BGH Beschluss v. - VI ZB 88/21

Einlegung einer Rechtsbeschwerde durch vollmachtlosen Vertreter

Leitsatz

Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden. Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden. Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht.

Gesetze: § 80 S 1 ZPO, § 522 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 1 U 2144/20vorgehend LG München I Az: 5 O 13932/17

Gründe

I.

1Die Klägerin ist eine vermögenslose Gesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz auf der Insel Madeira. Sie begehrt - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren von Belang - von den Beklagten Schadensersatz wegen angeblich wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen und Falschaussagen in mehreren Vorverfahren.

2Nachdem die Klägerin die Klage gegen den ehemaligen Beklagten zu 2zurückgenommen hatte, hat das Landgericht die Klage im Übrigen durch Endurteil abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch die Rechtsanwälte H., Berufung eingelegt. Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist hat sich Rechtsanwalt Dr. W. ebenfalls für die Klägerin bestellt und die Berufung mit Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

3Das Berufungsgericht hat die Klägerin gebeten mitzuteilen, durch wen sie gesetzlich vertreten wird und ihr eine Frist zur Vorlage der Prozessvollmachten für Rechtsanwalt Dr. W. und die Rechtsanwälte H. gesetzt. Diese haben daraufhin eine Fotokopie einer Vollmachtsurkunde vom mit der Klägerin sowie deren damaligem Geschäftsführer V. als Vollmachtgebern und Rechtsanwalt Dr. W. und dessen Vater als - einzeln - Bevollmächtigten übersandt, die unter anderem die Vertretung der Vollmachtgeber gegenüber Behörden, einschließlich Finanzbehörden und Gerichten umfasst, sowie eine Fotokopie einer Vollmachtsurkunde vom , ausgestellt von Rechtsanwalt Dr. W. als Vertreter der Klägerin, mit der die Rechtsanwälte H. unter anderem zur Prozessführung im anhängigen Verfahren bevollmächtigt werden.

4Das Berufungsgericht hat sodann Rechtsanwalt Dr. W. und die Rechtsanwälte H. unter Fristsetzung für die Beibringung der Genehmigung der Prozessführung gegen Sicherheitsleistung einstweilen zur Prozessführung zugelassen. In der Begründung hat das Berufungsgericht unter anderem darauf hingewiesen, die Erteilung wirksamer Prozessvollmachten habe mit den vorgelegten Schriftstücken nicht nachgewiesen werden können. Die - fotokopierte - Urkunde vom stelle keine Prozessvollmacht (für Rechtsanwalt Dr. W) dar, da sie keinen konkreten Rechtsstreit bezeichne und die Führung eines Anwaltsprozesses nicht umfasse. Die Erteilung der Prozessvollmacht für die Rechtsanwälte H. durch Dr. W aufgrund der Generalvollmacht vom sei unwirksam, da den Rechtsanwälten H. habe bewusst sein müssen, dass diese Vollmacht von Dr. W missbraucht worden sei, um einen weiteren, von vornherein aussichtslosen Rechtsstreit gegen die Beklagten auf Kosten der offensichtlich vermögenslosen Klägerin und damit letztlich auch des Prozessgegners zu führen. Nachdem in der Folge Rechtsanwalt Dr. W. lediglich zwei von ihm selbst als "Generalbevollmächtigter" der Klägerin auf die Rechtsanwälte H. ausgestellte Prozessvollmachten im Original übersandt hatte, hat das Berufungsgericht die Berufung nach erneutem Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine wirksame Bevollmächtigung gemäß § 80 ZPO nicht nachgewiesen, die Prozessführung nicht genehmigt und die festgesetzte Sicherheit nicht geleistet worden sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

5Der Beklagte zu 3 hat auch im Rechtsbeschwerdeverfahren das Vorliegen einer wirksamen Prozessvollmacht zur Vertretung der Klägerin gerügt. Die Klägerin hat in der Folge das Original einer schriftlichen Bestätigung der nach ihrem Vortrag zunächst mündlich von Rechtsanwalt Dr. W. erteilten Prozessvollmacht vorgelegt, welche dieser im Rahmen seiner Generalvollmacht vom für die Klägerin dem als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zugelassenen Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. S. für die dritte Instanz erteilt habe. Auf den mit Beschluss vom erfolgten Hinweis des Senats, dass auch die Vollmacht vom im Original vorzulegen sei, hat Prof. Dr. S. mitgeteilt, die der Erteilung der Prozessvollmacht zugrundeliegende Generalvollmacht der Klägerin für Dr. W. sei nicht mehr auffindbar. Es sei nur eine Kopie dieser Vollmacht gefunden worden. Auf dieser habe der damalige Geschäftsführer der Klägerin seine damals geleistete Unterschrift nunmehr wiederholt.

II.

6Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil ein vollmachtloser Vertreter sie eingelegt hat und die Einlegung durch die Klägerin auch nicht genehmigt worden ist.

1.    Die Klägerin hat den Nachweis der Bevollmächtigung ihres Prozessbevollmächtigten in dritter Instanz bereits nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise erbracht, nachdem das Vorliegen einer wirksamen Prozessbevollmächtigung durch den Gegner gerügt worden und daher vom Senat zu prüfen ist (§ 80 Satz 1, § 88 ZPO). Es kann daher dahinstehen, ob die Vollmachtserteilung - wie die Beschwerdeerwiderung meint - aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam ist.

