pflichtteilsansprüchen anzugeben.
3. Hat der Schuldner einen Pflichtteil beim Ableben seines Vaters erhalten bzw. geltend gemacht?
4. Gibt es einen Erbvertrag seitens der Mutter zugunsten des Schuldners und falls ja, mit welchem Inhalt?
2Die Gerichtsvollzieherin nahm die beantragte Vermögensauskunft des Schuldners ab. Die Zusatzfragen beantwortete dieser nicht. Die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben versicherte er an Eides statt. Auf Nachfrage der Gläubigerin teilte die Gerichtsvollzieherin mit, die Zusatzfragen seien ohne förmliche Ablehnung zu übergehen gewesen, weil der Schuldner die im Formular enthaltene Frage zu Anteilen an Erbengemeinschaften, Pflichtteilsansprüchen und Erbersatzansprüchen verneint habe.
3Hiergegen hat die Gläubigerin Erinnerung eingelegt und beantragt, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, dem Schuldner - einschließlich der bereits bisher sinngemäß gestellten Zusatzfragen - insgesamt sieben Zusatzfragen zu stellen und dessen eidesstattliche Versicherung ergänzen zu lassen:
1. Die Mutter des Schuldners ist mittlerweile 80 Jahre alt. Gab oder gibt es einen vorzeitigen Erbausgleich und falls ja, in welchem Umfang?
2. Hat der Schuldner Geschwister, wenn ja, sind Name und ladungsfähige Anschrift anzugeben zwecks Pflichtteilsansprüchen und Pflichtteilsergänzungsansprüchen und Ansprüchen aufgrund Erbverzichts.
3. Hat der Schuldner auf sein Erbe bei Ableben seines Vaters Manfred oder bereits jetzt im Falle des Ablebens der Mutter verzichtet und falls ja, wann und mit welcher Gegenleistung?
4. Hat der Schuldner einen Pflichtteil beim Ableben seines Vaters erhalten bzw. geltend gemacht?
5. Gibt es einen Erbvertrag seitens der Mutter zugunsten des Schuldners und falls ja, mit welchem Inhalt?
6. Sind zugunsten des Schuldners auf dem Grundstück in F. und auf dem Grundstück in A. Grunddienstbarkeiten zugunsten des Schuldners, beispielsweise in Form von Wohnrechten, Rentenschulden, Auflassungsvormerkungen eingetragen?
7. Wurde bei Ableben des Vaters des Schuldners eine Vor- und Nacherbschaft zugunsten des Schuldners angeordnet?
4Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag weiter. Sie bringt vor, der Schuldner habe in seiner Vermögensauskunft angegeben, im Haushalt seiner Mutter zu leben. Die Eltern des Schuldners hätten früher ein Familienunternehmen als Raumausstatter geführt und in diesem Zusammenhang zwei bebaute Grundstücke erworben. Die Mutter des Schuldners sei in der Vergangenheit daran beteiligt gewesen, ihn und seine Frau vor Zugriffen der Gläubiger zu schützen.
5II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Fragen der Gläubigerin nach einem vorzeitigen Erbausgleich, Ansprüchen aufgrund Erbverzichts, einem Pflichtteil nach dem Tod des Vaters, Grunddienstbarkeiten und nach einer Vorerbschaft nach dem Tod des Vaters seien durch die Vermögensauskunft des Schuldners ausreichend beantwortet. Sämtliche sonstigen Zusatzfragen bezögen sich nicht auf bestehende Vermögensgegenstände, sondern auf eventuelle künftige Ansprüche nach dem Tod der Mutter. Es bestehe keine Vergleichbarkeit mit den Fällen, in denen sich die Auskunftspflicht auch auf künftige Forderungen des Schuldners erstrecke, wenn nämlich der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Auskunftserteilung hinreichend bestimmt seien. Eine Pfändung von Pflichtteilsansprüchen vor Eintritt des Erbfalls sei unzulässig. Der Bundesgerichtshof habe allein über die Pfändbarkeit eines Pflichtteilsanspruchs nach Eintritt des Erbfalls - als dann in seiner Verwertbarkeit durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO aufschiebend bedingter Anspruch - entschieden (unter Verweis auf , BGHZ 123, 183 [juris Rn. 12]; Beschluss vom - VII ZB 30/08, NJW-RR 2009, 997 [juris Rn. 7]). Auch über mögliche künftige Erbfälle seien keine Angaben des Schuldners erforderlich.
