BAG Urteil v. - 6 AZR 133/23

KraftfahrerTV Bund - Stufenzuordnung - einschlägige Berufserfahrung

Gesetze: § 1 TVG, § 8 Abs 1 S 1 Buchst a TVöD, § 15 Abs 1 TVöD, § 16 TVöD, § 17 Abs 2 S 1 TVöD, § 17 Abs 2 S 2 TVöD, § 17 Abs 3 TVöD, § 17 Abs 5 TVöD, § 33 Abs 1 Buchst a TVöD, Anl 1 Teil III Nr 10 Entgeltgr 5 TV EntgO Bund

Instanzenzug: Az: 60 Ca 2310/21 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 4 Sa 705/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung im Anwendungsbereich des Tarifvertrags für die Kraftfahrer und Kraftfahrerinnen des Bundes (KraftfahrerTV Bund) vom .

2Der Kläger ist, nachdem er zuvor mehr als 16 Jahre bei verschiedenen privaten Arbeitgebern mit Fahrtätigkeiten beschäftigt war, seit dem bei der Beklagten als Fahrer tätig und fährt Personenkraftwagen. Aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien ua. nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung. Zu letzteren gehört auch der KraftfahrerTV Bund. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 4 des Teils III Nr. 10 der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund) eingruppiert.

3Der TVöD enthält zum Tabellenentgelt und zur Stufenzuordnung ua. folgende Regelungen:

4Der KraftfahrerTV Bund enthält auszugsweise folgende Regelungen:

5Die in der Anlage 1 zum KraftfahrerTV Bund für die ab dem neu eingestellten Kraftfahrer/Kraftfahrerinnen bestimmten Pauschalentgelte der Entgeltgruppen 4 und 5 sehen in allen vier Pauschalgruppen sowie bei den Chefkraftfahrern folgende drei „Stufen“ vor: „1.-10. Jahr“, „11.-15. Jahr“ und „ab 16. Jahr“.

6Aufgrund seiner monatlichen Arbeitszeiten zwischen 196 und 221 Stunden erhielt der Kläger, wie es auch § 4 des Arbeitsvertrags vorsieht, ein Pauschalentgelt gemäß § 4 KraftfahrerTV Bund.

7Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom ein Erreichen der „Endstufe 3“ in Ansehung seiner mindestens 16 Jahre Berufserfahrung mitgeteilt hatte, korrigierte sie dies mit Schreiben vom auf die aus ihrer Sicht zutreffende „Stufe 1“. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom und begehrte ein Pauschalentgelt der Pauschalgruppe II der höchsten Stufe. Mit seiner Klage verfolgt der Kläger dieses Begehren weiter.

8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der KraftfahrerTV Bund ergänze den TVöD, soweit er selbst eine Regelung treffe, ersetze diesen aber nicht generell. Soweit der KraftfahrerTV Bund keine Regelung enthalte, verbleibe es daher bei den Bestimmungen des TVöD. So verhalte es sich hinsichtlich der Stufenzuordnung bei der Einstellung. Mangels Regelung im KraftfahrerTV Bund sei auf § 16 TVöD (Bund) zurückzugreifen. Zwar enthalte dieser ein im Vergleich zum KraftfahrerTV Bund völlig anderes, mit diesem nicht kompatibles Stufensystem. Der Grundgedanke der Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung bei der Einstellung trage aber auch im Anwendungsbereich des KraftfahrerTV Bund. Allerdings sei die Begrenzung auf die Anerkennung von maximal drei Jahren Berufserfahrung außer Acht zu lassen, da sonst alle neu eingestellten Kraftfahrer der ersten Stufe zuzuordnen seien und sich vorhandene Berufserfahrung bei diesen nicht auswirke. Daher sei im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der zu berücksichtigenden Berufserfahrung die Stufenregelung in der Anlage 1 zum KraftfahrerTV Bund heranzuziehen. Dies sei mit deren Wortlaut vereinbar, da nur allgemein von Jahren die Rede sei. Eine Begrenzung auf Jahre bei einem bestimmten Arbeitgeber sei hiernach nicht ersichtlich. Aber auch wenn allein § 16 TVöD (Bund) anzuwenden sei, sei seine Berufserfahrung als Kraftfahrer zwingend als förderliche Zeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (Bund) anzuerkennen. Insoweit läge eine Ermessensreduzierung auf null vor.

