BVerwG Urteil v. - 9 CN 1/23

Kommunale Wettbürosteuer unzulässig

Leitsatz

Die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer ist unzulässig, weil sie gegen das Gleichartigkeitsverbot nach Art. 105 Abs. 2a GG verstößt (Bestätigung von BVerwG - 9 C 2.22 - BVerwGE 176, 272).

Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 2 S 1535/19 Urteil

Tatbestand

1Der Antragsteller, der im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ein Wettbüro betreibt, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Wettbürosteuersatzung der Antragsgegnerin. Diese hatte zunächst auf der Grundlage ihrer Vergnügungssteuersatzung eine Wettbürosteuer anhand eines Flächenmaßstabs eingeführt, die der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom (2 S 2067/14) beanstandet. Daraufhin erließ die Antragsgegnerin am eine Satzung über die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros (Wettbürosteuersatzung - im Folgenden: WBS), die auf den Wetteinsätzen als Bemessungsgrundlage basiert. Nach § 1 WBS unterliegt der Steuer das Vermitteln und/oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros), die neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals oder Ähnlichem) auch das Mitverfolgen der Wettereignisse auf Monitoren ermöglichen. Steuerschuldner ist nach § 2 Satz 1 WBS der Betreiber des Wettbüros. Bemessungsgrundlage sind die im Wettbüro erzielten Wetteinsätze (§ 3 WBS); der Steuersatz beträgt 3 % der Wetteinsätze (§ 4 WBS). Die Steuer wird gemäß § 7 WBS durch Steuerbescheid festgesetzt. Ordnungswidrigkeiten sind in § 11 WBS geregelt. Die Satzung trat am Tag nach ihrer - am erfolgten - Bekanntgabe in Kraft. Eine Steuer nach der Satzung wurde erstmals zum erhoben.

2Am erließ die Antragsgegnerin eine Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros (im Folgenden: Änderungssatzung), die rückwirkend zum einige textliche Klarstellungen in §§ 1 und 4 WBS vornahm; hierbei wurde der Begriff "Wetteinsätze" durch "Brutto-Wetteinsatz" ersetzt. Der Antragsteller, der ab dem 3. Quartal 2018 zur Wettbürosteuer herangezogen wurde, stellte beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag gegen die Satzung vom . Die während des Normenkontrollverfahrens erlassene Änderungssatzung vom bezog er im Wege der Antragserweiterung mit Einwilligung der Antragsgegnerin in seinen Antrag ein.

3Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies den Normenkontrollantrag mit Urteil vom als zulässig, aber unbegründet ab; dabei verneinte er insbesondere einen Verstoß gegen das Gleichartigkeitsverbot aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs legte der Antragsteller Beschwerde ein. Am entschied das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Verfahren betreffend die Stadt D. (9 C 2.22 bis 9 C 4.22), dass eine kommunale Wettbürosteuer nach Maßgabe des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG den bundesrechtlich geregelten Rennwett- und Sportwettensteuern gleichartig und daher unzulässig sei. Im Beschwerdeverfahren des Antragstellers wurde daraufhin die Revision wegen nachträglicher Divergenz des Normenkontrollurteils zu den Urteilen vom zugelassen.

4Zur Begründung seiner Revision rügt der Antragsteller primär einen Verstoß gegen das Gleichartigkeitsverbot und bezieht sich dabei auf die Ausführungen des Senats in den Urteilen vom . Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom die Satzung der Stadt L. über die Erhebung der Vergnügungssteuer auf das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros (Wettbürosteuersatzung) vom - mit Ausnahme von § 11 - sowie die Änderungssatzung vom für unwirksam zu erklären.

5Die Antragsgegnerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6Sie regt an, der Senat möge seine in den Urteilen vom geäußerte Rechtsauffassung überdenken und bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die Gleichartigkeit der kommunalen Wettbürosteuer mit der bundesrechtlichen Rennwett- und Sportwettensteuer verneinen.

7Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.

Gründe

81. Die Revision des Antragstellers ist zulässig und begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag zu Unrecht abgelehnt. Die angegriffenen Vorschriften der Wettbürosteuersatzung der Antragsgegnerin sind - ebenso wie die darauf bezogenen klarstellenden Bestimmungen der Änderungssatzung - rechtswidrig und damit unwirksam. Die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer ist nicht von der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gedeckt, weil eine solche Steuer den bundesrechtlich speziell im Rennwett- und Lotteriegesetz geregelten Steuern (Rennwett- und Sportwettensteuern) gleichartig ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2022 in Bezug auf die Wettbürosteuersatzung der Stadt D. in Abkehr von der früheren Rechtsprechung ( 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216) entschieden ( 9 C 2.22 - BVerwGE 176, 272 sowie Parallelurteile vom selben Tag). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin fest.