7a) Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden (vgl. , NJW-RR 1986, 1252, juris Rn. 15; Beschluss vom - III ZB 43/00, NJW-RR 2002, 933, juris Rn. 8 mwN; OLG Braunschweig, Beschluss vom - 3 W 6/18, BeckRS 2020, 12173 Rn. 72; OLG München, OLGZ 1993, 223; Anders/Gehle/Becker, ZPO, 81. Aufl., § 80 Rn. 16 und 19; BeckOK ZPO/Piekenbrock, Stand , § 80 Rn. 12; MüKoZPO/Toussaint, 6. Aufl., § 80 Rn. 12; Musielak/Voit/Weth, ZPO, 20. Aufl., § 80 Rn. 13; Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 80 Rn. 7; Saenger/Bendtsen, ZPO, 10. Aufl., § 80 Rn. 9). Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden (vgl. , NJW-RR 1986, 1252, juris Rn. 15). Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form (§§ 415, 435 ZPO) - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht (vgl. , BGHZ 126, 266, 267 f., juris Rn. 9 f.; Beschlüsse vom - IX ZR 37/19, juris Rn. 3; vom - III ZB 43/00, NJW-RR 2002, 933, juris Rn. 8 mwN).

8b) Diesen Anforderungen entsprechen die zum Nachweis der Prozessvollmacht von Rechtsanwalt Prof. Dr. S. für das Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen nicht. Zwar liegt die Vollmacht, die ihm von Rechtsanwalt Dr. W. erteilt wurde, im Original vor. Die für die Klägerin wirkende Vertretungsmacht des Dr. W., die im Rechtsbeschwerdeverfahren allein auf eine vom damaligen Geschäftsführer der Klägerin ausgestellte Vollmacht vom gestützt wird, ist jedoch auch nach dem Hinweis des Senats nicht in der von § 80 Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Form durch Vorlage der Originalurkunde nachgewiesen worden. Die eingereichte weitere Kopie der Vollmachtsurkunde vom genügt den vorgenannten Anforderungen nicht. Daran ändert die nachträglich auf der Kopie aufgebrachte und von einem portugiesischen Rechtsanwalt bestätigte Unterschrift des ehemaligen Geschäftsführers der Klägerin nichts. Ebenso wie die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung, ein der Kopie zu Grunde liegendes Original unterzeichnet zu haben (vgl. , juris Rn. 2 f.), führt auch die spätere schriftliche Bestätigung einer nur als Fotokopie vorliegenden Vollmachtsurkunde nicht dazu, dass diese als Originalurkunde anzusehen ist. Zwar kann die Bestätigung unter Umständen als Genehmigung im Sinne des § 89 ZPO gewürdigt werden, jedoch müssen hierfür dessen Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 35. Aufl., § 80 Rn. 8, § 89 Rn. 9). Hieran fehlt es jedoch, da der die Kopie der Vollmacht vom bestätigende V. zum Zeitpunkt der Bestätigung nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin war und daher keine diese bindenden Erklärungen abgeben konnte. Eine Genehmigung der Prozessführung durch den derzeitigen gesetzlichen Vertreter der Klägerin ist nicht erfolgt.

92. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

10a) Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wenn die unterlegene Partei - ausnahmsweise - keinen Anlass für den Prozess gegeben hat, die Bestimmungen der §§ 91, 97 ZPO entsprechend dahin anzuwenden, dass die Kosten demjenigen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen sind, der sie verursacht hat. Dementsprechend ist anerkannt, dass bei einer fehlenden wirksamen Bevollmächtigung die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuerlegen sind, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat. Dies kann auch der vollmachtlose Vertreter sein. Er kommt als Veranlasser in der Regel dann in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt (vgl. , WM 2009, 23 Rn. 16; Beschlüsse vom - IX ZR 37/19, juris Rn. 4; vom - III ZB 60/16, NJW 2017, 2683 Rn. 10; vom - V ZB 5/93, BGHZ 121, 397, 400, juris Rn. 11 mwN; vgl. auch , juris Rn. 27).

11b) Nach diesen Grundsätzen verbleibt es vorliegend entsprechend der Grundregel des § 97 Abs. 1 ZPO jedoch dabei, dass die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels von der Klägerin zu tragen sind. Der damalige Geschäftsführer der Klägerin hat bestätigt, dass er die - in Kopie vorgelegte - Vollmacht vom für Rechtsanwalt Dr. W ausgestellt hat. Auch wenn dies zum Nachweis der Vollmacht in der von § 80 ZPO vorgeschriebenen Form nicht genügt, kann vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin die in ihrem Namen erfolgte Erteilung der Prozessvollmacht und die Einlegung der Rechtsbeschwerde (mit) veranlasst hat. Zudem kann nicht angenommen werden, dass der beim Bundesgerichtshof zugelassene anwaltliche Vertreter der Klägerin oder Rechtsanwalt Dr. W bezüglich der Einlegung der vorliegenden Rechtbeschwerde im Bewusstsein des Fehlens einer wirksamen Vollmacht gehandelt hätten. Insoweit genügt es hier nicht, dass der Nachweis der Vollmacht nach Hinweis des Senats nicht gemäß § 80 ZPO durch Vorlage des Originals der Bevollmächtigung von Dr. W vom geführt werden konnte. Daraus lässt sich angesichts der vorhandenen Kopie nicht auf eine Kenntnis davon schließen, dass eine wirksame Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Dr. W zur Erteilung einer Prozessvollmacht für die Klägerin im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stattgefunden hatte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230124BVIZB88.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 9 Nr. 24
AAAAJ-68235