BVerwG Beschluss v. - 20 F 30/22

Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 19 PS 2/22 Beschlussvorgehend Az: 10 A 305/22 Beschluss

Gründe

I

1Die Klägerin begehrt in der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsache, den Beklagten zu verpflichten, ihr gemäß § 30 Abs. 1 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes weitere Auskunft über die zu ihr gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.

2Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurde durch den Beklagten ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Vorlage einer Sperrerklärung vom verweigert.

3Mit Beschluss vom hat die Kammer des Verwaltungsgerichts beschlossen, über den Inhalt der über die Klägerin erhobenen und gespeicherten personenbezogenen Daten Beweis zu erheben durch Einsichtnahme in die vollständigen Vorgänge des Beklagten, die solche Daten enthalten. Dies lehnte der Beklagte unter Verweis auf die Sperrerklärung ab.

4Auf Antrag der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die Sache mit Beschluss vom an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben. Mit Beschluss vom hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung des Beklagten rechtswidrig ist, soweit sie sich auf neun einzeln bezeichnete Blätter der Sachakte bezieht, und im Übrigen die Sperrerklärung für rechtmäßig erklärt.

5Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

6Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts ist die Sperrerklärung des Beklagten vom auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die im Tenor angeführten Daten von Personen bezieht.

71. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO) unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.

8Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom - 20 F 1.19 - juris Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

9Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht ( 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass diese Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten ( 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund ( 20 F 12.17 - juris Rn. 15). An der Schutzwürdigkeit personenbezogener Angaben kann es fehlen, etwa wenn die Daten anderweitig öffentlich bekannt sind (vgl. 20 F 10.12 - juris Rn. 11) oder dem jeweiligen Kläger ersichtlich ohnehin in den jeweiligen Zusammenhängen bekannt sind (vgl. 20 F 2.14 - juris Rn. 13).

102. Ausgehend davon ist die Sperrerklärung, soweit sie sich auf die im Tenor genannten Akteninhalte von Personen bezieht, rechtswidrig. Für die Schwärzungen dieser Daten lässt sich nicht erkennen, dass der von dem Beklagten insoweit jeweils allein geltend gemachte Weigerungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO besteht. Die personenbezogenen Daten sind in Unterlagen enthalten, die der Klägerin bekannt sind, weil es sich dabei um von ihr stammende oder an sie gerichtete E-Mails und Schreiben bzw. um Dokumente handelt, die sie in ihrer Eigenschaft als Funktionärin der ... bzw. der ... erhalten oder versandt hat (etwa für Teilnehmer an Parteiveranstaltungen gefertigte Protokolle, Einladungen und Anträge). Vor diesem Hintergrund erscheinen die jeweils genannten Personen nicht als schutzbedürftig. Zu den schutzwürdigen Belangen dieser Personen gibt auch die Sperrerklärung des Beklagten über die allgemein gehaltene Begründung hinaus keinen nachvollziehbaren Aufschluss. Es erschließt sich zudem nicht, welche Rückschlüsse sich bei einer Offenlegung dieser Daten ergeben könnten.

11Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe insoweit bestehen. Weitere Teilschwärzungen in Bezug auf entnommene Aktenbestandteile kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. 20 F 1.19 - juris Rn. 12 m. w. N.). Von einer über die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom unter II.2.b.) hinausreichenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).

12Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.) genügt.

133. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:140324B20F30.22.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-70239