OFD Karlsruhe - S 0230

Kontenabrufe nach § 93 Abs. 7 i.V.m. § 93b AO – Elektronisches Kontenabrufverfahren

Bei der Durchführung von Kontenabrufen sind die rechtlichen Vorgaben (§ 93 Abs. 7, 9, 10 AO) und die hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen (AEAO zu § 93, Nr. 2) zu beachten. Ergänzend hierzu gelten die nachfolgenden Regelungen.

1 Zuständigkeit

Kontenabrufe nach § 93 Abs. 7 AO sind jeweils von dem für die Besteuerung der bzw. des Betroffenen sachlich (§ 16 AO) und örtlich (§ 17ff. AO) zuständigen Finanzamt durchzuführen.

Für Kontenabrufe im Rahmen einer Betriebsprüfung ist das für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzamt verantwortlich, nicht das Betriebsprüfungsfinanzamt.

Kontenabrufe der Steuerfahndung außerhalb eines Strafverfahrens auf Grundlage von § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4b AO werden von der Steuerfahndung in eigener Zuständigkeit durchgeführt.

2 Überprüfung und Durchführung eines Kontenabrufs (allgemein)

2.1 Überprüfung der Zulässigkeit eines Kontenabrufs

Vor Durchführung eines Kontenabrufs hat die beantragende Stelle des Finanzamts (z.B. Veranlagung, Außenprüfung) das ausgefüllte TVS-Formular S1-109 (Aktenvermerk zum Kontenabrufersuchen nach § 93 Abs. 7 i.V.m. § 93b AO) in zweifacher Ausfertigung der Hauptsachgebietsleitung AO zur abschließenden Zeichnung vorzulegen. Diese prüft, ob die Voraussetzungen für einen Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO vorliegen.

Nach erfolgter Prüfung der Zulässigkeit und Erforderlichkeit des Kontenabrufs ist eine Ausfertigung des Aktenvermerks S1-109 an die Vollstreckungs- bzw. Erhebungsstelle oder an die andere hierfür bestimmte Stelle (vgl. 2.2) zur Durchführung des Kontenabrufs weiterzuleiten. Bei Zurückweisung des Kontenabrufs ist eine Ausfertigung des Aktenvermerks an die anfragende Stelle zurückzugeben. Eine zweite Ausfertigung des Aktenvermerks S1-109 hat stets bei der Hauptsachgebietsleitung AO zu verbleiben. Diese Ausfertigung ist mit einer fortlaufenden Nummer (1 ff./2024 ff.) versehen in einem zentralen Register/Ordner abzulegen.

2.2 Durchführung des Kontenabrufs über das BZSt-Online-Portal

Erst nachdem die Zulässigkeit eines Kontenabrufs von der AO-HSGL geprüft und befürwortet wurde, darf der Kontenabruf durchgeführt werden.

Kontenabrufersuchen sind zentral durch bis zu zwei (beim Finanzamt Stuttgart IV bis zu vier) hierzu bestimmte Sachbearbeiter(innen) der Vollstreckungs- bzw. Erhebungsstelle vorzunehmen. Bei Finanzämtern ohne Vollstreckungs- bzw. Erhebungsstelle ist eine andere Person als zentrale Beauftragte für den Kontenabruf zu bestimmen (z.B. HSB AO). Zusätzlich kann noch eine Vertretungsperson bestimmt werden.

2.3 Rücklauf und Auswertung

Die Ergebnisse eines Kontenabrufs werden als elektronisches Dokument im BOP-Postfach zum Download bereitgestellt. Dieses Dokument ist von einer der zum Abruf berechtigten Personen (vgl. 2.2) auszudrucken und zusammen mit dem Aktenvermerk S1-109 zur Auswertung an die anfragende Stelle weiterzuleiten. Der Ausdruck und der Aktenvermerk S1-109 sind von der anfragenden Stelle (ggf. eingescannt) zu den Akten zu nehmen.

Bei der Auswertung der Ergebnisse eines Kontenabrufs ist zu beachten, dass zur Ermittlung von Konteninhabern oder Verfügungsberechtigten nur der Name, Vorname und das Geburtsdatum herangezogen werden, nicht aber die angegebene Adresse. Deshalb kann die ersuchende Stelle des Finanzamts vom Abfrageergebnis nicht zwingend auf eine Übereinstimmung mit der angegebenen Adresse schließen. Die Auswertung der Abfrageergebnisse muss daher mit besonderer Sorgfalt – insbesondere bei Namensgleichheit – erfolgen.

