BGH Beschluss v. - I ZB 59/23

Instanzenzug: Az: 28 W (pat) 24/18 Beschlussnachgehend Az: I ZB 59/23 Beschluss

Gründe

1I. Für die Markeninhaberin wurde am das am angemeldete Zeichen

unter der Nummer 30 2015 053 169 für zahlreiche Waren der Klassen 10, 18 und 25 als sonstige Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister mit folgender Beschreibung eingetragen:

Die Marke wird als Positionsmarke "Sohlenmuster" mit folgender Beschreibung beansprucht: Markenschutz für die Sohle von Schuhen, insbesondere von Sandalen, Clogs und Slippern, die aus einem Muster bestehen, das sich aus einem Winkel von 90 Grad kreuzenden, aus Kreisbögen bestehenden Wellen zusammensetzt, wobei die dadurch jeweils eingeschlossenen Bereiche der Sohlenfläche einen knochenähnlichen optischen Eindruck erhalten.

2Mit Schriftsatz vom verzichtete die Markeninhaberin im Rahmen eines gegen die Eintragung gerichteten Löschungsverfahrens eines Dritten auf Teile der Waren der Klassen 10 und 25 sowie auf die Waren der Klasse 18.

3Auf den Antrag der Antragstellerin, die Marke wegen absoluter Schutzhindernisse vollständig zu löschen, hat das Deutsche Patent- und Markenamt die angegriffene Marke mit Beschluss vom gelöscht. Es hat angenommen, das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft liege vor, weil die von der Marke in erster Linie angesprochenen Durchschnittsverbraucher darin keinen Hinweis auf eine konkrete betriebliche Herkunft erkennen würden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen ( 28 W (pat) 24/18, juris; berichtigt mit Beschluss vom - 28 W (pat) 24/18, juris).

4Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt, und rügt Verletzungen ihres Anspruchs auf Gewährleistung rechtlichen Gehörs.

5II. Das Bundespatentgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, eine Unterscheidungskraft und wesentliche herkunftshinweisende Funktion der Marke sei nach den einschlägigen Maßstäben zur Unterscheidungskraft eines Zeichens, das mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware verschmelze, nur gegeben, wenn das Zeichen zum Anmeldezeitpunkt erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit von Sohlengestaltungen abgewichen sei beziehungsweise zum Entscheidungszeitpunkt abweiche. Bereits im Zeitpunkt der Anmeldung habe in Bezug auf die Ausgestaltung von Schuhsohlenoberflächen eine erhebliche Formenvielfalt vorgelegen. Um eine herkunftshinweisende Funktion herzustellen, müsse die Ausgestaltung gegenüber den branchenüblichen Gestaltungen charakteristische Merkmale aufweisen und erheblich abweichen. Bei der angegriffenen zweidimensionalen Gestaltung handle es sich um eine Variation von sich schneidenden Querlinien, die im Anmeldezeitpunkt auch häufig bei anderen Sohlengestaltungen zu finden sei und insoweit nicht erheblich von dem Üblichen abweiche.

6III. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.

71. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine mehrfache Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) und hat diese Rügen im Einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. nur , MarkenR 2023, 329 [juris Rn. 9] mwN).

82. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Markeninhaberin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG).

9a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1584 [juris Rn. 14]; FamRZ 2013, 1953 [juris Rn. 14] mwN). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist auch nicht verletzt, wenn das Gericht einen Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, daraus jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die vortragende Partei. Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (st. Rspr.; vgl. BGH, MarkenR 2023, 329 [juris Rn. 11] mwN). Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung.

10b) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht sei nicht auf die im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Verkehrsbefragung aus dem Jahr 2015 eingegangen.

11aa) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, nach der von der Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren in Bezug genommenen Verkehrsbefragung sehe ein erheblicher Anteil des Verkehrs (24,4 %) in dem auf der Schuhsohle verwendeten Muster einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller. Das Deutsche Patent- und Markenamt habe der Sohle dagegen vorwiegend eine technische Funktion beigemessen, was mit Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten im Markt offensichtlich nicht repräsentativ und mithin nicht geeignet sei, Rückschlüsse auf die Sichtweise und Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise zu erlauben.

12bb) Damit hat die Rechtsbeschwerde keine Gehörsrechtsverletzung dargelegt.

13(1) Der von der Beschwerde zitierte Vortrag der Markeninhaberin in der Beschwerdeinstanz enthält schon keine Bezugnahme auf die Verkehrsbefragung. Im Übrigen ist es zwar zutreffend, dass das Bundespatentgericht auf die Verkehrsbefragung nicht eingegangen ist. Das war in diesem Zusammenhang allerdings schon deswegen nicht erforderlich, weil das Bundespatentgericht nicht auf eine vorwiegend technische Funktion der Sohle abgestellt hat.

14(2) Insbesondere aber übersieht die Rechtsbeschwerde, dass die Verkehrsbefragung - worauf bereits das Deutsche Patent- und Markenamt hingewiesen hat - nach den einfachgesetzlichen Ausprägungen des verfassungsrechtlichen Gehörsrechts (Art. 103 Abs. 1 GG) in den Vorschriften des § 59 Abs. 2 MarkenG (für das Verfahren vor dem Amt) und des § 78 Abs. 2 MarkenG (für das Beschwerdeverfahren) nicht berücksichtigt werden konnte. Entscheidungen dürfen danach nur auf Umstände gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Die Verkehrsbefragung war von der Markeninhaberin vertraulich eingereicht und der Antragstellerin nicht zugänglich gemacht worden. Hätte das Bundespatentgericht auf dieses Gutachten abgestellt, hätte darin eine Verletzung des Gehörsrechts der Antragstellerin gelegen.

