Verfahrenskostenhilfe in Unterbringungssachen: Zwangsbehandlung eines Untergebrachten mittels Elektrokonvulsionstherapie
Gesetze: § 1832 Abs 1 S 1 Nr 1 BGB, § 1832 Abs 1 S 1 Nr 5 BGB, § 1832 Abs 1 S 1 Nr 6 BGB, § 76 Abs 1 FamFG, § 114 Abs 1 S 1 FamFG
Instanzenzug: LG Duisburg Az: 12 T 225/23vorgehend AG Dinslaken Az: 24 XVII 485/15
Gründe
1Gemäß § 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist Verfahrenskostenhilfe nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der vorliegende Fall wirft keine über den Einzelfall hinausreichenden Rechtsfragen auf. Die angefochtene Entscheidung lässt bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Überprüfung auch keine Rechtsfehler erkennen.
2Die von den Instanzgerichten genehmigte (Weiter-)Behandlung mit Flupentixoldecanoat unter Einsatz von Erhaltungs-EKT dient der Verbesserung des Allgemeinzustands der Betroffenen mit dem Ziel der teilweisen Remission der Erkrankung insgesamt. Die vom Landgericht dazu gegebenen Ausführungen tragen die Entscheidung.
3Für das bei der Betroffenen gegebene Krankheitsbild besteht nach den getroffenen Feststellungen eine Notwendigkeit der Behandlung mit EKT im Sinne eines medizinisch-wissenschaftlichen Konsenses nach den Leitlinien und Empfehlungen (§ 1832 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der andernfalls drohende erhebliche gesundheitliche Schaden in Form des Fortbestehens und der weiteren Verschlechterung des Zustands kann auch durch keine andere die Betroffene weniger belastende Maßnahme abgewendet werden (§ 1832 Abs. 1 Nr. 5 BGB). Alternative Behandlungsmethoden oder sonstige, die Behandlung entbehrlich machende Maßnahmen stehen nach den getroffenen Feststellungen nicht zur Verfügung.
4Eine Abstandnahme von regelmäßigen Erhaltungs-EKT ist - zu Recht - in 2022 für einige Monate versucht worden. Es hat sich dabei aber gezeigt, dass die Betroffene ohne EKT einerseits in lebensbedrohliche Zustände gerät, andererseits in Zustände, die mit ihrer Menschenwürde unvereinbar sind und ihren Anspruch auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft faktisch entwerten. Der bezweckte Erfolg kann ohne die Behandlung nicht erreicht werden.
5Der von der Zwangsbehandlung zu erwartende Nutzen überwiegt auch weiterhin die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich (§ 1832 Abs. 1 Nr. 6 BGB), woran auch die Perspektive einer gegebenenfalls dauerhaft bestehenden Therapienotwendigkeit nichts ändert. Das Landgericht hat die möglichen Beeinträchtigungen in den Blick genommen und mit dem zu erwartenden Nutzen der Behandlung abgewogen. Dieser liegt darin, die Symptome der Erkrankung abzumildern. Es soll weiterhin der von Angstsymptomatik, religiösem Wahn und fehlender Körper- und Außenwahrnehmung geprägte Zustand der Betroffenen, die ohne die Behandlung keine eigene Körperpflege mehr übt und sich einnässt und einkotet, keine pflegerische Grundversorgung mehr zulässt und zu niemandem mehr Kontakt aufnimmt, gebessert werden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:310124BXIIZA37.23.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-64907