3 Überprüfung und Durchführung eines Kontenabrufs im Bereich Vollstreckung

3.1 Überprüfung der Zulässigkeit eines Kontenabrufs

Vor Durchführung eines Kontenabrufs hat die bzw. der jeweilige Bedienstete der Vollstreckungs- bzw. Erhebungsstelle das im Programm VoSystem erstellte und ausgefüllte Formular BV_BASIS_BZST_Aktenvermerk in einfacher Ausfertigung der zuständigen Sachgebietsleitung der Vollstreckungs- bzw. Erhebungsstelle zur abschließenden Zeichnung vorzulegen. Diese prüft, ob die Voraussetzungen für einen Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO vorliegen.

Da im Vollstreckungsverfahren eine Gefährdung der Ermittlungszwecke zu befürchten ist, wenn der säumige Steuerschuldner vor einem Kontenabruf individuell informiert würde, muss eine Information des Betroffenen vor Durchführung eines Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 AO unterbleiben (vgl. § 93 Abs. 9 Satz 3 AO). Es reicht aus, dass säumige Steuerschuldner in der Zahlungserinnerung auf die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung (einschließlich der Möglichkeit eines Kontenabrufs) hingewiesen werden (§ 93 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz AO).

3.2 Durchführung des Kontenabrufs über das BZSt-Online-Portal

Erst nachdem die Zulässigkeit eines Kontenabrufs von der SGL der Vollstreckungs-bzw. Erhebungsstelle geprüft und befürwortet wurde, darf der Kontenabruf durchgeführt werden.

Der im Programm VoSystem erstellte und ausgefüllte Aktenvermerk (BV_BASIS_BZST_Aktenvermerk) ist nach Durchführung bzw. Ablehnung des Kontenabrufs zu der von der Vollstreckungs- bzw. Erhebungsstelle geführten Vollstreckungsakte zu nehmen.

3.3 Ausdruck und Ablage des Ergebnisses eines Kontenabrufs

Die Ergebnisse eines Kontenabrufs werden als elektronisches Dokument im BOP-Postfach zum Download bereitgestellt. Dieses Dokument ist von einer der zum Abruf berechtigten Personen (vgl. 2.2) auszudrucken und zu der von der Vollstreckungs-bzw. Erhebungsstelle geführten Vollstreckungsakte zu nehmen.

3.4 Einzelfragen

Ein Kontenabruf für Vollstreckungszwecke ist auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zulässig. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind Einzelzwangsmaßnahmen zwar nicht mehr zulässig (§ 89 InsO). Allerdings ist die Vollstreckung gehalten, dem Insolvenzverwalter Informationen zur Anreicherung der Masse zukommen zu lassen, mit dem Ziel, eine höhere Quote für die Finanzverwaltung zu erreichen (Vollstreckungskartei BW, Insolvenzordnung, Karte 16, Tz. 1). Die Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist durch § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO gedeckt.

4 Überprüfung und Durchführung eines Kontenabrufs im Bereich Steuerfahndung (§ 93 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b AO)

4.1 Überprüfung der Zulässigkeit eines Kontenabrufs

Vor Durchführung eines Kontenabrufs hat die bzw. der jeweilige Bedienstete der Steuerfahndung das ausgefüllte TVS-Formular S1-612 E (Aktenvermerk zum Kontenabrufersuchen nach § 93 Abs. 7 i.V.m. § 93b AO) in zweifacher Ausfertigung der zuständigen Sachgebietsleitung der Steuerfahndungsstelle zur abschließenden Zeichnung vorzulegen. Diese prüft, ob die Voraussetzungen für einen Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO vorliegen.

Das nach § 93 Abs. 7 S. 2 2. Halbsatz AO zunächst erforderliche Auskunftsersuchen an die / den Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich, wenn der Ermittlungszweck dadurch gefährdet würde (vgl. AEAO zu § 93 Nr. 2.2.7 4. Absatz). Dies gilt ebenso für die vorherige Anhörung der bzw. des Betroffenen nach § 93 Abs. 9 S. 1 erster Halbsatz und S. 3 i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO.

