BGH Beschluss v. - IV ZB 14/22

Instanzenzug: Az: 20 U 321/21vorgehend Az: 41 O 20/21

Gründe

1I. Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts.

2Das Urteil ist dem Kläger am zugestellt worden. Er hat dagegen fristgerecht Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren ist beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 20 U 321/21 geführt worden. Auf einen schriftsätzlichen Antrag des Klägers, der das Aktenzeichen 20 U 231/21 sowie das Rubrum des unter dem Aktenzeichen 20 U 321/21 geführten Berufungsverfahrens trug, ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum verlängert worden. Am ist über das besondere elektronische Anwaltspostfach eine Berufungsbegründung eingereicht worden, die wiederum das Aktenzeichen 20 U 231/21 sowie das Rubrum des unter dem Aktenzeichen 20 U 321/21 geführten Berufungsverfahrens trug und in die elektronische Akte des Verfahrens 20 U 231/21 eingeordnet wurde.

3Nach einem Hinweis des dass mangels Eingangs einer Berufungsbegründung die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig beabsichtigt sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom , der erneut unter dem Aktenzeichen 20 U 231/21 eingereicht und in die Akte dieses Verfahrens eingeordnet wurde, auf die Übermittlung der Berufungsbegründung am hingewiesen.

4Das Berufungsgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

5II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

61. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, welches es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. , WM 2024, 815 Rn. 5 m.w.N.).

72. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte das Rechtsmittel nicht wegen einer Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verwerfen dürfen (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der am eingegangene Schriftsatz hat die Frist gewahrt.

8a) Die Angabe des falschen Aktenzeichens steht für sich genommen dem fristgerechten Eingang der Berufungsbegründung nicht entgegen. Das Gesetz schreibt in den § 129 Abs. 1, § 130 ZPO - die gemäß § 520 Abs. 5 ZPO auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden sind - die Angabe eines bereits zugeordneten und mitgeteilten Aktenzeichens nicht vor. Die Angabe eines Aktenzeichens soll die Weiterleitung innerhalb des Gerichts erleichtern und für eine rasche Bearbeitung sorgen. Es handelt sich um eine Ordnungsmaßnahme, die für die Sachentscheidung ohne Bedeutung ist (Senatsbeschluss vom - IV ZB 22/15, juris Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom - VI ZR 166/22, juris Rn. 13; vom - XII ZB 567/15, NJW-RR 2017, 385 Rn. 7; jeweils m.w.N.). Für den Eingang der Berufungsbegründung ist es dabei unerheblich, ob der Schriftsatz anhand des Aktenzeichens bereits innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in die für diese Sache angelegte Akte eingeordnet wurde (Senatsbeschluss vom aaO m.w.N.). Für den Eingang eines Schreibens bei Gericht ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass das Schreiben der richtigen Akte zugeordnet oder der betreffenden Geschäftsstelle übergeben wird, sondern allein, dass es vor Ablauf der gesetzten Frist in den Machtbereich des Gerichts gelangt (vgl. , NJW-RR 2024, 548 Rn. 17 m.w.N.; BVerfG NJW 2023, 2173 Rn. 26).

9Der Berufungsbegründung muss allerdings zweifelsfrei zu entnehmen sein, zu welchem Verfahren sie eingereicht werden soll. Unrichtige Angaben schaden nur dann nicht, wenn auf Grund sonstiger, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erkennbarer Umstände für Gericht und Prozessgegner zweifelsfrei feststeht, welchem Rechtsmittelverfahren die Begründung zuzuordnen ist (Senatsbeschluss - IV ZB 22/15, juris Rn. 11 m.w.N.). Wurde durch die Angabe eines falschen Aktenzeichens eine Unsicherheit darüber herbeigeführt, in welcher Sache die Rechtsmittelbegründung eingereicht wurde, ist diese nach dem Inhalt der schriftsätzlichen Ausführungen des Rechtsanwalts dem richtigen Verfahren zuzuordnen (vgl. , NJW-RR 2017, 385 Rn. 8 m.w.N.).

10b) An diesen - auch für die elektronische Übermittlung geltenden - Grundsätzen gemessen war die Berufungsbegründung vom - auch wenn sie das falsche Aktenzeichen trägt - ohne Zweifel dem richtigen Berufungsverfahren zuzuordnen. Denn der Schriftsatz enthält das richtige Rubrum des Berufungsverfahrens sowie im Eingangssatz und im Antrag eine ausdrückliche Bezugnahme auf die mit der Berufung angefochtene - nach Gericht, Entscheidungsdatum und erstinstanzlichem Aktenzeichen zutreffend bezeichnete - Entscheidung. Auch das Berufungsgericht ist - nach der Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig - davon ausgegangen, dass die eingereichte Begründung fälschlich dem Verfahren 20 U 231/21 zugeordnet worden ist, wie sich aus in jenem Verfahren erteilten Hinweis vom ergibt.

113. Der die Berufung des Klägers als unzulässig verwerfende Beschluss des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Rechtsmittel an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:290524BIVZB14.22.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-70090