Mietminderung der Kaltmiete der Genossenschaftsmitglieder einer Wohnungsgenossenschaft bei Zeichnung freiwilliger unverzinslicher
Genosssenschaftsanteile: verbindliche Auskunft des Finanzamts zum Nichtvorliegen einer verdeckten Gewinnaussschüttung
freiwillige Genossenschaftsanteile als Eigenkapital der Genossenschaft
keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Mietminderungen
Voraussetzung einer nicht unwesentlichen Sachverhaltsabweichung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV
Leitsatz
1. Bietet eine Wohnungsgenossenschaft ihren Mitgliedern die Möglichkeit an, neben ihren Pflichtanteilen zusätzlich weitere,
freiwillige unverzinsliche Genossenschaftsanteile zu zeichnen, die zwar nicht an Gewinnausschüttungen der Genossenschaft teilnehmen,
dafür jedoch zu einer Minderung der monatlichen Nettokaltmieten der diese freiwilligen Genossenschaftsanteile zeichnenden
Genossenschaftsmitglieder führen, so handelt es sich bei dem Kapital, das die Genossenschaftsmitglieder der Genossenschaft
durch Zeichnung freiwilliger Genossenschaftsanteile zum Zweck der Verringerung der Kaltmiete überlassen haben, um Eigenkapital
der Genossenschaft, das nicht der – nur für Fremdkapital geltenden – gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst.
a GewStG unterliegt.
2. Hat das zuständige Finanzamt vorab eine verbindlichen Auskunft im Sinne des § 89 Abs. 2 AO mit dem Inhalt erteilt, dass
die Vereinbarung von geminderten Netto-Sollmieten für Mitglieder, die weitere freiwillige Genossenschaftsanteile zeichnen,
welche weder an der Gewinnausschüttung teilhaben noch verzinst werden, einen Vorteilsausgleich im Sinne von H 36 KStG (jetzt
H 8.5 KStR 2022 „Vorteilsausgleich”) darstellt, soweit sich der Vorteil des Mieters auf geringere Miete und der Finanzierungsvorteil
der Genossenschaft für die freiwilligen Anteile, die zur Mietminderung geführt haben, gegenseitig auch der Höhe nach ausgleichen,
so hat hat das Finanzamt damit verbindlich festgestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung
nicht erfüllt sind. Schließt das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung aus, weil durch den angenommenen Vorteilsausgleich
keine Maßnahme der Einkommensverteilung vorliegt, gilt dies zwangsläufig auch für offene Gewinnausschüttungen und andere Maßnahmen
der Einkommensverteilung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG. Die Mietminderungsbeträge dürfen daher aufgrund der Bindungswirkung
der verbindlichen Auskunft bei der Ermittlung des Gewerbeertrags auch nicht nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG oder § 8 Abs. 3 Satz
2 KStG in Verbindung mit § 7 Satz 1 GewStG dem zugrunde gelegten Gewinn als Gewinnverwendung hinzugerechnet werden.
3. Bei einer Genossenschaft bilden die freiwilligen und die verpflichtend gezeichneten Geschäftsanteile (zuzüglich der darauf
entfallenden Gewinne und abzüglich der Verluste) das einheitliche Geschäftsguthaben eines Genossenschaftsmitglieds. Das Geschäftsguthaben
der Mitglieder tritt bei der Genossenschaft an die Stelle gezeichneten Kapitals (§ 337 Abs. 1 HGB); es bildet – mit Ausnahme
des Geschäftsguthabens der zum Jahresende ausscheidenden Genossenschaftsmitglieder – das Eigenkapital der Genossenschaft.
4. Eine nicht unwesentliche Sachverhaltsabweichung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV liegt nur vor, wenn der Antragsteller
alle oder einzelne Sachverhaltsbestandteile, die für die zu beantwortende Rechtsfrage tatbestandsmäßig sind, nicht dergestalt
verwirklicht, wie er sie in seinem Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegt hat. Danach liegt die für
die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft vorausgesetzte Sachverhaltsidentität nicht mehr vor, wenn der Antragsteller
einen Sachverhalt verwirklicht, der das zuständige Finanzamt zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Rechtsfrage veranlasst
hätte, wäre dieser Sachverhalt der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegt worden. Änderungen des Sachverhalts, die keine erkennbare
Relevanz für die Beantwortung der Rechtsfrage durch das Finanzamt haben, sind danach nicht wesentlich und lassen die Bindungswirkung
der verbindlichen Auskunft nicht entfallen.
Fundstelle(n): QAAAJ-65509
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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.11.2023 - 6 K 6042/20
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