Online-Nachricht - Montag, 15.04.2024

Einkommensteuer | Rückwirkende Anwendung des § 6e EStG zu Fondsetablierungskosten nicht verfassungswidrig (FG)

Die Anwendung des § 6e EStG auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume stellt eine verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung dar (; Revision anhängig, BFH-Az. IV R 6/24).

Hintergrund: Gemäß § 6e Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern, die ein Steuerpflichtiger gemeinschaftlich mit weiteren Anlegern gemäß einem von einem Projektanbieter vorformulierten Vertragswerk anschafft, auch die Fondsetablierungskosten im Sinne von § 6e Abs. 2 und 3 EStG. Fondsetablierungskosten sind damit nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig. § 6e EStG wurde durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung eingeführt (sog. JStG 2029, BGBl 2019 I S. 245) und gilt bereits rückwirkend für Wirtschaftsjahre, die vor dem enden, § 52 Abs. 14a EStG. Zum Normzweck des § 6e EStG s. KKB/Kraft, § 6e EStG Rz. 1, 9. Aufl., Stand: .

Sachverhalt: Die Klägerin betreibt einen geschlossenen Schiffsfonds in Form einer GmbH & Co. KG. Nach ihrer Gründung im Jahr 2007 schloss sie zunächst einen Chartervertrag sowie einen Bauvertrag über einen noch herzustellenden Massengutfrachter ab. Für die Investition wurde ein Emissionsprospekt herausgegeben, auf dessen Grundlage sich die Anleger an der Klägerin beteiligten. Die angefallenen Weichkosten (z.B. für Finanzierung und Beratung bei der Konzeption) behandelte die Klägerin zunächst als Anschaffungskosten. Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass eine zeitgerechte Fertigstellung des Schiffes nicht erfolgen würde, beschlossen der Verwaltungsbeirat und die Geschäftsführung der Klägerin, den Anlegern als Alternativkonzept eine Beteiligung an einer anderen GmbH & Co. KG anzubieten, die ein baugleiches Schiff erwerben sollte. In einer im Streitjahr 2010 abgehaltenen Gesellschafterversammlung wurden die Kündigung des Bauvertrags und die Beteiligung an der neuen Gesellschaft beschlossen.

Die Klägerin behandelte die bisher für das ursprünglich geplante Schiff aktivierten Anschaffungskosten aufgrund der Kündigung des Bauvertrags nunmehr als sofort abziehbare Betriebsausgaben. Das Finanzamt ging demgegenüber weiterhin von Anschaffungskosten aus und berief sich auf die damals gültige sog. "Vertragsgeflecht-Rechtsprechung" des BFH. Zu der während des Klageverfahrens eingeführten Regelung des § 6e EStG vertrat die Klägerin die Auffassung, dass der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht eröffnet sei und die rückwirkende Anordnung verfassungsrechtlich unzulässig sei.

Die Richter des FG Münster wiesen die Klage ab:

  • Die streitigen Kosten sind nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben, sondern als Anschaffungskosten in der Ergänzungsbilanz bei der Untergesellschaft zu behandeln, denn es handelt sich um Fondsetablierungskosten im Sinne von § 6e EStG.

  • Dies gilt unabhängig davon, dass diese bereits von der Klägerin selbst für das ursprüngliche Investitionskonzept verausgabt worden waren.

  • Die Beurteilung als „Aufwendungen der Anleger“ im Sinne des § 6e EStG hat auch auf der Ebene des Fonds und auf der Grundlage eines gedachten einheitlichen Erwerbsvorgangs zu erfolgen, bei dem die Anleger das Investitionsobjekt aufgrund eines Gesamtkaufpreises erwerben. Damit sind auch Kosten des Fonds aus der Zeit vor dem Beitritt der Anleger erfasst, die Teil der Erwerbsgestaltung sind.

  • Auch nach Änderung des Investitionsobjekts hat weiterhin ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Kosten mit der Abwicklung des Projekts bestanden. Aus Sicht der Anleger ist es unerheblich, ob die Klägerin selbst ein Schiff unterhält oder sich an einer Gesellschaft beteiligt, die ein baugleiches Schiff betreibt.

  • Die Anleger haben ihre Beteiligungen auch auf Grundlage eines vorformulierten Vertragswerks angeschafft. Bei der ursprünglichen Investitionsvariante hat den Anlegern bei Beteiligungserwerb das Emissionsprospekt mit der wesentlichen Konzeption vorgelegen. Auch bei der letztlich umgesetzten Modifikation haben sie faktisch keine Einflussnahmemöglichkeiten gehabt. Die Anleger haben ausschließlich zwischen einer Auflösung der Klägerin und einer Beteiligung an der neuen KG wählen können.

  • Die gesetzlich angeordnete rückwirkende Anwendung des im Jahr 2019 eingeführten § 6e EStG auf bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume ist im Streitfall verfassungsrechtlich ausnahmsweise zulässig.

  • Jedenfalls für Zeiträume bis zur Änderung der bisherigen Rechtsprechung durch das hat aufgrund der gefestigten Rechtsprechung und der einhelligen Verwaltungspraxis zur Behandlung von Weichkosten bei modellartigen Gestaltungen kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen können.

  • Danach sind die vorliegend streitigen Kosten als Anschaffungskosten zu behandeln gewesen. Die Klägerin hat daher nicht darauf vertrauen können, diese im Streitjahr 2010 sofort als Betriebsausgaben abziehen zu können.

Hinweis:

Der Senat hat die Revision zum BFH zugelassen. Diese ist dort unter dem Az. IV R 6/24 anhängig.

Quelle: FG Münster, Newsletter April 2024 (il)

Fundstelle(n):
UAAAJ-64955