BGH Beschluss v. - 4 StR 442/23

Instanzenzug: LG Bochum Az: II-9 KLs 19/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.   wegen Unterschlagung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten Z.     hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zur Unterschlagung in vier Fällen, davon in einem Fall wegen veruntreuender Unterschlagung, und Betruges in Tateinheit mit „dem Fahren ohne Fahrerlaubnis“ eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verhängt. Das gegen den Mitangeklagten ergangene Urteil ist rechtskräftig. Mit seiner auf die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat – teilweise unter Erstreckung auf den Mitangeklagten Z.    gemäß § 357 StPO – in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Das Landgericht hat – soweit hier von Belang – die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Der Zeuge D.      betrieb zur Tatzeit mehrere Unternehmen. Aufgrund seiner ausgeprägten Affinität für Autos leaste er über diese mehrere hochpreisige Pkw. Da sich die Fahrzeuge in seinem Fuhrpark sammelten, kam er im Oktober 2020 mit dem Angeklagten K.    überein, dass dieser ihm Personen vermitteln solle, die die von ihm geleasten Fahrzeuge für kurze Zeiträume anmieten. Mit den zu erwartenden Mieteinnahmen wollte der Zeuge zumindest einen Teil der anfallenden Leasingkosten decken. Die Fahrzeuge wollte er nach Ablauf der jeweiligen Leasingzeit vertragsgemäß an die Eigentümer zurückgeben. Im Zuge dieser Vereinbarung wurden dem Angeklagten K.    von D.      mehrere hochwertige Fahrzeuge überlassen. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt fasste der Angeklagte K.    den Entschluss, einige dieser Fahrzeuge absprachewidrig an Mittelsmänner weiterzugeben, die diese sodann an Dritte verkaufen sollten. An den dabei anfallenden Verkaufserlösen wollte er partizipieren. Die anderen – hier nicht verfahrensgegenständlichen – Fahrzeuge wurden von ihm absprachegemäß weitervermietet und danach an den Zeugen D.     zurückgegeben. Den dabei erzielten Mietzins führte der Angeklagte an den Zeugen D.      ab.

42. Dabei kam es unter anderem zu den folgenden Vorfällen:

5a) Im Oktober 2020 wurde dem Angeklagten K.    von dem Zeugen D.      ein von diesem geleaster Pkw Audi R8 Coupé 5 (Wert: 172.870 €) übergeben. Am meldete der dem Angeklagten unbekannte anderweitig verfolgte P.     im Auftrag seines Freundes S.   das Fahrzeug auf der Grundlage eines fingierten Kaufvertrages auf sich um. Anschließend verkaufte er das Fahrzeug, wiederum im Auftrag des S.   , in eigenem Namen an ein Autohaus weiter und leaste es zurück. Zu diesem Zeitpunkt war S.   der Besitzer des Fahrzeuges. Wie S.   in diesen Besitz gelangt war, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Der Zeuge D.       hatte keine Kenntnis von den Vorgängen. Als er sich im Januar 2021 bei dem Angeklagten nach dem Verbleib des Pkw erkundigte, ließ dieser ihm durch den Mitangeklagten Z.     das Fahrzeug mittels eines Videocalls zeigen, um ihn „in Sicherheit zu wiegen“. Der Zeuge D.       meldete den Pkw schließlich als gestohlen. Am wurde das Fahrzeug daraufhin von der Polizei sichergestellt (Fall II. 2. b) der Urteilsgründe).

6b) Spätestens im Januar 2021 gelangte der Angeklagte über einen Mittelsmann in den Besitz des von dem Zeugen D.      über eines seiner Unternehmen geleasten Pkw Marke BMW 850i xDrive (Wert: 138.740 €), um diesen kostenreduzierend zu vermieten. Das Fahrzeug kam in der Folgezeit in den Besitz eines        Y.    und wurde auf der Grundlage von gefälschten Zulassungspapieren auf diesen zugelassen. Als der Zeuge D.     noch im Januar 2021 den Pkw zurückverlangte, beauftragte der Angeklagte K.    den Mitangeklagten Z.     , dem Zeugen D.       das Fahrzeug im Rahmen eines Videoanrufs zu zeigen, um ihn auf diese Weise hinzuhalten. Am konnte der Pkw sichergestellt werden (Fall II. 2. c) der Urteilsgründe).