9a) Nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG darf eine örtliche Aufwandsteuer nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sein. Dieses mit Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am in das Grundgesetz aufgenommene Gleichartigkeitsverbot hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur kommunalen Übernachtungssteuer ( u. a. - BVerfGE 161, 1 Rn. 93 ff.) nach Umfang und Voraussetzungen näher konkretisiert. Für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern verlangt Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG zunächst im Einklang mit der überkommenen Begrifflichkeit, dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet. Im Kontext der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG kommt dem Begriff der Gleichartigkeit aber eine eigenständige Bedeutung zu. Hier ist die Gleichartigkeitsschranke signifikant enger zu verstehen als das ungeschriebene Gleichartigkeitskriterium bei der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 72 Abs. 1 GG. Dafür sprechen neben der historischen Entwicklung sowohl die Bedeutung der kommunalen Finanzautonomie (Art. 28 Abs. 2 GG) als auch die Ausgestaltung der Finanzverfassung des Grundgesetzes in Art. 104a ff. GG. Das Aufkommen aus den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern stellt gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG den einzigen steuerlichen Bereich dar, in dem sich die Gemeinden nach Maßgabe des Landesrechts eigenständig Einnahmen verschaffen können ( u. a. - BVerfGE 161, 1 Rn. 103 ff.; vgl. auch 9 CN 1.22 - NVwZ 2023, 1406 Rn. 34).

10Daraus folgt, dass den Ländern und Kommunen neben der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Finanzreformgesetzes existierenden Umsatzsteuer ein eigenständiges Besteuerungsrecht mit einem sinnvollen Anwendungsbereich zu belassen ist. Deswegen sind an die Gleichartigkeit im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG keine überspannten Anforderungen zu stellen, wenn es nicht um die Einführung einer allgemeinen Gemeindeumsatzsteuer geht, sondern um die Anknüpfung an den spezifisch lokalen Konsum einzelner Güter und Dienstleistungen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Aufwand bereits durch eine spezielle Steuer des Bundes belegt ist. Diese Gegenausnahme für gleichartige Bundessteuern dient dem Schutz der vom Bundesgesetzgeber bereits eingeführten Steuern für bestimmte Gegenstände ( u. a. - BVerfGE 161, 1 Rn. 105). Denn die Gleichartigkeit setzt auch am Besteuerungsgegenstand an und schließt aus, dass derselbe Gegenstand sowohl mit einer Bundes- als auch mit einer Landes- oder Kommunalaufwandsteuer belegt werden kann. Länder und Gemeinden dürfen daher nicht aus einer speziellen Steuerquelle schöpfen, die der Bund bereits einer besonderen Besteuerung unterzogen hat, wie dies beispielsweise bei der Kraftfahrzeugsteuer und der Sektsteuer der Fall ist ( u. a. - BVerfGE 161, 1 Rn. 113).

11b) Hieran gemessen verstößt die Wettbürosteuer der Antragsgegnerin gegen das Gleichartigkeitsverbot aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer ist generell ausgeschlossen, weil der Bundesgesetzgeber den Gegenstand der Renn- und Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz in der Fassung des Gesetzes zur Besteuerung von Sportwetten vom (BGBl. I S. 1424 - RennwLottG a. F. -) sowie in der Fassung des Gesetzes vom (BGBl. I S. 752 - RennwLottG n. F. -) bereits einer speziellen und abschließenden Besteuerung unterzogen hat. Dies gilt für die alte und die neue Fassung des Gesetzes gleichermaßen (vgl. 9 C 2.22 - BVerwGE 176, 272 Rn. 20 ff.).

12aa) Bei der Rennwett- und Sportwettensteuer handelt es sich um eine spezielle Bundessteuer, die im Rahmen ihres Steuergegenstands Sperrwirkung für die Gesetzgebungsbefugnis von Ländern und Gemeinden entfaltet. Mit dem Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten vom hat der Bundesgesetzgeber erstmals neben den traditionellen Rennwetten auch die sonstigen Sportwetten einer Besteuerung unterzogen; dabei hat er mit einer Steuerhöhe von 5 % des Wetteinsatzes einen einheitlichen, bewusst niedrigen Steuersatz festgelegt (vgl. 9 C 2.22 - BVerwGE 176, 272 Rn. 26 ff. mit Nachweisen aus der Gesetzeshistorie).

13Umsätze, die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz besteuert werden, sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer ausgenommen. Die spezialgesetzlich geregelte Rennwett- und Sportwettensteuer weist einen anderen Charakter als die Umsatzsteuer und eine von ihr abweichende gesetzliche Konstruktion auf, was sich beispielsweise am nicht vorhandenen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG zeigt (vgl. Spilker, in BeckOK, UStG, Stand , § 4 Nr. 9 Rn. 9, 18, 64.1; Leipold, in Sölch/Ringleb, UStG, Stand Oktober 2023, § 4 Nr. 9 Rn. 57). Die Rennwett- und Sportwettensteuer stellt damit keine Ausprägung der allgemeinen Umsatzsteuer dar (so noch 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 28), sondern eine spezielle Bundessteuer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Auf die genaue steuersystematische Einordnung (vgl. dazu einerseits - BFHE 274, 275 Rn. 35 f.; andererseits Englisch, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, Syst. Darst. Rn. 11, 86; jeweils m. w. N.) kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.