6III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
71. Der Zweck der Verpflichtung des Schuldners nach § 802c ZPO zur Abgabe einer Vermögensauskunft besteht darin, dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben und ihm Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken zu verschaffen, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (vgl. NJW-RR 2011, 851 [juris Rn. 9]; Beschluss vom - I ZB 2/11, DGVZ 2012, 93 [juris Rn. 16]; Beschluss vom - I ZB 74/15, DGVZ 2016, 155 [juris Rn. 15]; Beschluss vom - I ZB 55/21, NJW-RR 2022, 924 [juris Rn. 21]). Sie dient hingegen nicht dazu, dem Gläubiger eine allgemeine Kontrolle über die Erwerbsmöglichkeit des Schuldners zu verschaffen, um dadurch späteren Vermögenserwerb aufzuspüren (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 851 [juris Rn. 9 f.]).
8a) Die Auskunftsverpflichtung nach § 802c ZPO erstreckt sich daher nur auf gegenwärtig vorhandene Vermögensgegenstände. Bloße Erwerbsmöglichkeiten muss der Schuldner dagegen nicht offenbaren; sie eröffnen dem Gläubiger keinen Zugriff auf konkrete Vermögensgegenstände. Künftige Forderungen muss der Schuldner angeben, soweit sie Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein können; dies setzt voraus, dass der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Pfändung hinreichend bestimmt sind (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 851 [juris Rn. 9 f.]; DGVZ 2012, 93 [juris Rn. 16]; DGVZ 2016, 155 [juris Rn. 15]).
9b) Es steht dem Gläubiger frei, bereits bei Beauftragung des Gerichtsvollziehers aus seiner Sicht erforderliche Fragen aufzulisten (zum Verfahren nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO vgl. , BGHZ 234, 280 [juris Rn. 17]). Ob der Schuldner Fragen des Gläubigers beantworten muss, die über diejenigen hinausgehen, welche im herkömmlich verwendeten Formblatt zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses enthalten sind, hängt davon ab, ob die zusätzlichen Fragen auf die konkrete Schuldnersituation abstellen oder aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Lebenssachverhalt lediglich der allgemeinen Ausforschung im Wege der Befragung auf Verdacht dienen (vgl. BGH, DGVZ 2012, 93 [juris Rn. 18] mwN; zum Anwesenheits- und Fragerecht vgl. auch § 802f Abs. 4 Satz 2, § 802i Abs. 1 Satz 3 ZPO, § 138 Abs. 1 Satz 2, 5 und 6 GVGA).
10c) Der Gläubiger kann die Nachbesserung einer Vermögensauskunft verlangen, wenn der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat. Dazu muss aus dem Vermögensverzeichnis selbst ersichtlich sein, dass die Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind, oder der Gläubiger glaubhaft machen, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat. Unzulässig ist allerdings eine Nachbesserung zur Beantwortung von Fragen, die schon zusammengefasst verneint sind, oder zu Forderungen, deren Unpfändbarkeit von vornherein feststeht (vgl. BGH, DGVZ 2012, 93 [juris Rn. 20]; , DGVZ 2016, 155 [juris Rn. 7 f.]; Beschluss vom - I ZB 54/16, NJW-RR 2017, 633 [juris Rn. 9]; Beschluss vom - I ZB 62/16, NJW-RR 2017, 632 [juris Rn. 7 f.], jeweils mwN).
112. Nach diesen Maßstäben hat der Schuldner die von der Gläubigerin gestellten Zusatzfragen nicht zu beantworten.
12a) Die Frage 1 nach einem vorzeitigen Erbausgleich hat der Schuldner durch sein Vermögensverzeichnis hinreichend beantwortet. Ein für die Zwangsvollstreckung relevanter vorzeitiger Erbausgleich hätte zu einem Zuwachs von Sachen, Forderungen oder anderen Vermögensgegenständen beim Schuldner geführt, die - soweit noch vorhanden - im Rahmen des Vermögensverzeichnisses anzugeben gewesen wären. Darüber hinaus enthält das Vermögensverzeichnis auch Fragen nach Vermögensgegenständen einschließlich Forderungen, die der Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre an nahestehende Personen im Sinn des § 138 InsO entgeltlich veräußert und über er die er innerhalb der letzten vier Jahre unentgeltlich verfügt hat (vgl. Abschnitt C, Fragen 24 und 25 des von der Gerichtsvollzieherin verwendeten Formblatts). Damit sind auch die gängigen Fälle abgedeckt, in denen Vermögensübertragungen anfechtbar sind (vgl. § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 1 AnfG; hierzu auch Vuia in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Kölner Kommentar Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 8. Aufl., § 802f ZPO Rn. 18 mwN).