7c) Im Januar 2021 holte der Angeklagte K.   einen von dem Zeugen D.      persönlich geleasten Pkw der Marke Lamborghini Huracan (Wert: 255.508 €) bei einem Dritten ab. Den weiteren Verbleib des Fahrzeugs konnte die Strafkammer nicht mehr feststellen (Fall II. 2. f) der Urteilsgründe).

8In den drei vorgenannten Fällen ist der Angeklagte K.    nach der Bewertung der Strafkammer „der letzte sicher rekonstruierbare“ Besitzer der tatgegenständlichen Fahrzeuge. In der rechtlichen Würdigung wird in Bezug auf alle abgeurteilten Fälle ausgeführt, dass der Angeklagte durch die unbefugte Weitergabe der Fahrzeuge an Dritte zum Zweck des Weiterverkaufs seinen Willen manifestiert habe, den Zeugen D.      und die jeweiligen Eigentümer der Fahrzeuge aus ihrer rechtlichen Stellung zu drängen und sich diese Autos rechtswidrig zuzueignen.

II.

9Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit er in den Fällen II. 2. b), c) und f) der Urteilsgründe wegen Unterschlagung verurteilt worden ist. Diese Aufhebung ist in den Fällen II. 2. b) und c) der Urteilsgründe auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten Z.     zu erstrecken, der insoweit wegen Beihilfe zur Unterschlagung verurteilt worden ist. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt darüber hinaus zu einer Klarstellung des Schuldspruchs gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog mit Blick auf Fall II. 2. g) der Urteilsgründe und zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 2. a), d), e) und g) der Urteilsgründe. Schließlich haben die Gesamtstrafen bei beiden Angeklagten keinen Bestand.

101. Die Verurteilung des Angeklagten K.   wegen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) in den Fällen II. 2. b), c) und f) der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen. Denn den Urteilsgründen kann insoweit ‒ auch in ihrem Gesamtzusammenhang ‒ nicht entnommen werden, durch welche Handlung des Angeklagten es zu einer rechtswidrigen Zueignung der betroffenen Fahrzeuge im Sinne von § 246 StGB gekommen sein soll.

11a) Eine Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter sich oder einem Dritten eine fremde bewegliche Sache rechtswidrig zueignet. Gegenstand der Zueignung ist die Sache selbst oder der in ihr verkörperte Sachwert. Nicht jede Handlung an einer fremden Sache, zu der nur der Eigentümer befugt wäre, ist dabei schon eine Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das den sicheren Schluss darauf zulässt, dass er die Sache oder den in ihr verkörperten Wert unter Ausschluss des Eigentümers seinem eigenen Vermögen einverleiben oder dem Vermögen eines Dritten zuführen will (st. Rspr.; vgl. nur , BGHSt 1, 262, 264; Beschluss vom – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; Urteil vom – 1 StR 693/86, BGHSt 34, 309, 312; Urteil vom – 5 StR 156/06 = BGHR StGB § 246 Abs. 1 Zueignung Rn. 24; Beschluss vom – 3 StR 372/12 Rn. 10 f.). Rechtlich erheblich wird der Zueignungswille erst, wenn er sich im Rahmen einer Würdigung aller Tatumstände in einer nach außen erkennbaren Handlung manifestiert (st. Rspr.; vgl. , NStZ 2023, 612 Rn. 11; Urteil vom – 1 StR 187/21 Rn. 6; Beschluss vom – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; Beschluss vom – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 41; abw. , NJW 2024, 1050 Rn. 5 ff. [nicht tragend]). Das Überlassen einer rückgabepflichtigen fremden Sache an einen Dritten, der diese veräußern und den erzielten Kaufpreis an den Täter zur Einverleibung in dessen Vermögen abführen soll, kann eine derartige Manifestation des Zueignungswillens darstellen (vgl. , NStZ 2023, 612 Rn. 11; Beschluss vom – 5 StR 11/09 Rn. 6 ff.; siehe dazu auch Rn. 6). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Handlung des Täters das Eigentum des Geschädigten tatsächlich rechtlich beseitigt oder beeinträchtigt; eine Übereignung durch den Täter muss daher nicht wirksam sein, um eine Manifestation des Zueignungswillens herbeizuführen (vgl. , NStZ 2022, 611, 612).

