BGH Beschluss v. - 2 StR 395/23

Notwendige Darlegungen bei Unterbringungsanordnung in Entziehungsanstalt hinsichtlich bisheriger Erfolglosigkeit therapeutischer Maßnahmen

Gesetze: § 64 S 2 StGB

Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 11 Ks 35612/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach Vorwegvollzug von zwei Jahren der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Die hiergegen gerichtete, mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils im Maßregelausspruch; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die auf die Sachrüge hin veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils lässt im Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

32. Hingegen begegnet die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB durchgreifenden Bedenken.

4a) Der Senat hat seiner Entscheidung die am in Kraft getretene Fassung des § 64 StGB (BGBl I Nr. 203 vom ) zugrunde zu legen (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO).

5Genügte nach § 64 Satz 2 StGB in der bis zum geltenden Fassung eine „hinreichend konkrete Erfolgsaussicht“, setzt § 64 Satz 2 StGB nunmehr voraus, dass der Behandlungserfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ ist. Durch die Neufassung der Vorschrift sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem jetzt eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ vorausgesetzt wird; im Übrigen bleibt es dabei, dass die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände vorzunehmen ist (vgl. ; BT-Drucks. 20/5913, S. 70).

6b) Hieran gemessen halten die Erwägungen des Landgerichts, beim Angeklagten bestünden „hinreichende Erfolgsaussichten für eine Therapie“ revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat ihre dem Sachverständigen folgende Wertung damit begründet, aufgrund des langjährigen Konsums seien die Grundbedingungen zwar vergleichsweise ungünstig, der Angeklagte sei aber therapiemotiviert und habe Veränderungswillen und Einsicht bezüglich der Problematik seines Betäubungsmittelkonsums gezeigt; er sei noch nicht austherapiert und habe noch Therapiepotential. Auch sei öfter beschrieben worden, dass bei Konsumenten im Alter von etwa 40 Jahren ein therapieförderndes Umdenken einsetzen könne, was deren bisheriges Leben mit dem Konsum von Betäubungsmitteln angehe. Die Therapieprognose sei daher „mittel bis ausreichend gut“.

7Dabei hat die Strafkammer gewichtige prognoseungünstige Umstände nicht gewürdigt. Dies gilt insbesondere für die bisherige Erfolglosigkeit therapeutischer Maßnahmen und den langjährigen, verfestigten Drogenmissbrauch des Angeklagten, der seit 2013 substituiert wird und bei dem im Hinblick auf den täglichen (Bei-) Konsum von Cannabis, Crack und Pregabalin eine Polytoxikomanie diagnostiziert wurde. Um eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ für einen Behandlungserfolg tragfähig zu prognostizieren, hätte es jedenfalls der Auseinandersetzung damit bedurft, weshalb die beiden Therapien in der Vergangenheit erfolglos geblieben sind und welche seitdem eingetretene Änderungen der Persönlichkeit und der Lebensumstände des Angeklagten im Gegensatz dazu konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Therapieverlauf bieten.

8c) Die aufgeführten Mängel führen zur Aufhebung des Maßregelausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Damit entfällt zugleich die Anordnung des Vorwegvollzugs. Über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) – unter Beachtung der geänderten Rechtslage neu zu verhandeln und zu entscheiden sein.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:071223B2STR395.23.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-65980