9Der Kläger hat - nachdem er die Klageabweisung des Arbeitsgerichts in Bezug auf die Monate Januar bis April 2020 mit seiner Berufung nicht angegriffen hat - zuletzt noch beantragt

10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der KraftfahrerTV Bund enthalte nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien eine abschließende Stufenregelung, die eine Anrechnung von Berufserfahrung nicht vorsehe, sondern nur auf die bei der Beklagten zurückgelegten Beschäftigungsjahre abstelle. Auf § 16 Abs. 2 TVöD (Bund) könne nicht zurückgegriffen werden. Zudem gölte dieser nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nur für die in Abs. 1 dieser Tarifnorm genannten sechs Stufen der Entgeltgruppen 2 bis 15. Selbst wenn man § 16 Abs. 2 TVöD (Bund) für anwendbar hielte, führte die dort vorgesehene Berücksichtigung von maximal drei Jahren einschlägiger Berufserfahrung nicht zur Zuordnung zur dritten und höchsten Stufe des KraftfahrerTV Bund. Im Hinblick auf § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (Bund) sei ihr Ermessen hinsichtlich der Anerkennung förderlicher Zeiten nicht auf null reduziert, zumal im Fall des Klägers bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht vorlägen.

11Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in dem zuletzt von ihm noch begehrten Umfang unverändert weiter.

Gründe

12Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die zulässige Klage ist abzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Kläger seit dem mit einem Pauschalentgelt für ab dem neu eingestellte und in der Entgeltgruppe 4 TVöD (Bund) eingruppierte Kraftfahrer zu vergüten, das sich nach der dritten Stufe „ab 16. Jahr“ der Anlage 1 zum KraftfahrerTV Bund bemisst.

13I. Hinsichtlich des Streitzeitraums Mai und Juni 2020 ergibt sich dies bereits daraus, dass der KraftfahrerTV Bund in diesen Monaten auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Anwendung fand.

141. Der Geltungsbereich des KraftfahrerTV Bund ist nach seinem § 1 iVm. der Protokollerklärung hierzu erst eröffnet, wenn der dem TVöD unterfallende Kraftfahrer des Bundes nicht nur gelegentlich über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beschäftigt ist, weil er im vorangegangenen Kalenderhalbjahr in einem Kalendermonat mindestens 15 Überstunden geleistet hat. Für die Anwendbarkeit des KraftfahrerTV Bund bedarf es daher stets des zeitlichen Vorlaufs zumindest eines vorangegangenen Kalenderhalbjahres. Neu eingestellte Kraftfahrer können demzufolge vom Zeitpunkt der Einstellung bis zum Ende des jeweils laufenden (ggf. bereits angebrochenen) Kalenderhalbjahres zunächst nicht unter den Geltungsbereich des KraftfahrerTV Bund fallen (Breier/Dassau TVöD Teil C 2.1 § 1 KraftfahrerTV Bund Stand April 2022 Rn. 7; in diesem Sinn auch  - Rn. 22). Vielmehr gilt bis zum Ende des Kalenderhalbjahres, in dem die zur erstmaligen Eröffnung des Anwendungsbereichs des KraftfahrerTV Bund erforderlichen Überstunden geleistet werden, allein der TVöD. Ein anderes Tarifverständnis folgt nicht aus dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom - D5-31005/26#3 - zum KraftfahrerTV Bund (GMBl. S. 1370). Einseitige Auslegungen einer Tarifvertragspartei wie zB Rundschreiben oder von ihr erstellte Merkblätter sind keine Hilfsmittel der Tarifauslegung, wenn ihr Inhalt in den Tarifnormen - wie hier - keinen Ausdruck findet ( - Rn. 43; - 6 AZR 455/18 - Rn. 26, BAGE 168, 1; - 6 AZN 835/16 - Rn. 17).

