BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 3/24

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof München Az: BayAGH I - 5 -17/22 Urteil

Gründe

I.

1Der Kläger verzichtete im Jahr 1999 auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Mit Schreiben vom beantragte er seine Wiederzulassung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom ab. Die daraufhin mit dem Ziel der Wiederzulassung erhobene Klage hat der Bayerische Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom , dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am , als unbegründet abgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils lautet auszugsweise: "Die Beteiligten können die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils […] beantragen […]. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden."

2Mit am per Boten beim Bayerischen Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt. Der Senat hat mit Verfügung vom auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Mit Schriftsatz vom hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.

31. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger ihn nicht fristgemäß formgerecht gestellt hat.

4a) Nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen - wie der hiesige Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 124a Rn. 151 mwN) -, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte die Einreichung per Boten am nicht.

5b) Die nochmalige Übersendung des Schriftsatzes vom am konnte die Frist zur Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht wahren.

6aa) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO). Das vollständige Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden. Die Frist zur Einreichung des Zulassungsantrags lief daher am ab (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1 und 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 Alternative 1, § 187 Abs. 1 BGB).

7bb) Die Frist zur Beantragung der Zulassung der Berufung ist auch durch die Zustellung des vollständigen Urteils in Gang gesetzt worden. Dem Fristanlauf nach § 58 Abs. 1 VwGO stand insbesondere nicht die vom Kläger gerügte Passage der Rechtsmittelbelehrung entgegen, wonach dem Zulassungsantrag vier Abschriften beigefügt werden sollen.

8(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Rechtsbehelfsbelehrung u.a. dann unrichtig, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. nur BVerwG, NVwZ 2019, 167 Rn. 15 mwN).

9(2) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

10Der vom Kläger gerügte Zusatz zum notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung ist im Grundsatz dem § 81 Abs. 2 VwGO entnommen, nach dem der Klage und allen Schriftsätzen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden sollen. Der Zusatz ist zwar insofern unrichtig, als die Vorschrift im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument nach § 55a Abs. 5 Satz 3 VwGO keine Anwendung findet.

11Diese Unrichtigkeit ist aber ihrer Art nach nicht geeignet, die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung - überhaupt oder innerhalb der Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO (i.V.m. § 112e Satz 2 VwGO) - zu erschweren. Der beanstandete Zusatz gibt die Beifügung von Abschriften nicht als Zwang aus, dessen Nichtbeachtung auf die formelle Wirksamkeit des Zulassungsantrags von Einfluss ist (vgl. dazu BVerwG, NJW 1980, 1707), sondern lediglich als dringende Bitte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie der Zusatz irrige Vorstellungen über die formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Zulassung der Berufung hervorrufen und dadurch die Rechtsmitteleinlegung erschweren könnte (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 56).

12c) Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 60 VwGO). Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet, weil der Kläger nicht ohne Verschulden an der formwirksamen Einlegung des Zulassungsantrags gehindert war.

13aa) Verschuldet ist eine Fristversäumung, wenn der Beteiligte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (, juris Rn. 12 mwN). Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO steht dabei das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden des Beteiligten gleich.

14bb) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger die Fristversäumung verschuldet. Der Prozessvertreter des Klägers hätte wissen können und müssen, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument einzureichen ist.

15(1) Die vom Kläger erfolglos gerügte Passage der Rechtsmittelbelehrung begründete bereits keinen Anlass, von der formgerechten Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO) abzusehen (s.o.).

16(2) Soweit sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers außerdem darauf beruft, die Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs habe auf seine telefonische Rückfrage hin mitgeteilt, der Antrag könne dort abgegeben werden und seiner Bitte, den Empfang zu quittieren, könne ebenfalls nachgekommen werden, wären diese Umstände schon deshalb nicht geeignet, eine unrichtige Vorstellung über die an die Form der Rechtsmitteleinlegung zu stellenden Anforderungen hervorzurufen, weil mit dem behaupteten bloßen Einverständnis mit der vom Prozessvertreter gewünschten Form der Schriftsatzeinreichung keine Aussage über etwaige Formerfordernisse getroffen wurde. Hinzu kommt, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers - wie er selbst einräumt - bekannt war, dass er schriftlich einzureichende Anträge nach § 55d Satz 1 VwGO als elektronisches Dokument übermitteln muss.

17(3) Selbst wenn man das Einverständnis der Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs mit der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gewünschten Vorgehensweise bei der Schriftsatzeinreichung als Auskunft verstehen wollte, dass diese Form der Einreichung keinen Bedenken begegne, wäre diese Auskunft erkennbar fehlerhaft. Denn sie stünde in offenkundigem Widerspruch zur Gesetzeslage. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte sich deshalb nicht darauf verlassen dürfen (vgl. , FamRZ 2022, 1797 Rn. 13 f. mwN).

18(4) Soweit der Prozessvertreter des Klägers schließlich allgemein darauf verweist, er habe in der jüngeren Vergangenheit zur Kenntnis nehmen müssen, "dass verschiedene staatliche Stellen und Gerichte Probleme mit der Verarbeitung von elektronischen Dokumenten und insbesondere Anlagen haben", weshalb der Hinweis auf die Abschriften - aus seiner Sicht - auf Besonderheiten im Umgang mit dem Bundesgerichtshof hingedeutet habe, führt auch dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Die einer solchen Annahme entgegenstehende Gesetzeslage war und ist eindeutig.

192. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre indes auch unbegründet.

20a) Der im Schriftsatz vom geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor. Voraussetzung für eine Zulassung wegen Divergenz ist, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 24/20, juris Rn. 20 mwN).

21Der Kläger zeigt in seiner Rechtsmittelbegründung keine Abweichung eines tragenden Rechtssatzes im Urteil des Anwaltsgerichtshofs von anderen Rechtssätzen in Entscheidungen höherer oder gleichrangiger Gerichte auf. Er beruft sich darauf, dass die Grundsätze aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs in seinem Einzelfall zu einer anderen Würdigung hätten führen müssen. Damit ist jedoch nicht der Zulassungsgrund der Divergenz angesprochen, sondern der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Abgesehen von der mangelnden Darlegung der Divergenz durch den Kläger ist eine solche auch nicht erkennbar. Vielmehr hat sich der Anwaltsgerichtshof in seiner Entscheidung an den vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtssätzen orientiert.

22b) Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen ebenfalls nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 20/22, juris Rn. 3 mwN). Entsprechende Zweifel legt der Kläger nicht dar.

III.

23Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280324BANWZ.BRFG.3.24.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-69263