Verpflichtung zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs
Leitsatz
1. NV: Nach der Finanzgerichtsordnung vertretungsberechtigte Personen müssen dem Gericht Schriftsätze und deren Anlagen als elektronisches Dokument übermitteln, wenn ihnen dafür ein sicherer Übertragungsweg zur Verfügung steht.
2. NV: Steuerberatern steht seit dem durch das besondere elektronische Steuerberaterpostfach ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung.
Gesetze: FGO § 52d; FGO § 56; FGO § 62
Instanzenzug: ,
Tatbestand
I.
1 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) mit Urteil vom ab und ließ die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Das Urteil wurde am zugestellt.
2 Mit am (per Telefax) beim BFH eingegangenem Schreiben legte der Kläger Revision ein. Die Senatsvorsitzende wies mit Schreiben vom darauf hin, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen seit dem als elektronisches Dokument zu übermitteln seien (§ 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und der Schriftsatz vom diesen Anforderungen nicht genüge. Eine Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften sei nur zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich sei (§ 52d Satz 3 FGO). Es werde um unverzügliche Mitteilung und Glaubhaftmachung gebeten, ob eine vorübergehende Unmöglichkeit vorgelegen habe (§ 52d Satz 4 FGO).
3 Mit einem (ebenfalls per Telefax) zugesandten Schreiben vom teilte der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater mit, dass eine Übermittlung der Revision vom als elektronisches Dokument im Sinne des § 52a FGO vorübergehend nicht möglich gewesen sei beziehungsweise weiter nicht möglich sei, weil er aufgrund alphabetischer Reihenfolge noch keinen Registrierungsbrief für die erstmalige Registrierung auf der Steuerberaterplattform erhalten habe und das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) noch nicht habe einrichten können. Er vertrat die Auffassung, dass für ihn im Zeitpunkt der Revisionseinlegung noch keine Nutzungspflicht nach § 52d FGO bestand. Zur Glaubhaftmachung fügte er einen Ausdruck eines Informationsschreibens der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) bei, mit dem Hinweis, dass für seine Buchstabengruppe die Registrierungsbriefe in der 9. und 10. Kalenderwoche 2023 ( bis ) versandt würden.
4 Mit weiterem Schreiben der Senatsvorsitzenden vom wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass bereits seit 2022 die Möglichkeit bestanden habe, über eine sogenannte „Fast-Lane“ der BStBK frühzeitig die Erstregistrierung bei der Steuerberaterplattform zu beantragen.
5 Mit Schreiben vom bat der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater um Fristverlängerung für die Begründung der Revision. Am selben Tag übermittelte er die Revision über das aufgrund Nutzung der sogenannten „Fast Lane“ am eingerichtete beSt und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand für die Revisionseinlegungsfrist.
6 Seiner Auffassung nach ist die Revision wirksam am eingereicht worden. Die per Telefax —das heißt nach den bisher allgemein geltenden Regeln— eingelegte Revision entspreche den gesetzlichen Anforderungen auch im Hinblick auf die ab dem für Steuerberater eingeführte Nutzungspflicht für elektronische Übermittlungswege. Die Nutzungspflicht bestehe nur für vertretungsberechtigte Personen, denen ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO „zur Verfügung steht“. Als ein solcher sicherer Übermittlungsweg im Sinne dieser Vorschrift sei das beSt eingeführt worden. Um dieses nutzen zu können, sei jedoch eine Erstregistrierung erforderlich. Die hierfür erforderlichen Registrierungsbriefe der BStBK seien erst seit dem nach einer festen alphabetischen Reihenfolge versandt worden. Nur nach dem Erhalt dieses Registrierungsbriefs und der Erstregistrierung stehe dem betreffenden Steuerberater ein sicherer Übermittlungsweg auch tatsächlich „zur Verfügung“.
7 Da die Revision nach vorstehender Rechtsauffassung bereits zulässig sei, werde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lediglich vorsorglich gestellt. Aufgrund des Schreibens vom habe sich der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater umgehend, und zwar am zu den üblichen Bürozeiten für die Erstregistrierung über die „Fast Lane“ angemeldet. Der entsprechende Registrierungsbrief sei auf den datiert und am eingegangen. Nach Erhalt des Registrierungsbriefs sei die Registrierung unmittelbar eingeleitet und seien die für die Ersteinrichtung des beSt erforderlichen technischen Maßnahmen ergriffen worden. Die Revision nebst vorsorglichem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unverzüglich als elektronisches Dokument übermittelt worden. Die Verzögerung sei unverschuldet. Der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater habe sich über die mit der Einführung des beSt verbundenen Rechtsfragen und erforderlichen technischen Schritte fortlaufend informiert. Er habe auf die Verlautbarungen der BStBK und der DATEV eG vertrauen dürfen.