14bb) Neben der bundesrechtlichen Sportwettenbesteuerung ist die Erhebung einer Wettbürosteuer ausgeschlossen, weil sie auf denselben Besteuerungsgegenstand zugreift. Gegenstand der Bundessteuer sind die aus Anlass von öffentlichen Pferderennen (vgl. §§ 10, 11 RennwLottG a. F. bzw. §§ 8, 11 Abs. 2 RennwLottG n. F.) und sonstigen Sportereignissen (vgl. § 17 Abs. 2 RennwLottG a. F. bzw. § 16 RennwLottG n. F.) abgeschlossenen Wetten; eine Unterscheidung nach Wettbüros und anderen Vertriebsformen wie etwa Wettannahmestellen erfolgt dabei nicht. An eben diesen Steuergegenstand, das Wetten aus Anlass sportlicher Ereignisse, knüpft auch die kommunale Wettbürosteuer an, die nach § 1 WBS auf das Vermitteln und/oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten - nicht aber von anderen theoretisch denkbaren Wetten jenseits des Sportwettenmarkts - in bestimmten Einrichtungen (Wettbüros) erhoben wird. Alle in einem Wettbüro abgegebenen Pferde- und Sportwetten unterliegen danach einer doppelten steuerlichen Belastung, die durch das Gleichartigkeitsverbot gerade vermieden werden soll.

15Dies gilt ungeachtet der satzungsmäßigen Voraussetzung (vgl. § 1 WBS), dass die genannten Einrichtungen neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse auf Monitoren ermöglichen müssen. Ein zusätzlicher Aufwand, der im Wege einer kommunalen Besteuerung gesondert abgeschöpft werden könnte, liegt darin nicht. Bemessungsgrundlage der Bundessteuer ist der geleistete Spiel- bzw. Wetteinsatz (vgl. §§ 11 Abs. 1 und 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG a. F., §§ 9 und 10, §§ 17 und 18 RennwLottG n. F.); dies umfasst alle Zahlungen, die der Wettteilnehmer als Entgelt für die Einräumung der Gewinnchance erbringt (vgl. - BFHE 274, 275 Rn. 17 m. w. N.; Herzig/Stock, ZfWG 2012, 12 <13>). Auch die kommunale Steuer bemisst sich nach dem erzielten Wetteinsatz (vgl. § 3 WBS). Der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Mehrwert des Wettens in der attraktiven Atmosphäre bzw. mit der besonderen Ausstattung eines Wettbüros im Vergleich zu anderen Vertriebsformen wird darin nicht abgebildet. Das Wetten in Wettbüros unterliegt auch keinen sonstigen Kosten etwa in Gestalt von Eintrittsgeldern, die als spezifische Aufwendungen bei der kommunalen Steuer erfasst werden könnten. Der Aufwand für Sportwetten in Wettbüros wird somit bereits vollständig durch die spezielle Sportwettenbesteuerung des Bundes erfasst. Beide Steuern schöpfen aus derselben Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und sind daher gleichartig (so im Ergebnis auch Birk, ZfWG 2015, 2 <5>; Christ, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2. Aufl. 2022, C Rn. 388; Brüggemann, ZfWG 2019, 449 <451 ff.>).

16cc) Vor diesem Hintergrund kann die von der Antragsgegnerin angemahnte Gesamtbetrachtung (vgl. u. a. - BVerfGE 161, 1 Rn. 94, 106 ff.) der beiden indirekten, auf Abwälzung auf den Wettkunden angelegten Steuern (vgl. 9 C 2.22 - BVerwGE 176, 272 Rn. 23; - BFHE 274, 275 Rn. 36) zu keinem anderen Ergebnis führen. Insbesondere kommt es weder auf die Lenkungsziele der Kommune zur "Feinsteuerung" des örtlichen Sportwettenangebots noch auf den Umstand an, dass mit einer kommunalen Wettbürosteuer nur ein spezifischer Ausschnitt aus dem gesamten von der Sportwettenbesteuerung erfassten Markt zusätzlich belastet wird (vgl. 9 C 2.22 - BVerwGE 176, 272 Rn. 30 in Abgrenzung zu 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 28).

172. Da die Revision des Antragstellers umfassend Erfolg hat, waren die angegriffenen Vorschriften mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich aufzuheben. Der vom Antrag ausgenommene Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 11 WBS, der nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht der Prüfung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt (vgl. 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695 <696>; BVerfG, Kammerschluss vom - 1 BvR 1290/05 - NVwZ 2007, 1172 <1173>), ist mangels eines verbleibenden Anwendungsbereichs funktionslos.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:290224U9CN1.23.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-67245