152. Demgemäß ist der KraftfahrerTV Bund, unabhängig von der zwischen den Parteien umstrittenen Frage der zutreffenden Stufenzuordnung, auf das ab dem bestehende Arbeitsverhältnis des dem TVöD unterfallenden, als Kraftfahrer beim Bund beschäftigten Klägers frühestens ab dem , nicht aber schon im Mai und Juni 2020 anzuwenden.

16II. Die Beklagte ist auch für den Streitzeitraum ab , in dem der KraftfahrerTV Bund auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand und findet, nicht verpflichtet, den Kläger entsprechend der Stufe „ab 16. Jahr“ - die der Kläger in seinem Klageantrag als „Stufe 3“ bezeichnet - der jeweils zutreffenden Pauschalgruppe des KraftfahrerTV Bund zu vergüten. Der Kläger ist nicht dieser, sondern der Stufe „1.-10. Jahr“ zuzuordnen, weil die - unstreitig „einschlägige“ iSd. § 16 Abs. 2 TVöD (Bund) iVm. der hierzu ergangenen Protokollerklärung Nr. 1 - Berufserfahrung des Klägers aus seinen vorherigen Beschäftigungen als Kraftfahrer anlässlich seiner Einstellung bei der Beklagten nur im Umfang von drei Jahren zu berücksichtigen war.

171. Der KraftfahrerTV Bund sieht die Berücksichtigung von aufgrund einer früheren Tätigkeit erworbenen Berufserfahrung, gleichgültig, ob einschlägig oder nicht, bei der Stufenzuordnung anlässlich der Einstellung nicht vor. Er enthält keine Bestimmung eines solchen Inhalts. Das ist konsistent, da er auf neu eingestellte Kraftfahrer keine Anwendung findet (vgl. vorstehend Rn. 14).

182. Die bei der Einstellung erforderliche Stufenzuordnung erfolgt auch für Kraftfahrer stets auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 TVöD (Bund). Darum können insoweit, sofern nicht die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 4 TVöD (Bund) vorliegen, höchstens drei Jahre einschlägiger Berufserfahrung berücksichtigt werden. Darum war der Kläger nach seiner Einstellung aufgrund seiner unstreitig vorliegenden mindestens dreijährigen einschlägigen Berufserfahrung der Stufe 3 des § 16 TVöD (Bund) zuzuordnen mit einer zunächst dreijährigen Stufenlaufzeit für den weiteren Aufstieg in die Stufe 4.

19a) Entgegen der Annahme der Revision ist bei der Stufenzuordnung bei der Einstellung von Kraftfahrern nicht die Stufenregelung in der Anlage 1 zum KraftfahrerTV Bund unter Außerachtlassung der Höchstbegrenzung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD (Bund) von drei Jahren anzuwenden. Dies führte zu einer unzulässigen Vermischung der Regelungen des KraftfahrerTV Bund sowie des TVöD, indem aus beiden Tarifverträgen die für den Arbeitnehmer jeweils günstigeren Regelungen herausgegriffen und im Ergebnis zu einem völlig neuen, nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprechenden Regelungswerk zusammengesetzt würden.

20b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts besteht im Hinblick auf die Stufenzuordnung bei der Einstellung kein Spezialitätsverhältnis zwischen dem TVöD und dem KraftfahrerTV Bund.

21aa) Der KraftfahrerTV Bund enthält, wie § 1 KraftfahrerTV Bund zeigt, in Ergänzung zum TVöD Sonderregelungen für unter den TVöD fallende Kraftfahrer/Kraftfahrerinnen des Bundes. Gemäß dem Spezialitätsgrundsatz verdrängt der KraftfahrerTV Bund mithin den TVöD, sofern sein Geltungsbereich eröffnet ist und er denselben Sachverhalt wie der TVöD regelt. Als speziellerer Tarifvertrag geht der KraftfahrerTV Bund dem TVöD in diesen Fällen, aber auch nur in diesen Fällen, vor. Im Übrigen bleibt der TVöD nach dem Willen der Tarifvertragsparteien uneingeschränkt anwendbar (vgl.  - Rn. 35 zur Anwendung des Überstundenbegriffs des TVöD im Rahmen des KraftfahrerTV Bund).

