BFH Beschluss v. - XI B 73/23

Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer; keine einheitliche Leistung mehrerer Unternehmer; Leistungen Dritter nicht umsatzsteuerfrei

Leitsatz

1. NV: Leistungen Dritter, die umsatzsteuerrechtlich als eigenständige Leistungen neben dem steuerfreien Umsatz zu betrachten sind, sind nicht gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei.

2. NV: Dies gilt auch für den Fall, dass die grundstücks- oder erbbaurechtsübertragende Person und die bauwerkserrichtende Person personell verflochten sind.

Gesetze: UStG § 4 Nr. 9 Buchst. a; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG § 8 Abs. 1; GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

3 a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt; außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom  - XI B 89/22, BFH/NV 2023, 1322, Rz 22; vom  - XI B 24/22, BFH/NV 2024, 403, Rz 3).

4 b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

5 aa) Die Beschwerde wirft die abstrakte Rechtsfrage auf, ob die personelle Verflechtung zwischen der grundstücks- beziehungsweise erbbaurechtsübertragenden (natürlichen) Person und der bauwerkserrichtenden Person (hier einer GbR), dazu führt, dass eine einheitliche Leistung und damit Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzunehmen ist.

6 bb) Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu verneinen. Nicht unter das Grunderwerbsteuergesetz im Sinne des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG fallen Leistungen Dritter, die umsatzsteuerrechtlich und zivilrechtlich als eigenständige Werklieferungen, Werkleistungen oder andere Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes zu betrachten sind (vgl. , BFHE 164, 482, BStBl II 1991, 737; vom  - V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316; vom  - V R 17/89, BFH/NV 1994, 198; vom  - XI R 54/07, BFHE 222, 153, BStBl II 2009, 499; BFH-Beschlüsse vom  - V B 44/86, BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 145; vom  - XI B 76/08, BFH/NV 2009, 974). Das gilt auch dann, wenn sie grunderwerbsteuerrechtlich in die Bemessungsgrundlage der Grundstückslieferung einbezogen werden (vgl. , BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86; vom  - II R 22/13, BFH/NV 2015, 521; , BFH/NV 2020, 1279). Dies ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— Kerrut vom  - C-73/85, EU:C:1986:295; EuGH-Beschluss Vollkommer vom  - C-156/08, EU:C:2008:663) und verfassungsgemäß (vgl. Beschlüsse des , Umsatzsteuer-Rundschau 1988, 281; vom  - 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212; vom  - 2 BvR 827/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 91).

7 cc) Die Beschwerde weist zwar zu Recht darauf hin, dass im Falle der Organschaft die Leistung der Organgesellschaft und des Organträgers zu einer einheitlichen Leistung zusammengefasst werden, die dadurch umsatzsteuerfrei ist (vgl. , BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256). Dies beruht jedoch auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG, wonach Organträger und Organgesellschaft als ein Unternehmen zu behandeln sind. Umsatzsteuerrechtlich werden daher jegliche Ausgangsumsätze (vgl. , BFHE 257, 160, BStBl II 2021, 782, Rz 45; vom  - XI R 45/20, BFHE 281, 185, BStBl II 2023, 1082, Rz 35) im Verhältnis zu Dritten dem Organträger, der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unionsrechtskonform zum einzigen Steuerpflichtigen der Organschaft bestimmt ist, zugerechnet. Das bedeutet, dass umsatzsteuerrechtlich der Organträger Leistender ist, obwohl zivilrechtlich mehrere Leistende vorliegen.

8 dd) Außerhalb des Bestehens einer Organschaft hingegen gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der Grundsatz, dass es Nebenleistungen Dritter nicht gibt (vgl. , BFHE 274, 197, BStBl II 2022, 131, Rz 40; vom  - V R 36/20, BFHE 277, 508, Rz 41;  (AdV), BFH/NV 2024, 179, Rz 23). Dies gilt auch für den Fall der personellen Verflechtung zwischen der grundstücks- oder erbbaurechtsübertragenden Person und der bauwerkserrichtenden Person.

9 2. Da das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 60/20, BFH/NV 2022, 827, Rz 17; vom  - XI B 72/21, BFH/NV 2022, 923, Rz 10), kommt eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts aus den genannten Gründen nicht in Frage.

10 3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.

11 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:B.030524.XIB73.23.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 1237 Nr. 22
BB 2024 S. 1237 Nr. 22
DStR 2024 S. 1185 Nr. 21
DStR 2024 S. 1185 Nr. 21
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2024 S. 1494
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2024 S. 1494
StuB-Bilanzreport Nr. 11/2024 S. 446
IAAAJ-67444