13b) Die Frage 4 aus der Erinnerung der Gläubigerin (entspricht der Frage 3 des ursprünglichen Katalogs) nach entstandenen oder geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen des Schuldners nach dem Tod seines Vaters ist ebenfalls durch das Vermögensverzeichnis beantwortet, in dem der Schuldner die Frage nach Pflichtteilsansprüchen mit "nein" beantwortet hat (vgl. Abschnitt B, Frage 18 des Formblatts). Wäre ein solcher Pflichtteilsanspruch bereits erfüllt worden, hätte der Schuldner die ihm zugewachsenen Vermögensgegenstände ebenfalls angeben müssen.
14c) Der Zulässigkeit der Frage 2 nach Geschwistern steht zwar nicht bereits das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) des Schuldners entgegen (allgemein zur Abwägung mit dem Eigentumsgrundrecht des Gläubigers aus Art. 14 Abs. 1 GG vgl. BGH, NJW-RR 2011, 851 [juris Rn. 8]). Hat der Schuldner aber - wie ausgeführt - die Fragen nach Pflichtteilsansprüchen sowie nach unentgeltlicher Veräußerung von Vermögensgegenständen sowie nach entgeltlicher Verfügung über Vermögensgegenstände verneint, so erschließt sich nicht, welchen Nutzen die Gläubigerin aus der Angabe von Namen und ladungsfähigen Anschriften etwaiger Geschwister über eine allgemeine Ausforschung hinaus ziehen will.
15d) Auch die Frage 5 aus der Erinnerung der Gläubigerin (entspricht der Frage 4 des ursprünglichen Katalogs) nach Bestehen und etwaigem Inhalt eines Erbvertrags mit der Mutter muss der Schuldner nicht beantworten. Aus einem Erbvertrag entsteht kein Anwartschaftsrecht und kein pfändbarer Anspruch zu Gunsten des Bedachten (vgl. MünchKomm.BGB/Musielak, 9. Aufl., § 2286 Rn. 3 f. mwN; BeckOGK.BGB/Müller-Engels, Stand , § 2286 Rn. 21 f.; BeckOK.BGB/Litzenburger, 69. Edition [Stand ], § 2286 Rn. 2; Staudinger/Raff, BGB [2022], § 2286 Rn. 19 bis 21). Selbst bei Bestehen eines Erbvertrags wäre ungewiss, wann und in welchem Umfang der Schuldner erben wird.
16e) Die erst im Rahmen der Erinnerung der Gläubigerin gestellten Fragen 3 (zu einem Verzicht auf Erbansprüche des Schuldners nach dem Tod seines verstorbenen Vaters und seiner noch lebenden Mutter), 6 (zu Grunddienstbarkeiten zugunsten des Schuldners auf zwei benannten Grundstücken) und 7 (zu einer Vor- und Nacherbschaft zugunsten des Schuldners nach dem Tod seines Vaters) muss der Schuldner ebenfalls nicht beantworten. Bereits die Voraussetzungen für ein Nachbesserungsverlangen liegen insoweit nicht vor. Es ist weder aus dem Vermögensverzeichnis selbst ersichtlich, dass die Angaben des Schuldners unvollständig, ungenau oder widersprüchlich wären, noch hat die Gläubigerin glaubhaft gemacht, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hätte. Ob die Fragen vom Schuldner zu beantworten gewesen wären, wenn sie bereits im ursprünglichen Fragenkatalog der Gläubigerin enthalten gewesen wären, kann daher offenbleiben.
17f) Auch die Frage, ob die Auskunftspflicht des Schuldners sich auch auf noch nicht entstandene Pflichtteilsansprüche erstreckt (bejahend LG Braunschweig, JurBüro 2011, 156 [juris Rn. 1]; AG Hamburg-St. Georg, JurBüro 2011, 606 [juris Rn. 5]), bedarf keiner Entscheidung, weil die Gläubigerin zu Pflichtteilsansprüchen nach dem Tod der noch lebenden Mutter des Schuldners keine konkrete Frage gestellt hat.
18IV. Die Rechtsbeschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:020524BIZB61.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-70303