8 Mit Schreiben vom begründete der Kläger die Revision in der Sache. Zuvor war ihm dafür Fristverlängerung unter dem Vorbehalt, dass über die Zulässigkeit der Revision noch zu entscheiden sei, gewährt worden.
9 Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung, die Bescheide vom über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den für Zwecke der Schenkungsteuer in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom aufzuheben und den Grundbesitzwert abweichend von den Bescheiden vom in Höhe von 3.118.500 € festzustellen.
10 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt) beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
11 Die Revision ist unzulässig. Der Kläger hat die Frist für die Einlegung der Revision versäumt und nicht hinreichend dargelegt, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, die Revision fristgerecht elektronisch per beSt einzureichen.
12 1. Der Kläger hat die Frist zur Einlegung der Revision versäumt.
13 a) Das Urteil des FG ist dem Kläger am zugestellt worden. Die Frist zur Einreichung der Revision lief nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO am ab. Die am über das beSt eingereichte Revision ist verspätet eingegangen und hat die Frist nicht gewahrt.
14 b) Die am per Telefax eingegangene Revision ist nicht in der gebotenen Form eingereicht worden. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt damit insbesondere eine Fristwahrung aus (BFH-Beschlüsse vom - XI B 101/22, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 11, m.w.N.; vom - VI S 23/23, BFH/NV 2024, 415, Rz 10 und vom - VIII S 3/22, BFHE 276, 566, BStBl II 2023, 83, Rz 9, zur Einreichung eines Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt nach dem ).
15 aa) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der Finanzgerichtsordnung vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
16 bb) Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Steuerberater steht seit dem ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung; denn seit dem (§ 157e des Steuerberatungsgesetzes —StBerG—) richtet die BStBK über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein beSt empfangsbereit ein (§ 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberater sind ab diesem Zeitpunkt nach § 52d Satz 2 FGO nutzungspflichtig (vgl. BFH-Beschlüsse vom - XI B 101/22, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 13 und vom - VI S 23/23, BFH/NV 2024, 415, Rz 6; Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 1; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52d FGO Rz 15).
17 2. Dem Kläger ist auf seinen Antrag hin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat nicht hinreichend dargelegt, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Einlegung der Revision einzuhalten.
18 a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll.
19 b) Jedes Verschulden —mithin auch einfache Fahrlässigkeit— schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Nach § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 Satz 1 FGO muss sich jeder Beteiligte das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 17, m.w.N.).
20 c) Ausgehend davon erfüllt der Wiedereinsetzungsantrag vom schon nicht die Darlegungsanforderungen. Der Kläger erläutert nicht, weshalb der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater ohne Verschulden daran gehindert war, von der Nutzung der „Fast Lane“ Gebrauch zu machen, um die Revision rechtzeitig einzureichen.
21 Dass die Möglichkeit der Nutzung der „Fast Lane“ für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, besteht, war dem für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnden Steuerberater nach eigenen Angaben bereits vor Ablauf der Revisionseinlegungsschrift bekannt. Dass er gleichwohl ohne Verschulden darauf vertrauen durfte, die reguläre Versendung der Registrierungsbriefe abzuwarten und bis zur Registrierung noch Schriftsätze in nicht elektronischer Form einzureichen, hat er nicht schlüssig dargelegt.
22 Gerade die Einrichtung der „Fast Lane“ macht deutlich, dass auch nach Auffassung der BStBK ein Weg eröffnet werden musste, der aus dringenden, insbesondere fristwahrenden Gründen eine schnelle Registrierung ermöglichen sollte. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Rechtsauffassung des Klägers zutreffend wäre, Steuerberater seien erst ab der normalen Registrierung zur Abgabe von Schriftsätzen über das beSt verpflichtet.
23 Hinzu kommt, dass bereits vor der Frist für die Einreichung der Revision BFH-Beschlüsse veröffentlicht waren, die zur Verpflichtung zur Einreichung elektronischer Schriftsätze durch Rechtsanwälte ab dem ergangen waren (vgl. BFH-Beschlüsse vom - XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057 und vom - VIII S 3/22, BFHE 276, 566, BStBl II 2023, 83). Darin wird unmissverständlich deutlich, dass ab der Nutzungsverpflichtung nur noch elektronisch eingereichte Schriftsätze fristwahrend sein können. Angesichts dessen konnten der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nicht darauf vertrauen, dass für Steuerberater ab dem etwas anderes gelten würde.
24 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:B.080524.IIR3.23.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 1237 Nr. 22
BB 2024 S. 1237 Nr. 22
NJW 2024 S. 9 Nr. 24
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2024 S. 1495
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2024 S. 1496
SAAAJ-67445