Online-Nachricht - Donnerstag, 13.06.2024

Gewerbesteuer | Verfassungsmäßigkeit der Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG für Auslandsdividenden aus Streubesitz im Erhebungszeitraum 2001 (BFH)

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 36 Abs. 4 GewStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) auch insoweit gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, als er § 8 Nr. 5 GewStG i.d.F. dieses Gesetzes auf Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem verbindlich beschlossen wurden und die der direkt oder mittelbar über ein inländisches Wertpapier-Sondervermögen mit weniger als 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Beteiligten streiten um die Anwendung der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG für den Erhebungszeitraum 2001: Die Klägerin ist eine der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegende Anstalt des öffentlichen Rechts, die ein Lebensversicherungsunternehmen betreibt. Sie ist der Auffassung, § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG sei im Streitjahr 2001 wegen Verstoßes gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit nicht anwendbar. § 8b Abs. 1 KStG sei im Jahr 2001 für Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften noch nicht anwendbar gewesen, sodass es in diesen Fällen auch nicht zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG habe kommen können. Die faktisch vom Sitz der ausschüttenden Gesellschaft abhängende unterschiedliche zeitliche Anwendbarkeit der Regelung führe zu einer Diskriminierung der Auslandssachverhalte.

Diese Auffassung hatte der vorlegende Senat in einer früheren Entscheidung vertreten (, BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.07.2013). Die Finanzverwaltung hat die Nichtanwendung der Entscheidung auf andere Fälle angeordnet ( BStBl I 2015, 260).

Darüber hinaus hält die Klägerin die durch § 36 Abs. 4 GewStG angeordnete Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG bereits ab dem Erhebungszeitraum 2001 wegen Verstoßes gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) für verfassungswidrig, soweit von der Hinzurechnung auch Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften an die Klägerin oder die Investmentfonds erfasst werden, die bis zum (Zeitpunkt der Vermittlungsempfehlung bezüglich § 8 Nr. 5 GewStG im Gesetzgebungsverfahren) erfolgt sind. Insoweit stützt sich die Klägerin auf den (BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932) betreffend Dividendenvorabausschüttungen aus Streubesitzbeteiligungen, die ebenfalls bereits im Streitjahr dem Regime des § 8b Abs. 1 KStG unterlagen. Das BVerfG hatte in jenem Beschluss entschieden, dass § 36 Abs. 4 GewStG gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG verstößt und nichtig ist, soweit er § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem verbindlich beschlossen wurden und die der mit weniger als 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind.

Mit ihrer Klage hatte die Klägerin in erster Instanz Erfolg (, s. hierzu Lieber, IWB 16/2018 S. 610).

Auf die Revision des FA setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH eine Frage zur Auslegung des Art. 56 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt Art. 63 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) zur Vorabentscheidung vor (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 14.4.2022), über die der „H Lebensversicherung“ urteilte (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 22.6.2023).

In Bezug auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes gehen die Beteiligten davon aus, dass die Problematik der hier in Rede stehenden Dividenden aus Streubesitzanteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften mit derjenigen der im (BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932) angesprochenen Dividendenvorabausschüttungen vergleichbar ist. Unterschiedliche Auffassungen bestehen mit Blick auf den vom BVerfG angenommenen Zeitpunkt des Verlusts des Vertrauensschutzes (Ablauf des ) darüber, ob es ‑ wie das FA meint ‑ hinsichtlich der der Klägerin über den Y-Fonds zugeflossenen Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften auf den Zeitpunkt des Zuflusses der vom Fonds weitergeleiteten Dividenden bei der Klägerin () ankommt, oder ob hierfür ein früherer Anknüpfungspunkt entscheidend ist.

Nunmehr hat der BFH das BVerfG angerufen, da die Richter der Auffassung sind, dass die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG auch insoweit gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, als er § 8 Nr. 5 GewStG auf Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem verbindlich beschlossen wurden und die der direkt oder mittelbar über ein inländisches Wertpapier-Sondervermögen mit weniger als 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
VAAAJ-68724