BGH Beschluss v. - XII ZB 213/23

Ablehnung eines vom Betroffenen vorgeschlagenen Betreuers

Leitsatz

Eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person darf bei der Betreuerauswahl nur dann mangels Eignung unberücksichtigt bleiben, wenn sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände hinsichtlich sämtlicher Aufgabenbereiche der Betreuung die konkrete Gefahr ergibt, dass der Vorgeschlagene nicht gewillt oder in der Lage ist, die Betreuung zum Wohl der betroffenen Person zu führen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 118/21, FamRZ 2022, 1559).

Gesetze: § 1816 Abs 2 BGB

Instanzenzug: Az: 5 T 19/21vorgehend Az: 44 XVII L 17/20

Gründe

1Der Beteiligte zu 1 wendet sich dagegen, dass zum Betreuer für die Betroffene nicht er als Ehemann, sondern die Beteiligte zu 2, eine Berufsbetreuerin, bestellt worden ist.

2Bei der Betroffenen, die seit rund 48 Jahren mit dem Beteiligten zu 1 verheiratet ist, liegt eine fortgeschrittene schwere Demenz vor, deretwegen sie ihre Angelegenheiten in den Bereichen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. Am erteilte sie dem Beteiligten zu 1 eine Vollmacht, war aber zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr geschäftsfähig. Im vorliegenden Verfahren hat die Betroffene am den Beteiligten zu 1 schriftlich als Betreuer vorgeschlagen. Auch das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten benennt den Ehemann als gewünschten Betreuer. Das Amtsgericht hat hinsichtlich des genannten Aufgabenkreises eine Betreuung eingerichtet und die Beteiligte zu 2 zur Berufsbetreuerin für die Betroffene bestellt.

3Die gegen die Auswahl der Betreuerin gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 durch Senatsbeschluss vom (XII ZB 118/21 - FamRZ 2022, 1559) aufgehoben worden. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht die Betroffene am persönlich angehört und durch Beschluss vom erneut die Beteiligte zu 2 als Berufsbetreuerin für die Betroffene bestellt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.

4Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

51. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, nach § 1816 Abs. 2 BGB sei dem Wunsch der Betroffenen, eine bestimmte Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen, es sei denn, die gewünschte Person sei zur Führung der Betreuung nicht geeignet. Die Beurteilung der Eignung der Person sei dabei Tatrichterfrage. Ein Betreuer dürfe nur bestellt werden, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen nicht durch einen Bevollmächtigten gleichermaßen erledigt werden können. Bei der Auswahl des Betreuers sei das Wohl des Betroffenen ausschlaggebend.

6Eine rechtswirksame Vollmacht der Betroffenen, die einer Betreuerbestellung entgegenstünde, liege nicht vor. Einer Bestellung des Beteiligten zu 1 als Betreuer der Betroffenen stehe der natürliche Wille der Betroffenen entgegen. Zwar habe das Gericht im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Betroffenen keine eigenen Feststellungen zu ihrem natürlichen Willen treffen können, jedoch ergebe sich ein entgegenstehender Wille der Betroffenen aus den Angaben der übrigen Verfahrensbeteiligten. So habe der Verfahrenspfleger ausgeführt, die Betroffene habe ihm gegenüber wiederholt geäußert, dass ihr Ehemann sich nicht um ihre Angelegenheiten kümmern solle.

7Die Betreuerin habe in der Anhörung mitgeteilt, dass der Beteiligte zu 1 den Kontakt zu ihr verweigere und bei der Regelung der sozialrechtlichen Angelegenheiten der Betroffenen nicht ausreichend mitwirke. Zudem erachte das Gericht in Übereinstimmung mit der Betreuungsbehörde den Beteiligten zu 1 für nicht geeignet, die Betreuung zum Wohl der Betroffenen zu führen. Das Gericht sei überzeugt davon, dass - auch wegen des gemeinsamen betreuungsbedürftigen Sohnes ­ ein Interessenkonflikt bestehe. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Heimplatz der Betroffenen durch erhebliche Zahlungsrückstände gefährdet worden sei und der Tatsache, dass der Beteiligte zu 1 ausweislich eines Schreibens im Oktober 2021 fortlaufend Miete von der Betroffenen verlange, da sie die Wohnung nicht vollständig geräumt habe, obwohl eine Rückkehr der Betroffenen in die Häuslichkeit ausgeschlossen sei. Der Beteiligte zu 1 sei nicht in der Lage, die Interessen der Betroffenen von seinen eigenen und denen des gemeinsamen Sohnes abzugrenzen. Demnach sei die Bestellung eines Berufsbetreuers gerechtfertigt.

82. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass sich auch die erneute Betreuerauswahl nach den bisherigen Feststellungen als rechtsfehlerhaft erweist.

9a) Die Auswahl des Betreuers war bis zum in § 1897 Abs. 4 und Abs. 5 BGB geregelt. Durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom (BGBl. I S. 882) wurde mit der Regelung des § 1816 Abs. 2 BGB die Bedeutung der Wünsche des Betroffenen für die konkrete Betreuerauswahl hervorgehoben. Danach ist einem Wunsch des Volljährigen nach einem bestimmten Betreuer grundsätzlich zu entsprechen. Dabei wird klargestellt, dass jeder Wunsch hinsichtlich der Person des Betreuers grundsätzlich zu beachten ist. Die Pflicht des Gerichts zur Beachtung der Wünsche des Betreuten gilt auch für Wünsche, die der Volljährige vor Einleitung des Betreuungsverfahrens geäußert hat, es sei denn, er möchte an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten. Allerdings ist die Wunschbefolgungspflicht des Gerichts hinsichtlich der Betreuerauswahl nicht schrankenlos. Das Gericht kann nicht verpflichtet werden, einen ungeeigneten Betreuer zu bestellen. Da aber eine vertrauensvolle Zusammenarbeit die Qualität der Betreuung hebt, darf bei einem konkreten Wunsch des Volljährigen die Eignung des Betreuers auch nicht vorschnell verneint werden (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 237 f.).

