EPP – ein verengter Blickwinkel
Arbeitnehmerbesteuerung der Energiepreispauschale verfassungsgemäß
Mit Urteil vom - 14 K 1425/23 E ( NWB KAAAJ-66399) hat das FG Münster entschieden, dass die im Jahr 2022 an Arbeitnehmer ausgezahlte Energiepreispauschale (EPP) zu den steuerbaren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört und die dazu ergangene Rechtsgrundlage des § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht verfassungswidrig ist. Wie im Urteil ausgeführt, war der Senat „nicht von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Besteuerung der EPP überzeugt“, so dass eine Vorlage zum BVerfG nicht in Betracht kam (Rz. 22 des Urteils). Diese Formulierung ist missverständlich, denn nicht die Höhe der Besteuerung, sondern die Steuerbarkeit der Pauschale an sich war im Streit. Dies wird durch die weiteren Ausführungen der Entscheidungsgründe auch ausdrücklich so bestätigt (Rz. 26 des Urteils).
Das Finanzgericht führt zwar zutreffend aus, dass der Gesetzgeber die EPP in § 119 EStG – im Wege einer Rechtsfolgenverweisung – den Einnahmen aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG konstitutiv zugeordnet hat, so dass es auf einen Veranlassungszusammenhang der Einnahme mit der von dem Arbeitnehmer erbrachten Leistung nicht ankommt. Die daran anschließende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des XV. Abschnitts im EStG beschränkt sich dann allerdings auf die eingeengte Perspektive der Besteuerung der EPP bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dieser verengte Blickwinkel zeigt sich bereits bei Prüfung der Gesetzgebungszuständigkeit, bei der nach Auffassung des Gerichts zwischen der Gewährung und Auszahlung der EPP als Subvention (§§ 112 bis 118 EStG) einerseits und der Besteuerung der erhaltenen EPP (§ 119 EStG) andererseits zu differenzieren sein soll, obwohl „es sich bei den Regelungen der §§ 112 bis 122 EStG um ein einheitliches Konzept handelt“ (Rz. 25 des Urteils).
Auch in materieller Hinsicht weist das Urteil diese auf den § 119 EStG reduzierte Sicht auf. Die EPP ist zweifellos eine „nicht steuerbare sozialstaatliche Fürsorgeleistung, die zwar an ein Dienstverhältnis geknüpft, aber unabhängig von einem Einkommenserwerb ausgestaltet ist“ (P. Kirchhof, DStR 2023 S. 1801, 1802); dies ist aber nicht der einzige Besteuerungsaspekt. Eine verfassungsrechtliche Prüfung der sachlichen Rechtfertigung des vorliegenden Eingriffs in die Systematik der Einkunftsarten muss schon das gesamte Besteuerungsregime der EPP in den Blick nehmen. Danach aber verletzt die widersprüchliche Behandlung ein und desselben Zuschusses, der einmal einer Einkunftsart, nämlich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, zugeordnet wird, im Übrigen die Vorauszahlungen bei den betrieblichen Einkünften mindert, dort aber nicht als Betriebseinnahme erfasst werden kann, weil er „bei den Gewinneinkünften zu keiner Einkunftsart i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG“ gehören soll (BT-Drucks. 20/1765 S. 26), das Gebot der Folgerichtigkeit. Die Zuordnung der Energiepreispauschale zu den sonstigen Einkünften lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass auf diese Weise die Gewerbesteuerpflicht ausgeschlossen wird (so aber BT-Drucks. 20/1765 S. 26).
Nachdem der Kläger Revision gegen das Urteil des FG Münster eingelegt hat (Az. beim BFH: VI R 15/24), besteht die Hoffnung, dass der BFH die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Subvention „EPP“ aus einem weiteren, umfassenden Blickwinkel untersucht.
Hans-Joachim Kanzler
Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 1425
RAAAJ-67292