Krankenversicherung - häusliche Krankenpflege - Versorgungsvertrag - Geltendmachung eines Nachvergütungsanspruchs aufgrund Rechtsprechungsänderung - sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit der Klage - Beteiligtenfähigkeit einer GbR - Anteilsübertragung auf eine GmbH vor Klageerhebung - Beteiligtenwechsel
Gesetze: § 70 Nr 1 SGG, § 37 Abs 1 SGB 5, § 132a SGB 5, § 705 BGB, §§ 705ff BGB, § 5 Abs 4 GmbHG, § 7 Abs 3 GmbHG
Instanzenzug: Az: S 86 KR 1442/11 Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 4 KR 478/17 Beschluss
Tatbestand
1Im Streit steht ein höherer Vergütungsanspruch für erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege von Mai 2007 bis März 2011.
2Die Klägerin, eine in 2006 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), erbrachte von Mai 2007 bis Februar 2010 Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber einem Versicherten der Beklagten (Intensivpflege 24 Stunden täglich). In einer Ergänzungsvereinbarung der Beteiligten zu ihrem Versorgungsvertrag war die Stundenvergütung hierfür bestimmt. Zeitanteile für die grundpflegerischen Leistungen wurden bei der Vergütung in Abzug gebracht. Ende 2009/Anfang 2010 wurde die GbR aufgelöst und in eine neu gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) überführt. Nach deren Gesellschaftsvertrag leisteten die mit denen der GbR personenidentischen Gesellschafter der GmbH ihre Einlagen durch Übertragung ihrer Anteile an der GbR mit allen Aktiva und Passiva auf die GmbH, was in 2010 erfolgte. Ab März 2010 erbrachte die GmbH die Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber dem Versicherten und erhielt diese zu zunächst unveränderten Bedingungen von der Beklagten vergütet. Im Juli 2011 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, für von ihr in der Vergangenheit erbrachte Leistungen die geänderte Rechtsprechung des BSG zum Zusammentreffen von Behandlungs- und Grundpflege umzusetzen und danach bislang nicht berücksichtigte Leistungen nachzuvergüten.
3Mit ihrer im Dezember 2011 erhobenen Klage verfolgte die Klägerin diesen Vergütungsanspruch weiter und erweiterte die Klage um einen entsprechenden Nachvergütungsanspruch für von der GmbH von März 2010 bis März 2011 erbrachte Leistungen; insoweit berief sie sich auf eine Abtretung und Prozessstandschaft. Das SG hat die auf Zahlung von 103 219,91 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen: Sie sei unzulässig, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr existiert habe; es sei von einer Übertragung der Anteile zum auszugehen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Klage sei zu Recht als unzulässig abgewiesen worden. Die Klägerin habe bei Klageerhebung keine Rechte mehr innegehabt, diese seien vollständig auf die GmbH übergegangen gewesen. Eine spätere Abtretung oder sonstige Übertragung von Forderungen der GmbH gegen die Beklagte sowie eine Prozessstandschaft der Klägerin für die GmbH schieden aus, weil die Klägerin bereits bei Klageerhebung nicht mehr existiert habe (Beschluss vom ).
4Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie sei durch die Gründung der GmbH nicht erloschen, aktivlegitimiert und habe Anspruch auf die begehrte Zahlung. Eine Rechtsnachfolge der GmbH in die Vereinbarungen der Klägerin mit der Beklagten sei nicht erfolgt.
5Die Klägerin beantragt,den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
6Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Gründe
7Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass ihre Klage unzulässig war.
81. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Entscheidungen und das im Gleichordnungsverhältnis der Beteiligten zueinander von der Klägerin mit der Leistungsklage verfolgte Begehren auf Zahlung höherer Vergütungen für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege (vgl zum Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis letztens etwa - vorgesehen für BSGE = SozR 4-2500 § 129 Nr 16, RdNr 8). Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Zurückverweisung an das LSG zur Sachentscheidung.
92. Die Revision ist - wie es zuvor die Berufung war - zulässig. Das Rechtsmittel eines Beteiligten, der sich - wie hier - dagegen wendet, in den Vorinstanzen zu Unrecht als nicht beteiligtenfähig behandelt worden zu sein, ist ohne Rücksicht darauf zulässig, ob die für die Beteiligtenfähigkeit (§ 70 SGG) erforderlichen Voraussetzungen festgestellt werden können (vgl letztens - SozR 4-1500 § 70 Nr 4 RdNr 6 mwN).
103. Die Revision der klagenden GbR ist unbegründet schon deshalb, weil ihre Klage mangels Beteiligtenfähigkeit der Klägerin von Beginn an unzulässig war (vgl zur Beteiligtenfähigkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, Vor § 51 RdNr 15, und Schmidt, aaO, § 70 RdNr 1a, 7), was auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl nur - SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22).
11a) Fähig, am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein, sind nach § 70 Nr 1 SGG ua juristische Personen. Als solche werden nach der Rechtsprechung des BGH auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts anerkannt (stRspr seit - BGHZ 146, 341), denen das BSG entsprechend die Beteiligtenfähigkeit am sozialgerichtlichen Verfahren zuerkannt hat (vgl nur - SozR 4-5425 § 24 Nr 5, juris RdNr 19). Erlischt eine GbR, entfällt damit grundsätzlich deren Beteiligtenfähigkeit (vgl zu - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen im Vertragsarztrecht zum fiktiven Fortbestand aufgelöster, nicht fortgeführter Gemeinschaftspraxen nur - BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; - SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 13).