22bb) Dieses systematische Verständnis belegt auch die Protokollerklärung zu der Eingruppierungsregelung in Teil III Nr. 10 Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 3 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund. Danach wird bei der Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 5 wegen des Fahrens sondergeschützter (voll gepanzerter) Fahrzeuge die in der bisherigen Stufe zurückgelegte Stufenlaufzeit abweichend von § 17 Abs. 5 Satz 2 TVöD angerechnet. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Tarifvertragsparteien in allen anderen Fällen der Nr. 10, die Fahrerinnen und Fahrer und damit auch solche, die den Regelungen des KraftfahrerTV Bund unterfallen, betrifft, von der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 5 Satz 2 TVöD ausgehen, also die Regelungen des TVöD zur Stufenlaufzeit grundsätzlich uneingeschränkt anwenden wollen.

23c) Dass die Stufenregelung in der Anlage 1 zum KraftfahrerTV Bund kein Maßstab für die Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung bei der Einstellung sein kann, sondern die Stufenzuordnung bei Einstellung auch bei einem Kraftfahrer allein nach den Vorgaben des § 16 Abs. 2 TVöD (Bund) erfolgt, ergibt sich darüber hinaus aus dem Umstand, dass dieser Tarifvertrag auf neu einzustellende Kraftfahrer nicht anzuwenden ist (Rn. 14). Die Voraussetzung der Ableistung von mindestens 15 Überstunden in einem Kalendermonat im „vorangegangenen Kalenderhalbjahr“ kann kein Kraftfahrer bereits bei der Einstellung erfüllen. Darum ist eine Konkurrenz zwischen den beiden Tarifverträgen zu diesem Zeitpunkt denknotwendig ausgeschlossen. Damit trägt auch das vom Landesarbeitsgericht gegen die Anwendung des § 16 Abs. 2 TVöD (Bund) auf Kraftfahrer angeführte systematische Argument, diese Regelung beziehe sich nur auf Absatz 1 und die dort angeführten sechs Stufen und passe deshalb nicht zur Anlage 1 zum KraftfahrerTV Bund, die keine sechs Stufen enthalte, nicht. Denklogisch kann und braucht der KraftfahrerTV Bund keine Stufenzuordnungsregelung bei Einstellung enthalten.

24d) Die Regelung zur Vergütungshöhe in § 4 KraftfahrerTV Bund steht der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD (Bund) auf die Stufenzuordnung von Kraftfahrern bei ihrer Einstellung ebenfalls nicht entgegen. Die Zahlung von Pauschalentgelt ist eine besondere Entlohnungsform, bei der anstelle von Einzelzahlungen eine (pauschalierte) Gesamtvergütung geleistet wird (vgl.  - Rn. 25, BAGE 120, 239). Diese tritt gemäß § 4 Abs. 1 KraftfahrerTV Bund an die Stelle des Tabellenentgelts (§ 15 Abs. 1 TVöD) und des Entgelts sowie der Zeitzuschläge für Überstunden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD). Ein weitergehender Regelungsinhalt ist damit nicht verbunden. Insbesondere lassen sich dem Tarifvertrag entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts keine Anhaltspunkte entnehmen, die darauf schließen lassen, dass mit der Erhöhung des Entgelts im Vergleich zur Entgelttabelle der Anlage A (Bund) zum TVöD nicht nur das Tabellenentgelt sowie Überstunden pauschaliert abgegolten, sondern gleichzeitig die fehlende Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung kompensiert werden soll. Der Umstand, dass der KraftfahrerTV Bund für neu eingestellte Kraftfahrer (zunächst) nicht gilt, spricht im Gegenteil gerade gegen diese Annahme.

253. Aus diesen Gründen kann das von der Revision angestrebte Ergebnis ebenso wenig durch eine ergänzende Auslegung des KraftfahrerTV Bund erreicht werden. Weder liegt - ausgehend vom Willen der Tarifvertragsparteien - die hierfür erforderliche unbewusste Regelungslücke vor, noch ist die Regelung nachträglich lückenhaft geworden (vgl. zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Tarifauslegung  - Rn. 33; - 6 AZR 460/18 - Rn. 26 mwN; - 3 AZR 23/11 - Rn. 29 mwN).