12b) Hieran gemessen tragen die Urteilsfeststellungen in den vorgenannten Fällen die Annahme einer Unterschlagung gemäß § 246 StGB nicht.

13Der von der Strafkammer hervorgehobene Umstand, dass der Angeklagte der „letzte rekonstruierbare Besitzer“ der Fahrzeuge war, lässt für sich genommen noch keine Tathandlung erkennen, die als Manifestation eines Zueignungswillens in Betracht käme. Soweit sich aus den Urteilsgründen in den Fällen II. 2. b) und c) weiter ergibt, dass die Fahrzeuge danach von Personen besessen wurden, die sich ihrerseits einer Eigentümerstellung unter Ausschluss des Berechtigten berühmt haben (P.    /S.    und Y.   ), fehlt eine festgestellte (deliktische) Verbindung zu dem Angeklagten. Denn die Strafkammer vermochte in beiden Fällen gerade nicht festzustellen, dass der Angeklagte die in Rede stehenden Fahrzeuge zu Verkaufszwecken an die benannten Personen überlassen hat. In Fall II. 2. f) der Urteilsgründe ist völlig unklar, inwieweit sich der Angeklagte K.   an dem Abhandenkommen des betreffenden Fahrzeugs überhaupt beteiligt hat.

14Soweit von der Strafkammer einleitend ausgeführt wird, der Angeklagte K.   habe (zuvor) den Entschluss gefasst, einige der zum Zwecke der Vermietung übernommenen Fahrzeuge absprachewidrig an Mittelsmänner weiterzugeben, die diese sodann an Dritte verkaufen sollten, um an den anfallenden Verkaufserlösen zu partizipieren, vermag dies die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen. Gleiches gilt für die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung, wo für alle Taten gleichermaßen angeführt wird, dass der Angeklagte durch die „unbefugte Weitergabe“ der Fahrzeuge an Dritte zum Zwecke eines späteren Verkaufs seinen Willen manifestiert habe, sich die Fahrzeuge unter Ausschluss der jeweiligen Eigentümer rechtswidrig zuzueignen.

15Ebenfalls kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine täterschaftliche Unterschlagungshandlung des Angeklagten ist die für Fall II. 2. b) und c) der Urteilsgründe festgestellte Veranlassung eines „Videocalls“ zwischen dem Mitangeklagten Z.      und dem Zeugen D.      , welcher dazu dienen sollte, dem Zeugen die ordnungsgemäße Vermietung der Fahrzeuge vorzuspiegeln. Eine nach außen manifestierte Herstellung eigentümerähnlicher Herrschaft kann in der Vortäuschung absprachegemäßer Verwendung gegenüber dem berechtigten mittelbaren Fremdbesitzer gerade nicht gesehen werden. Gleiches gilt in Fall II. 2. b) der Urteilsgründe für die Bestellung eines weiteren Fahrzeugschlüssels durch den Angeklagten. Der Auftrag wurde zwar ohne Wissen des Zeugen D.     , wohl aber auf seine Rechnung erteilt. Der Angeklagte handelte damit nach außen hin nicht ausschließbar in dem Willen, den berechtigten Fremdbesitzer zu vertreten. Einen sicheren Schluss auf die Betätigung eines Zueignungswillens lässt dieses Verhalten des Angeklagten nicht zu.

