Schuldspruchänderung nach Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Gesetze: § 34 Abs 1 Nr 4 KCanG, § 34 Abs 1 Nr 5 KCanG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 265 Abs 1 StPO
Instanzenzug: LG München II Az: 2 KLs 48 Js 25996/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Arzneimitteln, davon wiederum in einem Fall in weiterer Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit neuen psychoaktiven Stoffen, und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Arzneimitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt; daneben hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 160.390 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Schuldspruch bedarf der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung:
3a) In den Fällen 6.2, 8, 9 und 11 der Urteilsgründe bezog sich das Handeltreiben des Angeklagten allein auf Marihuana und Haschisch. Damit ist der Schuldspruch insoweit an das am in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom anzupassen (§ 2 Abs. 3 StGB iVm § 354a StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Nr. 4, 5 KCanG; BGH, Beschlüsse von – 5 StR 153/24 Rn. 3 f. und vom – 1 StR 106/24 Rn. 4 f.).
4b) In den Fällen 1 und 7 der Urteilsgründe ist im Schuldspruch ebenfalls aufgrund der Neuregelung zu erfassen, dass der Angeklagte neben Kokain, Heroin, Ecstasy-Tabletten u.a. Marihuana und Haschisch zum Verkauf anbot sowie gewinnbringend weiterveräußerte.
5c) Im Fall 10 der Urteilsgründe führt das gebotene Herausnehmen des gehandelten Haschischs und Marihuanas aus dem Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG dazu, dass dieser Verbrechenstatbestand infolge des Nichtüberschreitens der Grenze zur nicht geringen Menge nicht mehr erfüllt ist. Die Wirkstoffmenge der zugleich gehandelten Ecstasy-Tabletten lag unter 30 Gramm MDMA-Base (vgl. dazu Rn. 4 mwN).
6d) In den Fällen 6.1 und 6.2 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen keine Tatherrschaft des Angeklagten über den Einfuhrvorgang aus den Niederlanden bzw. Spanien (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 369/23 Rn. 7 und vom – 3 StR 210/23 Rn. 6; je mwN). Vielmehr ist der Angeklagte, der das Kokain (Fall 6.1 der Urteilsgründe) bzw. das Marihuana und Haschisch (Fall 6.2 der Urteilsgründe) bei unbekannt gebliebenen Lieferanten im Ausland bestellte und der die versandten Pakete infolge der beiden Beschlagnahmen nicht in Empfang nehmen konnte, insoweit der Anstiftung (§ 26 StGB) zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) bzw. der Anstiftung (§ 26 StGB) zur verbotenen Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG), jeweils in Tateinheit mit dem entsprechenden Tatbestand des Handeltreibens (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bzw. § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG), schuldig (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 276/23 Rn. 2 f., 5 und vom – 1 StR 350/20 Rn. 7).
7e) § 265 Abs. 1 StPO steht der – hier ohnehin nicht beschwerenden – Schuldspruchänderung nicht entgegen. Es ist auszuschließen, dass sich der geständige Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Wegen der ohnehin erforderlichen weitgehenden Neufassung des Schuldspruchs kann offenbleiben, ob der wirksam ist.
82. a) Die Änderung des Schuldspruchs bedingt in den Fällen 6.1, 6.2, 8, 9 und 11 der Urteilsgründe die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen. Dies ist in den zuletzt genannten vier Fällen deswegen unumgänglich, weil die Strafrahmenobergrenze nunmehr auf fünf Jahre Freiheitsstrafe bei den hier jeweils zugleich verwirklichten Regelbeispielen der Gewerbsmäßigkeit (§ 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 KCanG) und des Überschreitens der Schwelle zur nicht geringen Menge (§ 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 4 KCanG; vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24 Rn. 7-21 und vom – 5 StR 153/24 Rn. 11-21) begrenzt ist.
9b) Hingegen beeinflusst die geringe Abmilderung des Schuldspruchs die in den Fällen 1 und 7 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen nicht. Ebenso hat die Einzelstrafe aus Fall 10 der Urteilsgründe Bestand, da nach den – für sich genommen rechtsfehlerfreien – Strafzumessungserwägungen auszuschließen ist, dass das Landgericht die Indizwirkung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 3 BtMG) verneint hätte; es wäre damit wiederum von einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG) ausgegangen.
10c) Die Aufhebung der fünf genannten Einzelstrafen, darunter der zweithöchsten (vier Jahre Freiheitsstrafe im Fall 11 der Urteilsgründe), zieht letztlich die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich, wenngleich sich bereits der bisherige Zusammenzug der Strafen bei einer – unberührt bleibenden – Einsatzfreiheitsstrafe von sechs Jahren (Fall 7 der Urteilsgründe) als sehr straff erweist, zumal der Angeklagte mehrfach, darunter einschlägig vorbestraft war und er bei monatlichen Einkünften aus dem professionellen Handeltreiben von über 9.000 € ein Barvermögen von über 120.000 € erwirtschaftete.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140524B1STR154.24.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-70037