15c) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe Vortrag der Markeninhaberin zu den Charakteristika des von ihr mit der Positionsmarke beanspruchten Musters übergangen.

16aa) Die Markeninhaberin habe vorgetragen, bei der Positionsmarke handle es sich erkennbar nicht um eine Gestaltung, die von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich in ornamentaler oder dekorativer Form wahrgenommen werde. Die Positionsmarke weise mit dem Muster der sich in einem 90 °-Winkel kreuzenden Wellenlinien und den dadurch gebildeten, jeweils in einem 90 °-Winkel zueinander versetzten, nebeneinanderliegenden "Knochen" besonders charakteristische Merkmale auf, die gerade nicht typischerweise bei Schuhen anzutreffen seien. Gerade diese knochenähnlichen Gebilde unterschieden sich deutlich von anderen, üblichen Mustern auf den Sohlen vergleichbarer Schuhmodelle. Unter Berücksichtigung der Sensibilität der angesprochenen Verkehrskreise gegenüber Schuhsohlen als solchen und ihrer Gestaltung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Knochenformen im Vergleich zu anderen Arten der Gestaltung den Abnehmern nicht auffielen.

17Hierauf sei das Bundespatentgericht nicht eingegangen. Soweit es auf die zweifarbige Laufsohlenplatten der Firma h.    verwiesen habe, hebe sich die angegriffene Marke von diesen ganz erheblich ab. Die Streitmarke sei durch die Gleichmäßigkeit des Musters geprägt. Das vom Bundespatentgericht herangezogene Beispiel weise dagegen eine unregelmäßige, kantige Struktur auf.

18bb) Dieser Gehörsrüge steht bereits der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

19(1) Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass eine Partei über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (vgl. , ZfSch 2022, 259 [juris Rn. 12] mwN).

20(2) Die Markeninhaberin hat zu dem vom Bundespatentgericht mit der Ladung erteilten Hinweis, ihr Zeichen weiche unter Berücksichtigung unter anderem der Sohlen der Firma h.    nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit ab, nicht Stellung genommen und es damit versäumt, bereits im Beschwerdeverfahren eine Korrektur der von ihr behaupteten Gehörsrechtsverletzung zu erreichen.

21cc) Überdies hat die Rechtsbeschwerde mit ihren Ausführungen keine Gehörsrechtsverletzung dargelegt. Das Bundespatentgericht ist auf die Gestaltung der angegriffenen Marke im Detail eingegangen.

22(1) Das Bundespatentgericht hat angenommen, bereits im Zeitpunkt der Anmeldung habe in Bezug auf die Ausgestaltung von Schuhsohlenoberflächen eine erhebliche Formenvielfalt vorgelegen. Quer über die Sohle verlaufende Schlangenlinien, die sich kreuzten, wodurch Einschlüsse entstünden, die ein ästhetisches Muster ergeben, das die gesamte Sohle ausfülle, zeige insbesondere die Sohlengestaltung der Firma h.    , die bereits vor dem Zeitpunkt der Anmeldung angeboten worden sei:

23Die streitgegenständliche Gestaltung weise gleichermaßen miteinander sich kreuzende und parallel verlaufende Linien auf. Im Unterschied zu der oben dargestellten Gestaltung entstünden durch die gleichmäßige Anordnung sehr gleichförmige Einschlüsse. Durch diese immer gleiche Anordnung ergebe sich ein sich wiederholendes, gleichartiges grafisches Muster und es entstünden von der Markeninhaberin als "knochenähnlich" bezeichnete Einschlüsse. Es handle sich dabei zwar um gefällig angeordnete und in wiederkehrender Abfolge sich wiederholende Musterungen und um eine besonders ansprechend geordnete Linienführung. Darüber hinaus seien der Oberflächengestaltung aber keine charakteristischen oder erheblich über der Norm oder Branchenüblichkeit liegenden Abweichungen zu entnehmen. Es handle sich um eine Variation von sich schneidenden Querlinien, die im Anmeldezeitpunkt häufig bei anderen Sohlengestaltungen zu finden gewesen sei, und die insoweit nicht erheblich von dem Üblichen abweiche.

24(2) Danach hat sich das Bundespatentgericht mit dem als übergangen gerügten Vorbringen der Markeninhaberin auseinandergesetzt. Soweit es in der Gestaltung des angegriffenen Zeichens - auch unter Verweis auf die Sohlengestaltung der Firma h.    - keine charakteristischen oder erheblich über der Norm oder Branchenüblichkeit liegenden Abweichungen erkannt hat, handelt es sich um eine von der Auffassung der Markeninhaberin abweichende Würdigung, die keine Gehörsrechtsverletzung begründet. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nur, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BVerfG, FamRZ 2013, 1953 [juris Rn. 14]; NJW 2023, 1803 [juris Rn. 19], jeweils mwN).

25IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:020524BIZB59.23.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-67344