BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 43/23

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Stuttgart Az: AGH 7/2022 I

Gründe

1Die als Rechtsanwältin zugelassene Beigeladene wurde durch die Gesellschafterversammlung der B.             GmbH ab zur Geschäftsführerin dieser Gesellschaft bestellt und ist dort seither auf Grundlage eines Geschäftsführer-Dienstvertrags vom tätig. Auf ihren Antrag vom ließ die Beklagte sie mit Bescheid vom für diese Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin zu. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Zulassungsbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids erreichen will.

2Der Anwaltsgerichtshof hat den Zulassungsbescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufgehoben. Der Zulassung der Beigeladenen stehe bereits entgegen, dass sie als Geschäftsführerin nicht im Sinne von § 46 Abs. 2 BRAO im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber tätig sei. Eine Zulassung scheide zudem deshalb aus, weil die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen nicht gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 BRAO gewährleistet sei.

3Die Beigeladene beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

4Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

5Der Anwaltsgerichtshof hat seine Entscheidung, wonach eine Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin ausscheidet, auf zwei selbständig tragende Gründe gestützt. Jedenfalls hinsichtlich der tragenden Begründung, dass es an der nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 BRAO für eine Zulassung erforderlichen Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit fehlt, hat die Beigeladene keine durchgreifenden Zulassungsgründe geltend gemacht, so dass ihr Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 18/20, juris Rn. 7).

61. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen insoweit nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5).

7Entsprechende Zweifel vermag die Beigeladene nicht darzulegen. Die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, wonach die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen nicht gewährleistet ist, steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung.

8a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats fehlt es ohne satzungsmäßige Verankerung der Weisungsfreiheit an der erforderlichen Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit eines Geschäftsführers einer GmbH, da dieser grundsätzlich gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG die Weisungen der Gesellschafterversammlung - sei es im Einzelfall oder als allgemeine Richtlinie - zu jeder Geschäftsführerangelegenheit zu befolgen hat, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält (vgl. Senat, Urteile vom - AnwZ (Brfg) 33/21, NJW 2023, 155 Rn. 19; vom - AnwZ (Brfg) 21/21, NJW-RR 2022, 1354 Rn. 29; vom - AnwZ (Brfg) 17/20, NJW 2021, 629 Rn. 10 ff.; Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 37/20, NZG 2022, 286 Rn. 19, 25). Denn die Möglichkeit der Beeinträchtigung der fachlichen Unabhängigkeit ist bereits in der Geschäftsführerstellung selbst angelegt, da die organschaftliche Weisungsgebundenheit ohne satzungsmäßige Verankerung der Weisungsfreiheit immanenter Bestandteil der Stellung als Geschäftsführer der Gesellschaft ist (vgl. Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 17/20, aaO Rn. 19).

9Dementsprechend hat der Senat einen Gesellschafterbeschluss, mit dem die Gesellschafter einer Änderung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags zugestimmt hatten, durch die die Weisungsfreiheit des Geschäftsführers bei seiner anwaltlichen Tätigkeit zugesichert wurde, nicht für hinreichend gehalten, um die fachliche Unabhängigkeit des dortigen Geschäftsführers zu gewährleisten, da mit diesem Beschluss nicht zugleich der Gesellschaftsvertrag geändert worden war (vgl. Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 21/21, NJW-RR 2022, 1354 Rn. 33).

10b) Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit dieser Senatsrechtsprechung. Der Anwaltsgerichtshof hat eine Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit mangels gesellschaftsvertraglicher Verankerung der Weisungsungebundenheit der Beigeladenen für den Bereich der anwaltlichen Tätigkeit verneint. Dass der Gesellschaftsvertrag der B.            GmbH dem widersprechend eine Aufhebung der gesellschafts- und organrechtlichen Weisungsunterworfenheit der Beigeladenen oder eine sonstige Regelung zur Gewährleistung ihrer fachlichen Unabhängigkeit enthält, ist nicht dargetan. Auch dagegen, dass der Anwaltsgerichtshof nicht von einer Änderung des Gesellschaftsvertrags durch den Beschluss der Gesellschafter vom , wonach die Beigeladene seit Beginn ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin hinsichtlich ihrer anwaltlichen Tätigkeit keinen Weisungen gemäß § 37 GmbHG unterliege und ihr ausdrücklich Befreiung von der Weisungsgebundenheit erteilt werde, ausgegangen ist, wendet sich die Beigeladene nicht.

