BGH Urteil v. - VIa ZR 40/23

Instanzenzug: Az: 23 U 1426/21vorgehend Az: 18 O 281/20

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Die Klägerin erwarb am von der Beklagten einen von dieser hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz GLC 250 d, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug verfügt über ein sogenanntes Thermofenster.

3Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG (im Folgenden Darlehensgeber). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Darlehensgebers zugrunde, die folgende Regelungen enthielten:

4Die Klägerin hat die Beklagte unter den Gesichtspunkten des gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritts vom Kaufvertrag und ihrer deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Sie hat die Erstattung der Kaufpreisanzahlung und der geleisteten Darlehensraten nebst Prozesszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung (Klageantrag zu 1) und die Freistellung von den noch offenen Darlehensverbindlichkeiten (Klageantrag zu 2) jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte am Fahrzeug und dessen Herausgabe, den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen (Klageantrag zu 3) sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Klageantrag zu 4) und ihrer Pflicht zum Ersatz aus der Ausstattung des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultierender Schäden (Klageantrag zu 5) begehrt.

5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin zunächst ihre Klagebegehren mit der Maßgabe weiterverfolgt, dass sie mit dem Antrag zu 3 die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangt hat. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat sie das Fahrzeug an die Beklagte zurückgegeben und mithilfe des Rücknahmepreises die Darlehensschlussrate getilgt. Sie hat zuletzt den Ersatz der Kaufpreisanzahlung und der geleisteten Darlehensraten einschließlich der Schlussrate abzüglich des die Schlussrate übersteigenden Rückgabeerlöses und einer Nutzungsentschädigung nebst Prozesszinsen (Berufungsantrag zu 1) sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Berufungsantrag zu 2) verlangt; im Übrigen hat sie den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsbegehren weiter, soweit sie diese auf ihre deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.

Gründe

6Die - entsprechend der eingeschränkten Zulassung durch das Berufungsgericht - wirksam auf deliktische Schadensersatzansprüche beschränkte (vgl. VIa ZR 1517/22, NJW 2023, 2635 Rn. 4 bis 7; insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 237, 59) und auch ansonsten zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Die gegen die Abweisung der deliktischen Ansprüche gerichtete Berufung der Klägerin ist entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts - was als Prozessfortsetzungsbedingung im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl. VIa ZR 318/22, juris Rn. 6 mwN) - mangels hinreichender Berufungsbegründung unzulässig.

7I. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede dieser Erwägungen angreifen und darlegen, warum diese unrichtig sein soll ( VIa ZR 510/22, juris Rn. 5; Beschluss vom - VIa ZB 4/21, NJW-RR 2022, 642 Rn. 7; Beschluss vom - VIa ZB 9/22, juris Rn. 7 f.; Beschluss vom - VIa ZB 19/22, juris Rn. 8; jeweils mwN).

8Besondere formale Anforderungen bestehen dabei zwar nicht; insbesondere ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (, NJW-RR 2015, 511 Rn. 7; Beschluss vom - VII ZB 48/13, NJW-RR 2016, 396 Rn. 12; Beschluss vom - XI ZB 30/18, juris Rn. 9; Beschluss vom - VIa ZB 4/21, NJW-RR 2022, 642 Rn. 7; Beschluss vom - VIa ZB 9/22, juris Rn. 8). Zur weiteren Erläuterung und Ergänzung der in der Berufungsbegründung angeführten Berufungsgründe kann allerdings auf einzelne erstinstanzliche Schriftsätze konkret Bezug genommen werden (vgl. , BGHZ 35, 103, 106 f.; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rn. 48 mit Fn. 301; Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl., § 520 Rn. 43).

9II. Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin ihre Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil in der Berufungsbegründung nicht ausreichend dargelegt.

101. Das Landgericht hat den Klageantrag zu 5 mangels Feststellungsinteresses der Klägerin als unzulässig erachtet, weil diese nicht dargelegt habe, ob die behaupteten weiteren Schäden möglich und auch insoweit die Haftungsvoraussetzungen erfüllt seien. Die Klageanträge zu 1 bis 4 hat das Landgericht für unbegründet gehalten und deliktische Schadensersatzansprüche der Klägerin (auch) mangels deren Aktivlegitimation verneint, weil diese nach Ziffer II 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Darlehensgebers solche Ansprüche an ihn abgetreten habe. Die Abtretungsklausel sei wirksam, weil sie klar und eindeutig formuliert sei sowie die Klägerin nicht unangemessen benachteilige. Der Darlehensgeber habe ein berechtigtes Interesse an Sicherheiten für die Überlassung des Darlehens, während dem Äquivalenzinteresse der Klägerin durch die von der Abtretung ausgenommenen Gewährleistungsansprüche hinreichend Rechnung getragen werde.

112. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung eingewandt, das Landgericht habe ihren Vortrag zur Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags auf Seite 28 ff. der Triplex vom unberücksichtigt gelassen, und auf die dortigen Ausführungen verwiesen. Sie hat ferner ausgeführt, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei sie aktivlegitimiert, weil ihre deliktischen Ansprüche nicht wirksam an den Darlehensgeber abgetreten worden seien, und dazu auf ihren erstinstanzlichen Vortrag auf Seite 7 ff. in der Replik vom , "insbesondere auf die Verfügung des Senates vom - 16a U 15/19 -)" Bezug genommen.

12Dieses Vorbringen lässt nicht aus sich heraus verständlich erkennen, aus welchen Gründen die Klägerin - abweichend von der Argumentation des Landgerichts - ein Feststellungsinteresse hinsichtlich bestimmter Folgeschäden für gegeben und die Abtretungsklausel für unwirksam hält. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung erschöpfen sich insoweit in als solche unzureichenden Verweisen auf erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin und auf eine Verfügung eines anderen Senats des Berufungsgerichts in einem anderen Berufungsverfahren. Ob - wie das Berufungsgericht ersichtlich angenommen hat - diese Verweise hinreichend konkret und die in Bezug genommenen erstinstanzlichen Ausführungen geeignet wären, die tragenden Erwägungen des Landgerichts in Frage zu stellen, ist rechtlich ohne Bedeutung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230424UVIAZR40.23.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-67430