10Nicht geeignet für eine konkrete Betreuung ist nach § 1816 Abs. 1 BGB derjenige, der nicht willens oder in der Lage ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis nach Maßgabe des § 1821 BGB die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln und adäquat umzusetzen und in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten. Von einer fehlenden persönlichen Eignung ist danach insbesondere auszugehen, wenn das Betreuungsgericht anhand konkreter Tatsachen erhebliche Interessenkonflikte feststellt oder wenn ein Missbrauch eines zu der betroffenen Person bestehenden Vertrauensverhältnisses durch den potentiellen Betreuer zu befürchten ist. Stellt das Betreuungsgericht in einem solchen Fall anhand von Tatsachen die konkrete Gefahr fest, dass die als Betreuer in Betracht kommende Person die Vertrauensbeziehung zu der betroffenen Person zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchen könnte und damit nicht gewillt oder in der Lage ist, die Betreuung zum Wohl der betroffenen Person zu führen, ist von einer Bestellung zum Betreuer mangels Eignung abzusehen (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 237).

11Danach darf bei der Auswahl des Betreuers von einer vom Betroffenen vorgeschlagenen Person nur dann mangels Eignung abgesehen werden, wenn die vom Gericht konkret zu treffenden Feststellungen einen Eignungsmangel bezogen auf sämtliche von der Betreuung umfassten Aufgabenbereiche ergeben. Bei der Frage, ob der Benannte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint, darf der Tatrichter sich dabei nicht auf eine Gewichtung einzelner Umstände oder Vorfälle beschränken; er hat vielmehr eine Gesamtschau all derjenigen Umstände vorzunehmen, die für und gegen eine Eignung sprechen könnten. Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann zwar gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist indessen rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (vgl. etwa - zu § 1897 Abs. 4 und Abs. 5 BGB - Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 118/21 - FamRZ 2022, 1559 Rn. 10 und vom - XII ZB 151/20 - FamRZ 2021, 1822 Rn. 10, 12 jeweils mwN).

12b) Auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab ist die erneute Betreuerauswahl des Beschwerdegerichts zu beanstanden.

13Insbesondere fehlt es schon deswegen an der erforderlichen Gesamtschau, weil das Beschwerdegericht (trotz der Hinweise des Senats im Beschluss vom - XII ZB 118/21 - FamRZ 2022, 1559 Rn. 12) keinen der für die Bestellung des Beteiligten zu 1 sprechenden Gesichtspunkte (mehrfacher Wunsch der Betroffenen, auch gegenüber der vom Amtsgericht bestellten Sachverständigen; langjährige Dauer der Ehe und die damit einhergehenden Bindungen) in den Blick genommen hat. Bedenklich erscheint auch die Feststellung des Beschwerdegerichts, ein etwa entgegenstehender aktueller Wille der Betroffenen ergebe sich aus den Angaben der übrigen Verfahrensbeteiligten. Denn der Verfahrenspfleger hat ausweislich des Anhörungsprotokolls des nicht geäußert, die Betroffene habe mehrfach erklärt, sie wolle nicht, dass sich ihr Ehemann um ihre Angelegenheiten kümmere, sondern lediglich, „dass sie nicht will, dass ihr Mann das mit dem Geld macht“. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte die Betreuerin für eine Ungeeignetheit des Beteiligten zu 1 vorgetragen haben soll, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Entsprechendes gilt für die vom Landgericht behauptete Übereinstimmung mit der Einschätzung der Betreuungsbehörde. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine aktuelle konkrete Nichteignung des Beteiligten zu 1 - für sämtliche von der Betreuung umfassten Aufgabenbereiche - hat das Beschwerdegericht mithin nicht festgestellt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

14Hinzu kommt, dass das Beschwerdegericht ausweislich seines Anhörungsprotokolls den Beteiligten abschließend mitgeteilt hat, dass zunächst die übrigen Bereiche bis auf die Vermögenssorge auf den Beteiligten zu 1 übertragen werden sollten. Aufgrund welcher Tatsachen das Beschwerdegericht nachfolgend zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen.

153. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG). Der Senat macht dabei wegen der wiederholten Aufhebung und Zurückverweisung von der Möglichkeit gemäß § 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG Gebrauch, die Sache an eine andere Zivilkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 276/18 - NJW­RR 2019, 642 Rn. 9 mwN). Für den Fall, dass sich im weiteren Verfahren eine Ungeeignetheit des Beteiligten zu 1 nur für den Bereich der Vermögenssorge feststellen lassen sollte, wird das Landgericht auch die Möglichkeit der Bestellung einer weiteren Person als Mitbetreuer in den Blick zu nehmen haben, um der fehlenden Eignung hinsichtlich (nur) einzelner Aufgabenkreise Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG FamRZ 2022, 722 Rn. 19).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280224BXIIZB213.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 8 Nr. 19
NJW-RR 2024 S. 683 Nr. 11
WAAAJ-65384