4.2 Durchführung des Kontenabrufs über das BZSt-Online-Portal

Erst nachdem die Zulässigkeit eines Kontenabrufs von der SGL der Steuerfahndungsstelle geprüft und befürwortet wurde, darf der Kontenabruf durchgeführt werden.

Kontenabrufersuchen sind zentral durch bis zu zwei hierzu bestimmte Bedienstete der Steuerfahndungsstelle eines Finanzamts vorzunehmen.

Eine Ausfertigung des Aktenvermerks S1-612 E ist mit einer fortlaufenden Nummer (1 ff./2024 ff.) versehen in einem zentralen Register/Ordner bei der Steuerfahndung abzulegen. Eine weitere Ausfertigung des Aktenvermerks ist nach Durchführung bzw. Ablehnung des Kontenabrufs zu der von der Steuerfahndungsstelle geführten Ermittlungsakte zu nehmen.

4.3 Ausdruck und Ablage des Ergebnisses eines Kontenabrufs

Die Ergebnisse eines Kontenabrufs werden als elektronisches Dokument im BOP-Postfach zum Download bereitgestellt. Dieses Dokument ist von einer der zum Abruf berechtigten Personen (vgl. 4.2) auszudrucken und zu der von der Steuerfahndungsstelle geführten Ermittlungsakte zu nehmen.

4.4 Kontenabruf für strafrechtliche Zwecke (§ 24c KWG)

Das Verfahren zur Durchführung eines Kontenabrufs für strafrechtliche Zwecke nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bleibt von den vorgenannten Regelungen unberührt.

5 Unterrichtung über durchgeführte Kontenabrufe

Über ein durchgeführtes Kontenabrufverfahren ist die bzw. der Betroffene gemäß § 93 Abs. 9 Satz 2 AO stets zu informieren, es sei denn, im Einzelfall liegt einer der Ausnahmetatbestände des § 93 Abs. 9 Sätze 3 und 6 AO vor. Ein solcher Einzelfall liegt insbesondere dann vor, wenn und solange die Information über den Kontenabruf die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Finanzamtes nach § 32b Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 32a Abs. 2 AO gefährden würde. Insbesondere in den Fällen des § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO kann diese Situation ggf. länger fortbestehen. Die spätere Benachrichtigung (vgl. AEAO zu § 93 Nr. 2.7 2. Absatz) ist in geeigneter Weise durch die veranlassende Stelle zu überwachen.

Die Unterrichtung über den Kontenabruf kann u.a. erfolgen:

  • durch gesondertes Anschreiben

  • im Rahmen der nach Auswertung des Kontenabrufs veranlassten Maßnahme (z.B. Mitteilung des Vollstreckungsschuldners über die Pfändungs- und Einziehungsverfügung)

  • im Rahmen der nach Auswertung des Kontenabrufs veranlassten Maßnahme (z.B. Mitteilung des Vollstreckungsschuldners über die Pfändungs- und Einziehungsverfügung)

  • im Rahmen des Schlussgesprächs einer Außenprüfung

6 Aufbewahrungsfrist für die in zentralen Registern / Ordnern abgelegten Ausfertigungen der Aktenvermerke über Kontenabrufe

Die in zentralen Registern / Ordnern abgelegten Ausfertigungen der Aktenvermerke über Kontenabrufe (vgl. 2.1 bzw. 4.2) können nach Ablauf von zwei Jahren vernichtet werden. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der jeweilige Kontenabruf getätigt bzw. zurückgewiesen wurde.

7 Statistische Erhebungen des BZSt

Das Bundeszentralamt für Steuern erhebt für statistische Zwecke Daten über die durchgeführten Datenabrufe und Übermittlungen (§ 93b Abs. 2 AO). Die statistische Erhebung des BZSt differenziert nach den Bereichen Veranlagung, Vollstreckung und Außenprüfung (Auffangkategorie: Keine Angabe). Bei der Durchführung der Kontenabrufe über das BZSt-Online-Portal (vgl. 2.2, 3.2, 4.2) ist sicherzustellen, dass dem Bundeszentralamt für Steuern die notwendigen Angaben für deren statistische Erfassung übermittelt werden.

OFD Karlsruhe v. - S 0230

Fundstelle(n):
AO-Kartei BW AO § 93 Karte 3
ZAAAJ-70249