264. Aus § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (Bund) folgt entgegen der Annahme des Klägers keine höhere Stufe. Der Kläger hat bereits nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung seiner vorherigen beruflichen Tätigkeit als förderliche Zeiten bei der Stufenzuordnung anlässlich der Neueinstellung zum dargelegt. Damit kommt es nicht auf die Frage an, ob das auf Rechtsfolgenseite dem Arbeitgeber durch die Tarifnorm eingeräumte Ermessen, ob und in welchem Umfang er solche Zeiten berücksichtigt (vgl. allgemein dazu  - Rn. 17, BAGE 176, 95; - 6 AZR 1008/12 - Rn. 16 ff., BAGE 148, 217 [jeweils zu § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L]), vorliegend auf null reduziert ist.

275. Ausgehend von der Stufenzuordnung bei der Einstellung ist der Kläger auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt der Stufe „ab 16. Jahr“ zuzuordnen.

28a) Für den weiteren Stufenverlauf und -aufstieg nach der Einstellung und der späteren Eröffnung des Anwendungsbereichs des KraftfahrerTV Bund sehen weder § 16 TVöD (Bund) noch der KraftfahrerTV Bund eine erstmalige oder nochmalige Anrechnung von Berufserfahrung, sei sie einschlägig, förderlich oder keines von beidem, vor. Vielmehr kann die für den Stufenaufstieg von Kraftfahrern vorausgesetzte weitere Stufenlaufzeit - vorbehaltlich der Regelung in § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TVöD - nur durch eine ununterbrochene Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe „bei ihrem Arbeitgeber“ erworben werden (§ 16 [Bund] Abs. 4 iVm. § 17 Abs. 3 TVöD). Da der den TVöD ergänzende KraftfahrerTV Bund nicht ausdrücklich etwas anderes regelt und sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien finden lassen, gilt auch für den Stufenaufstieg von Kraftfahrern das Grundprinzip des § 16 Abs. 4 TVöD (Bund). Der Begriff „Jahr“ in der Anlage 1 zum KraftfahrerTV Bund bezieht sich daher - entgegen der Annahme der Revision - auf die Jahre der Stufenlaufzeit im Sinne der Definition in § 16 Abs. 4 TVöD (Bund), nicht aber auf sämtliche Jahre einschlägiger Berufserfahrung, unabhängig davon, bei welchem Arbeitgeber sie erworben wurden. Der Begriff „Jahr“ ist, anders als die Beklagte annimmt, auch nicht mit „Betriebszugehörigkeit“ oder „Zeiten der Beschäftigung als Kraftfahrer iSd. KraftfahrerTV Bund“ gleichzusetzen. Einen solchen Schluss rechtfertigt auch § 7 KraftfahrerTV Bund nicht. Dort haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich auf eine „mindestens fünfjährige ununterbrochene Beschäftigung nach diesem Tarifvertrag“ und nicht auf „Jahre“ abgestellt.

29b) Um im Fall der Anwendbarkeit des KraftfahrerTV Bund im bestehenden Arbeitsverhältnis die Zuordnung zu einer der drei Stufen des KraftfahrerTV Bund vornehmen zu können, sind diese mit den Stufen des § 16 Abs. 1, Abs. 4 TVöD (Bund) zu harmonisieren (vgl. die Tabelle bei Breier/Dassau TVöD Teil C 2.1 § 4 KraftfahrerTV Bund Stand November 2019 Rn. 5 ff.). Von diesem Erfordernis sind auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen, da nach den Regelungen des § 1 KraftfahrerTV Bund im Verlauf eines Arbeitsverhältnisses ein mehrfaches Hineinwachsen oder Herausfallen in seinen bzw. aus seinem Geltungsbereich möglich ist. Es kann daher zu einem (mehrfachen) Wechsel zwischen der Stufenregelung des § 16 TVöD (Bund) und der des KraftfahrerTV Bund kommen.