12b) Die Klägerin war zum Zeitpunkt ihrer im Gleichordnungsverhältnis zur Beklagten im Dezember 2011 vor dem SG erhobenen Klage nicht mehr beteiligtenfähig. Die klagende, 2006 gegründete GbR war mit Übertragung sämtlicher Anteile an ihr mit allen Aktiva und Passiva durch ihre Gesellschafter auf eine GmbH liquidationslos vollbeendet und erloschen spätestens zum Zeitpunkt der Eintragung der GmbH in das Handelsregister im November 2010 (vgl § 7 Abs 3 iVm § 5 Abs 4 GmbHG; vgl näher zum Ausschluss einer identitätswahrenden rechtsformwechselnden Umwandlung einer GbR in eine GmbH nach dem bis geltenden Recht und zur Einbringung sämtlicher GbR-Anteile in eine GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin nur Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 5 RdNr 431 ff und 439 ff, Stand November 2022; vgl zur Abdingbarkeit einer Auseinandersetzung bei Auflösung einer GbR durch Einbringung sämtlicher GbR-Anteile in eine GmbH Trost in jurisPK-BGB, 10. Aufl 2023, § 730 RdNr 14 f, Stand ). Jedenfalls zu diesem vor Klageerhebung liegenden Zeitpunkt war die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin entfallen. Auf eine Kenntnis möglicher vertraglicher Nachvergütungsansprüche der GbR gegen die Beklagte - aufgrund einer geänderten Rechtsprechung des BSG (Aufgabe von - BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 durch - BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11) - bei Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die GmbH kommt es hierfür nicht an.
13c) Die beteiligtenfähige GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin der klagenden GbR hat zu keinem Zeitpunkt Klage auf die hier streitige Nachvergütung erhoben. Sie ist auch nicht durch einen gesetzlichen Beteiligtenwechsel im Verfahren zur Klägerin geworden, weil sie Gesamtrechtsnachfolgerin der Klägerin bereits vor deren Klageerhebung war (vgl für einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes im Verfahren nur - BSGE 134, 172 = SozR 4-2500 § 275 Nr 39, RdNr 9). Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach einer Rechtsnachfolge auch in einen Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (§ 132a SGB V) kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an.
144. Unzulässig war danach nicht nur die Klage der GbR auf Nachvergütung für von ihr erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege aus eigenem Recht, sondern auch aus dem von ihr während des Verfahrens geltend gemachten, durch die GmbH in 2011 an sie abgetretenen Recht sowohl für zunächst von der GbR bis Februar 2010 als auch sodann ab März 2010 von der GmbH erbrachte Leistungen. Zum Zeitpunkt, zu dem die behauptete Abtretung erfolgt sein soll, war die Klägerin bereits vollbeendet und erloschen. Zu diesem Zeitpunkt war sie weder als eine Abtretungsempfängerin rechtlich existent noch für die Geltendmachung abgetretener Rechte am Verfahren beteiligtenfähig.
155. Der Senat kann offenlassen, ob, wie auch während des Verfahrens von der Klägerin geltend gemacht, in 2011 eine neue GbR gegründet worden war, an die Nachvergütungsansprüche sowohl der klagenden GbR als auch der GmbH zur gerichtlichen Verfolgung abgetreten sein sollen. Eine neue GbR hat weder Klage auf Nachvergütung erhoben noch kann sie Rechtsnachfolgerin der Klägerin geworden sein, die bereits zum Zeitpunkt der behaupteten GbR-Neugründung vollbeendet und erloschen und deren Gesamtrechtsnachfolgerin die GmbH war. Ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel im Verfahren war auch insoweit ausgeschlossen.
166. Einen gewillkürten Beteiligtenwechsel im Verfahren hat die Klägerin als Änderung ihrer Klage weder geltend gemacht noch wäre er als Klageänderung im Revisionsverfahren zulässig gewesen (§ 168 Satz 1 SGG). Hiervon ist eine Ausnahme nicht deshalb zu machen, weil die GmbH die Gesamtrechtsnachfolgerin der Klägerin war, denn dies war sie bereits vor deren Klageerhebung. Auch für eine Rubrumsberichtigung hat daher kein Anlass bestanden (vgl zu einer ähnlich gelagerten Konstellation - BVerwGE 140, 142 RdNr 28).
177. Aufgrund der Unbegründetheit der Revision schon wegen Unzulässigkeit der Klage konnte offenbleiben, ob der Senat an einer Sachentscheidung wegen unterbliebener notwendiger echter Beiladungen (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG) gehindert gewesen wäre. Als beizuladen kamen hier in Betracht sowohl der Versicherte, um dessen zeitlichen Umfang seines Anspruchs auf häusliche Krankenpflege gegen die Beklagte mit dem Nachvergütungsverlangen der Klägerin gestritten wurde (vgl - BSGE 133, 141 = SozR 4-3300 § 43a Nr 2, RdNr 33; - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 9 ff), als auch die GmbH, deren Nachvergütungsansprüche die Klägerin als an sie abgetretene Ansprüche geltend machte (vgl - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 13, 22).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:220224UB3KR1222R0
Fundstelle(n):
RAAAJ-65296