11Das Vorbringen der Beigeladenen, dass in der gesellschaftsrechtlichen Literatur die Möglichkeit einer Erweiterung der Geschäftsführungsbefugnisse anerkannt sei, wozu auch die Selbstbindung der Gesellschafter, von dem Weisungsrecht des § 37 Abs. 1 GmbHG keinen Gebrauch zu machen, gehöre, begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs nicht. Ein Widerspruch zu der vorgenannten Senatsrechtsprechung und der hierauf beruhenden Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs besteht insoweit nicht. Denn dieser liegt ebenfalls die Erwägung zu Grunde, dass eine Befreiung von der gesellschafts- beziehungsweise organrechtlichen Weisungsgebundenheit für den Bereich der anwaltlichen Tätigkeit des Geschäftsführers grundsätzlich möglich ist, wenn auch - jedenfalls für eine Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit - nur bei entsprechender satzungsmäßiger Verankerung.

12Die in der Begründung des Zulassungsantrags vertretene Auffassung, dass eine die fachliche Unabhängigkeit im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 BRAO gewährleistende Befreiung von der Weisungsgebundenheit nicht nur in dem Gesellschaftsvertrag, sondern im Einzelfall durch Gesellschafterbeschluss möglich sei, mithin der (nicht satzungsändernde) Gesellschafterbeschluss vom ausreiche, widerspricht der oben genannten Rechtsprechung des Senats, die die Beigeladene in ihrer Begründung des Zulassungsantrags nicht hinreichend in den Blick genommen und mit der sie sich dementsprechend auch inhaltlich nicht näher befasst hat. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs sind hierdurch demnach nicht dargetan.

13Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof zudem und ohne dass die Begründung des Zulassungsantrags dies mit schlüssiger Argumentation in Frage stellt auch darauf abgestellt, dass ein derartiger nicht satzungsändernder Gesellschafterbeschluss jedenfalls auch deshalb eine hinreichende Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit nicht bewirken kann, weil er jederzeit - ohne die bei einer satzungsmäßigen Verankerung erforderliche Satzungsänderung - aufgehoben werden könnte. Dies gälte auch dann, wenn - wie die Beigeladene meint - ein derartiger Beschluss gesellschaftsrechtlich zulässig wäre.

14Soweit in der Begründung des Zulassungsantrags auch auf den Beschluss des Aufsichtsrats vom , mit dem dieser die Weisungsfreiheit bestätigt und erteilt habe, verwiesen wird, sind auch hiermit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht aufgezeigt. Mit der Begründung des Anwaltsgerichtshofs, weshalb der Aufsichtsratsbeschluss zur Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit nicht genügt, setzt sich die Beigeladene nicht auseinander.

152. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 9/22, NJOZ 2022, 1432 Rn. 22 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom , aaO, mwN).

16Diese Voraussetzungen sind hier nicht dargetan. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Rechtsfrage, ob die fachliche Unabhängigkeit im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 BRAO auch durch Beschlüsse der Gesellschafter gewährleistet werden kann, ist - soweit sie entscheidungserheblich ist, mithin hinsichtlich nicht satzungsändernder Beschlüsse wie dem hier vorliegenden Gesellschafterbeschluss vom - durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärt. Weitergehender Klärungsbedarf ist in der Begründung des Zulassungsantrags nicht aufgezeigt.

III.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:130324BANWZ.BRFG.43.23.0

Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2024 S. 10 Nr. 33
NJW 2024 S. 10 Nr. 30
NJW-RR 2024 S. 989 Nr. 15
IAAAJ-65704