30Für eine Harmonisierung der Stufenregelungen spricht zudem, dass beide im Grundsatz eine ununterbrochene Tätigkeit der Beschäftigten innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber von insgesamt 15 Jahren voraussetzen, um die Endstufe zu erreichen. Überdies entspricht die Stufe „1.-10. Jahr“ des KraftfahrerTV Bund derjenigen Stufenlaufzeit, die § 16 Abs. 4 TVöD (Bund) im Grundsatz für das Erreichen der Stufe 5 voraussetzt. Sie umfasst mithin den Zeitraum der Stufen 1 bis 4, während die Stufenlaufzeiten der weiteren Stufen „11.-15. Jahr“ und „ab 16. Jahr“ mit denen der Stufen 5 und 6 übereinstimmen.

31c) Da die Stufenzuordnung bei der Einstellung ausschließlich nach den Vorgaben des § 16 TVöD (Bund) erfolgt, muss diese Zuordnung Ausgangspunkt für den weiteren Stufenverlauf sein. Für die Stufenfindung im Rahmen des KraftfahrerTV Bund ist sodann zu ermitteln, in welchem Gesamtjahr der Stufenlaufzeitregelung des § 16 Abs. 4 TVöD (Bund), die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Zeit des Verbleibs des Kraftfahrers in derselben Entgeltgruppe weiter „mitläuft“, sich der Beschäftigte im Zeitpunkt seines (erstmaligen oder wiederholten) Wechsels in den KraftfahrerTV Bund befindet. Dazu sind, ausgehend von der dem Beschäftigten bei der Einstellung zuzuerkennenden (§ 16 Abs. 2 Satz 1, Satz 2, Satz 4, Abs. 3 TVöD [Bund]) oder zuerkannten (§ 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD [Bund]) Stufenlaufzeit, alle in derselben Entgeltgruppe bei seinem Arbeitgeber seitdem unter Berücksichtigung etwaiger Stufenlaufzeitverkürzungen oder -verlängerungen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TVöD erlangten Stufenlaufzeiten hinzuzurechnen. Ebenso ist zu verfahren, wenn der Beschäftigte im laufenden Arbeitsverhältnis aus dem Anwendungsbereich des KraftfahrerTV Bund herausfällt. Entsprechend der Gesamtjahre seiner Stufenlaufzeit innerhalb derselben Entgeltgruppe ist der Beschäftigte einer der Stufen des KraftfahrerTV Bund bzw. des § 16 Abs. 4 TVöD (Bund) zuzuordnen.

32Dies stellt sicher, dass die dem Geltungsbereich des KraftfahrerTV Bund unterfallenden Beschäftigten hinsichtlich der Stufenzuordnung nicht benachteiligt werden. Nur ein solches Verständnis entspricht dem oben dargestellten Verhältnis zwischen dem TVöD und dem diesen lediglich ergänzenden KraftfahrerTV Bund. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn für die Stufenfindung im KraftfahrerTV Bund, wie die Beklagte es annimmt, nur die in seinem Geltungsbereich zurückgelegten Beschäftigungszeiten anerkannt würden. Dann müsste der Kraftfahrer bei jedem neuen Hineinwachsen wieder im „1. Jahr“ anfangen bzw. blieben die Beschäftigungszeiten, in denen er zwar ununterbrochen bei seinem Arbeitgeber als Kraftfahrer in derselben Entgeltgruppe tätig ist, allerdings nicht dem Geltungsbereich des KraftfahrerTV Bund unterfällt, bei der Ermittlung des zu zahlenden Pauschalentgelts unberücksichtigt. Ebenso wenig entspricht das vom Kläger angenommene Verständnis des Begriffs „Jahr“ dahingehend, dass damit der reine Bestand des Arbeitsverhältnisses oder sämtliche Zeiten einer Kraftfahrertätigkeit - gleich bei welchem Arbeitgeber - gemeint sind, dem Verhältnis von TVöD und Kraftfahrer TV Bund. Dies würde die dem letztgenannten Tarifvertrag unterfallenden Beschäftigten im Vergleich zu den „TVöD-Kraftfahrern“ bevorteilen. Es hätte auch zur Konsequenz, dass bspw. die Regelung des § 17 Abs. 3 TVöD obsolet wäre.

