Gesetze: § 176a Abs 3 aF StGB, § 176c Abs 2 nF StGB, § 184b Abs 1 Nr 2 aF StGB, § 184b Abs 2 aF StGB
Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 18 KLs 8/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Anstiftung zur Herstellung kinderpornographischer Inhalte, wegen Anstiftung zur Herstellung kinderpornographischer Inhalte und wegen versuchter Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, führt zudem zu einer Änderung des Schuldspruchs und ist im Übrigen unbegründet.
21. Der II. 2. c) aa) 1. Tat der Urteilsgründe betreffende Schuldspruch wegen Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Anstiftung zur Herstellung kinderpornographischer Inhalte ist insoweit zu ändern, als sich der Angeklagte neben den weiteren Delikten nicht wegen Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, sondern als Täter wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht strafbar gemacht hat.
3a) Nach den dazu vom Landgericht getroffenen Feststellungen forderte der Angeklagte im Dezember 2019 die Mitangeklagte über einen Messengerdienst auf, dem damals knapp zwei Monate alten gemeinsamen Sohn die Vorhaut zurückzuziehen, den Penis in den Mund zu nehmen, davon ein Video zu fertigen und es ihm zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Anweisung manipulierte sie an dem Penis und nahm hiervon ein Video auf. Nachdem der Angeklagte versprochen hatte, das Video nach dem Übersenden zu löschen, schickte sie es ihm.
4b) Der Angeklagte hat sich demnach wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht gemäß § 176a Abs. 3 StGB in der zur Tatzeit - bis zum - geltenden Fassung strafbar gemacht, die nach § 2 Abs. 1 und 3 StGB Anwendung findet. Zwar manipulierte er nicht selbst am Penis des Sohnes und nahm somit keine sexuellen Handlungen im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB aF an ihm vor. Allerdings ist nach § 176a Abs. 3 StGB aF (s. aktuell § 176c Abs. 2 StGB) als Täter auch strafbar, wer bei einer entsprechenden Tat als anderer Beteiligter in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift - beziehungsweise nunmehr eines pornographischen Inhalts - zu machen, die nach § 184b Abs. 1 oder 2 StGB verbreitet werden soll (vgl. , BGHSt 66, 105 Rn. 15 mwN). Dies war der Fall, da der Angeklagte die Mitangeklagte zu ihrem Tun anstiftete und darauf abzielte, dass sie das Geschehen aufzeichnete und die Aufnahme an ihn weiterleitete.
5Die Qualifikation entfällt nicht dadurch, dass die Mitangeklagte Täterin des sexuellen Missbrauchs war und sie nach dem Plan des sie anstiftenden Angeklagten die zu erstellende Videodatei nur diesem selbst verschaffen sollte. Andere Person im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB aF kann auch ein Beteiligter am sexuellen Missbrauch sein, der den Gegenstand der kinderpornographischen Schrift bildet (vgl. , BGHSt 66, 105 Rn. 19). Einer Strafbarkeit wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 3 StGB aF steht daher nicht entgegen, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, die von dem sexuellen Missbrauch gefertigte Aufzeichnung solle nur einer weiteren am Missbrauch beteiligten Person zur Speicherung - hier ihm selbst - übermittelt werden.
6In Tateinheit treten die Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der bis zum geltenden Fassung, § 26 StGB) und die Anstiftung zum Herstellen kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der bis zum geltenden Fassung, § 26 StGB) hinzu.
7Zur Klarstellung ist im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, dass die Qualifikation des § 176a Abs. 3 StGB aF verwirklicht ist (vgl. , NStZ-RR 2023, 47 mwN) und § 184b StGB in der angewendeten Fassung nach der gesetzlichen Bezeichnung (s. § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) kinderpornographische Schriften (nunmehr kinderpornographische Inhalte) betrifft.
8c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) und § 265 StPO stehen dem nicht entgegen. Es ist auszuschließen, dass sich der geständige Angeklagte bei einem Hinweis auf die andere rechtliche Beurteilung wirksamer hätte verteidigen können. Der Strafausspruch bleibt angesichts desselben Strafrahmens und Tatbildes unberührt.
92. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern unter II. 2. c) cc) 3. Tat der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nicht in den Blick genommen hat und ein solcher nach den Urteilsgründen nicht ohne Weiteres auszuschließen ist.
10a) Der Angeklagte forderte den Feststellungen zufolge die Mitangeklagte im Januar 2020 auf, an der Vagina der zweijährigen Tochter zu manipulieren und davon ein Video zu erstellen. Dass die Mitangeklagte dem nachkam, hat die Strafkammer nicht feststellen können.
11b) Danach kommt in Betracht, dass der Angeklagte nicht wegen der - vom Landgericht angenommenen - versuchten Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu bestrafen ist, weil er den Versuch freiwillig aufgegeben haben könnte. Ein solcher strafbefreiender Rücktritt kann hier unabhängig davon vorliegen, ob dafür bei einem Rücktritt vom Versuch der Anstiftung § 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder - angesichts einer versuchten täterschaftlichen Verwirklichung des § 176a Abs. 3 StGB aF (s.o.) - § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB maßgeblich ist. Soweit nämlich der Tatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur erfüllt ist, falls der Anstifter neben der freiwilligen Aufgabe eine etwa bestehende Gefahr der Tatbegehung abwendet, ist dies entbehrlich, wenn der Haupttäter noch keinen Tatentschluss gefasst hat und keine Gefahr entstanden ist, dass er die Tat begeht (s. , StV 2008, 248 mwN).
12Dass die Mitangeklagte bereits zu der Tat entschlossen war oder die Gefahr der Tatbegehung bestand, ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen. Da sich aus ihnen - ebenso wie aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe - überdies nichts zum Vorstellungsbild des Angeklagten zum Zeitpunkt seines Nichtweiterhandelns ergibt (vgl. st. Rspr. zum maßgeblichen Rücktrittshorizont, etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 451/17, StV 2018, 717 Rn. 10 mwN; vom - 4 StR 469/21, VRS 143, 153, 154), lässt sich aufgrund der bisherigen Urteilsgründe ein strafbefreiender Rücktritt nicht ausschließen. Der entsprechende Vorwurf bedarf daher erneuter tatgerichtlicher Verhandlung.
13Die insoweit erforderliche Aufhebung des Urteils lässt die zugehörige Einzelstrafe entfallen und entzieht damit auch der Gesamtstrafe die Grundlage.
143. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat, wie vom Generalbundesanwalt näher ausgeführt, keinen sonstigen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:040423B3STR69.23.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-65287