(Tatrichterliche Feststellungen bei Prüfung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 S. 1 StGB)
Gesetze: § 46 StGB, § 56 Abs 2 S 1 StGB, § 177 StGB
Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 17 KLs 8/23 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Während die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, hält die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.
3a) Nach den Feststellungen griff der Angeklagte der Geschädigten gegen ihren Willen in die Hose und berührte ihre Schamlippen. Sodann zog er beider Hosen und Unterhosen herunter, drückte die Geschädigte gegen einen Zaun und berührte mit seinem Penis das Gesäß der Geschädigten. Das Landgericht ist zugunsten des nicht alkoholgewöhnten Angeklagten aufgrund einer Blutalkoholkonzentration von 2,1 Promille zur Tatzeit von einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit ausgegangen. Es hat dem unbestraften Angeklagten eine günstige Legalprognose gestellt, das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB jedoch verneint. Dazu hat es auch und gerade auf die „persistente Art der Tatausführung“ abgestellt. Der Angeklagte habe sich trotz zahlreicher Warnungen seiner Begleiter von der Tatbegehung nicht abhalten lassen.
4b) Gegen die Prüfung, ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB vorliegen, bestehen auch eingedenk des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. mwN) durchgreifende rechtliche Bedenken. Es fehlt an einer rechtsfehlerfreien Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. , NStZ-RR 2016, 9 mwN).
5Denn das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass es dem Angeklagten die Tatintensität nur dann ohne Abstriche anlasten darf, wenn sie ihm im vollen Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl. zur Strafzumessung mwN). Die Urteilsgründe lassen auch in ihrer Gesamtschau nicht erkennen, dass sich das Landgericht dessen bewusst war.
6Der Senat vermag angesichts der zahlreichen, dem geständigen Angeklagten günstigen Umstände, namentlich des Vergleichs über die Zahlung von Schmerzensgeld, seiner Lebensverhältnisse sowie der erlittenen Freiheitsentziehung nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der besonders hartnäckigen Begehungsweise entsprechend der geminderten Schuld das Vorliegen besonderer Umstände bejaht hätte.
72. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:290424B6STR156.24.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-67796