33d) Eine Höher- oder Herabgruppierung von Kraftfahrern erfolgt nach Maßgabe des § 17 Abs. 5 TVöD, wobei ggf. die Sonderregelung in der Protokollerklärung zu der Eingruppierungsregelung in Teil III Nr. 10 Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 3 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund für Fahrer von sondergeschützten Fahrzeugen zu beachten ist (Mitnahme angebrochener Stufenlaufzeiten bei Höhergruppierung). Fällt eine solche Umgruppierung mit dem Wechsel in den KraftfahrerTV Bund, weil der Kraftfahrer erstmals oder wieder dessen Geltungsbereichsvoraussetzungen erfüllt, oder mit dem Herausfallen aus seinem Geltungsbereich zusammen, weil entweder kein Pauschalentgelt mehr geschuldet oder der Beschäftigte nicht mehr als Fahrer tätig ist, ist unter Berücksichtigung der bisher erreichten Stufenlaufzeiten zunächst die jeweils zutreffende Stufe nach dem KraftfahrerTV Bund (beim Wechsel in dessen Geltungsbereich) bzw. § 16 Abs. 4 TVöD (Bund) (beim Herausfallen aus dem KraftfahrerTV Bund) zu ermitteln (dazu vorstehend Rn. 31). Sodann ist § 17 Abs. 5 TVöD anzuwenden. Dies bedeutet, dass bei einer Höhergruppierung die Stufenlaufzeit in der ermittelten Stufe von vorne beginnt, bei einer Herabgruppierung die angebrochene Stufenlaufzeit hingegen erhalten bleibt. Erneute Wechsel zwischen den Stufenregelungen des § 16 TVöD (Bund) und dem KraftfahrerTV Bund zu einem späteren Zeitpunkt sind ausgehend hiervon vorzunehmen.

34e) Dieses Zuordnungssystem gilt für am vorhandene Kraftfahrerinnen/Kraftfahrer in gleicher Weise, auch wenn für diese gemäß Anlage 3 zum KraftfahrerTV Bund insgesamt vier Stufen vorgesehen sind und weder einzelne Stufenlaufzeiten noch die erforderliche Gesamtzeit zum Erreichen der Endstufe mit dem TVöD übereinstimmen. Die abweichende Stufenregelung ist dem Umstand geschuldet, dass die Tarifvertragsparteien aus Besitzstandsgründen bei den aus dem Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) übergeleiteten Beschäftigten des Bundes an den für diese bis dahin bestehenden Lohnstufenregelungen festgehalten und lediglich die erste Stufe noch einmal aufgeteilt haben.

35f) Entsprechend der vorstehenden Ausführungen war der Kläger der Stufe 3 des § 16 Abs. 4 TVöD (Bund) zugeordnet, als er ab dem erstmals dem Geltungsbereich des KraftfahrerTV Bund unterfallen konnte. Dies führt unter Berücksichtigung der bis dahin im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zurückgelegten weiteren sechs Monate dazu, dass sich der Kläger im „4. Jahr“ im Sinne der Stufenregelung des KraftfahrerTV Bund befand. Somit könnte er - vorbehaltlich der Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 TVöD bzw. einer Umgruppierung - frühestens nach sieben Jahren, also ab in die Stufe „11.-15. Jahr“ und sodann ab in die Stufe „ab 16. Jahr“ aufsteigen. Allerdings dürfte das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits vorher mit Ablauf des gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD enden, da der am geborene Kläger am das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollenden wird (§ 33 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 235 SGB VI).

36III. Ob dem Kläger der begehrte Anspruch auf Zuordnung zur Stufe „ab 16. Jahr“ ab aus dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom - D5-31005/26#3 - zum KraftfahrerTV Bund (GMBl. S. 1370) oder dem Schreiben der Beklagten vom zusteht, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Diese eigenständigen Streitgegenstände hat der Kläger nicht zur Entscheidung gestellt.

37IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:220224.U.6AZR133.23.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 1139 Nr. 20
QAAAJ-66157