16c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die insoweit getroffenen Urteilsfeststellungen insgesamt auf.

17d) Der dargelegte sachlich-rechtliche Mangel führt gemäß § 357 StPO zur Erstreckung der Teilaufhebung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten Z.      , soweit er davon betroffen ist (Fälle II. 2. b) und c) der Urteilsgründe). Dies hat bei ihm zugleich die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.

182. Auch der verbleibende Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

19a) Die Strafkammer hat dem Angeklagten angelastet, dass er in der Hauptverhandlung versucht habe, die strafrechtliche Verantwortung für das Verschwinden oder den Verkauf der Fahrzeuge auf den Zeugen D.      zu verschieben. Damit hat sie zulässiges Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten gewertet.

20b) Dies ist rechtsfehlerhaft. Einem leugnenden Angeklagten ist es unbenommen, sich damit zu verteidigen, dass er anderen die Schuld an der Tat zuschiebt. Auch dann, wenn sich diese Anschuldigungen als haltlos erweisen, darf eine belastende Zurechnung bei der Strafzumessung grundsätzlich nicht erfolgen (vgl. , NStZ 1991, 181, 182; Beschluss vom – 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447, 448). Erst wenn zu der Falschbelastung Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt – etwa eine Verleumdung, eine Herabwürdigung oder die Verdächtigung eine besonders verwerfliche Handlung betrifft – rechtfertigt dies eine strafschärfende Berücksichtigung (vgl. , NStZ-RR 2013, 170, 171; Beschluss vom – 1 StR 71/94 = BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 13; Beschluss vom – 1 StR 10/89 = BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4 – jew. mwN). Diese Grenze zulässigen Verteidigungsverhaltens ist auf Grundlage der in den Urteilsgründen mitgeteilten Einlassungsinhalte indes nicht überschritten worden. Der Senat vermag ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen.

213. Die Urteilsaufhebung in den Fällen II. 2. b), c) und f) der Urteilsgründe lässt die insoweit verhängten Strafen entfallen. Zusammen mit der Aufhebung der verbleibenden Einzelstrafen zieht dies die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Im Übrigen hat die revisionsrechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

224. Im Fall II. 2. g) der Urteilsgründe war der Schuldspruch wie geschehen klarzustellen. Denn eine – von Seiten des Landgerichts insoweit zutreffend angenommene – Strafbarkeit gemäß § 246 Abs. 2 StGB ist in der Urteilsformel durch die Bezeichnung als „veruntreuende Unterschlagung“ kenntlich zu machen (vgl. ). Dies holt der Senat nach.

III.

23Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis:

24Der 6. Strafsenat hat mit Beschluss vom – 6 StR 191/23, NJW 2024, 1050 in Abweichung von der bisher herrschenden Rechtsprechung ausgeführt, dass eine Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB voraussetze, dass der Täter sich die Sache oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt. Eine bloße Manifestation des Zueignungswillens genüge insoweit nicht, könne aber ein gewichtiges Beweisanzeichen für den subjektiven Tatbestand sein (aaO, Rn. 5 ff.). Er hat zugleich mitgeteilt, dass diese Rechtsansicht für seine Entscheidung nicht tragend und ein Anfrageverfahren gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG deshalb nicht geboten sei (aaO, Rn. 11).

25Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Er sieht keinen Anlass, sich der vom 6. Strafsenat favorisierten, sogenannten rechtsgutsbezogenen Auslegung des Zueignungsbegriffs anzuschließen. Dessen ungeachtet hätte diese gegenüber der Manifestationstheorie restriktivere Auffassung des 6. Strafsenats auch in den vom Senat vorliegend bestätigten Verurteilungen wegen (veruntreuender) Unterschlagung (Fälle II. 2. a), d), e) und g) der Urteilsgründe) nicht zu abweichenden Ergebnissen geführt. Auch die nochmals zu entscheidenden Fälle werden hiervon voraussichtlich nicht berührt sein.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:130324B4STR442.23.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-67233